executive review - Roland Berger
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16 | Interview Claus Weyrich<br />
<strong>executive</strong> <strong>review</strong>: Als Industriemanager und als Honorarprofessor kennen<br />
Sie beide Seiten. Wie wichtig ist denn die Zusammenarbeit mit der<br />
Wissenschaft?<br />
Claus Weyrich: Sie ist vor allem für einen Trendsetter sehr wichtig.<br />
Industrielle und öffentliche Forschung ergänzen und unterstützen<br />
sich gegenseitig. Während die industrielle Forschung sich mehr<br />
am Markt bzw. Kunden orientiert, ist ein wesentliches Ziel der<br />
öffentlichen Forschung die Grundlagenforschung, die auf reinen<br />
Erkenntnisgewinn ausgerichtet ist. Durch gemeinsame Projekte<br />
erhalten die Universitäten nicht nur zusätzliche Forschungsmittel,<br />
sondern gewinnen auch Anwendungs-Know-how. Umgekehrt<br />
behalten die Unternehmen die Hand am Puls der Grundlagenforschung,<br />
können technologische Kompetenz in Feldern nutzen,<br />
die sie selbst nicht oder noch nicht aufbauen wollen und haben<br />
natürlich auch einen Zugang zu einem Rekrutierungsfeld für neue<br />
Mitarbeiter. Voraussetzung für eine langfristig erfolgreiche Zusammenarbeit<br />
ist, dass sie auf beiden Seiten vom Management unterstützt<br />
wird, dass man sich als gleichwertiger Partner sieht, dass ein<br />
klares gemeinsames Ziel vorliegt, viel kommuniziert wird und dass<br />
beide von der Zusammenarbeit profitieren.<br />
<strong>executive</strong> <strong>review</strong>: Können wir Trends und Entwicklungen wirklich vorausahnen<br />
oder werden wir häufiger überrascht und laufen dann hinterher?<br />
Claus Weyrich: Es ist schon etwas mehr als eine Ahnung. Trends<br />
geben langfristige Entwicklungsrichtungen vor und lassen sich<br />
systematisch ableiten. Sie ergeben sich durch "Extrapolieren" aus<br />
der Gegenwart und durch "Retropolieren" aus Zukunftsszenarien,<br />
in die viele Faktoren einfließen. Natürlich lassen sich die Zukunft<br />
und damit Trends nicht genau vorhersagen. Es kommt aber vielmehr<br />
auf den Prozess einer systematischen Beschäftigung mit<br />
der Zukunft an, oder in anderen Worten: Der Weg ist das Ziel.<br />
Als natürliche Folge davon entwickelt man eine Agilität, um<br />
kurzfristig und schnell auf Veränderungen bei Kundenbedürfnissen,<br />
Märkten und Technologien, aber auch auf sozioökonomische<br />
Veränderungen reagieren zu können.<br />
"Universitäten erhalten<br />
zusätzliche Forschungsmittel<br />
und gewinnen Anwendungs-<br />
Know-how."<br />
"Trends geben langfristige Entwicklungsrichtungen<br />
vor und<br />
lassen sich systematisch ableiten."<br />
<strong>executive</strong> <strong>review</strong>: Verraten Sie uns, wo Sie persönlich in Ihren Prognosen<br />
goldrichtig lagen und auch, wo Sie enttäuscht wurden?<br />
Claus Weyrich: 20 Jahre lagen zwischen dem ersten Patent und<br />
dem Markteintritt des Dieselkraftstoff-Injektors mit Hilfe der<br />
Piezotechnik. Das war eine Revolution, die mittlerweile zum<br />
Trendsetter geworden ist. Hilfreich war dabei sicher, dass wir<br />
als Newcomer unter den Automobilzulieferern bewusst auf ein<br />
"Leapfrogging" des "Mainstreams" setzen mussten. Übrigens haben<br />
wir dafür gemeinsam mit Bosch im Jahre 2005 den Zukunftspreis<br />
des deutschen Bundespräsidenten bekommen. Einen weiteren<br />
Zukunftspreis erhielten wir ein Jahr zuvor zusammen mit Infineon<br />
und der Fraunhofer Gesellschaft für die Entwicklung eines "Labon-a-Chip",<br />
das – davon bin ich überzeugt – in der In-Vitro-Dia-<br />
"Siliziumkarbid habe ich lange<br />
nur unter dem Aspekt der Lichterzeugung<br />
gesehen – heute ist es<br />
eine Schlüsseltechnologie für<br />
innovative Leistungselektronik."