Staatsverschuldung wirksam begrenzen - Sachverständigenrat zur ...
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Modul 2: Die Schuldenschranke − Grenzen für die kurzfristige Verschuldung 97<br />
gegangen wären. Angesichts des unerwarteten konjunkturellen Einbruchs hätten stärkere Ausgabenkürzungen<br />
prozyklisch gewirkt und möglicherweise politische Widerstände hervorgerufen, die<br />
unmittelbar nach Einführung gleich wieder <strong>zur</strong> Aufgabe dieses Mechanismus <strong>zur</strong> Begrenzung der<br />
<strong>Staatsverschuldung</strong> geführt hätten. Während die als Reaktion auf die Fehlschätzung der Einnahmen<br />
und des Konjunkturfaktors ad hoc eingeführten Übergangsbestimmungen zum Defizitabbaupfad<br />
noch als Lehrgeld während der Einführungsphase der Schuldenbremse interpretiert und gerechtfertigt<br />
werden können − tatsächlich wurden die Verfahren <strong>zur</strong> Ermittlung des Produktionspotentials<br />
im Laufe des Jahres 2003 geändert −, ist weniger einsichtig, dass die daraus resultierenden<br />
diskretionären Finanzierungsdefizite nicht auf das Ausgleichskonto verbucht wurden. Dies<br />
führte zu der der Intuition eher zuwider laufenden Situation, dass trotz diskretionärer Finanzierungsdefizite<br />
in den Jahren 2003 bis 2005 keine Belastungen, sondern zum Teil sogar beträchtliche<br />
Gutschriften auf das Ausgleichskonto erfolgten. Als weitere Konsequenz muss das Ausgleichskonto<br />
zu Beginn des Jahres 2007 gelöscht werden, weil sonst die zukünftige Wirksamkeit der<br />
Schuldenbremse ausgehebelt würde.<br />
Alles in allem können aus der Anwendung der Schuldenbremse in der Schweiz vor allem die folgenden<br />
Erkenntnisse gewonnen werden: Deutlich wird erstens die große Bedeutung einer hohen<br />
Qualität der Einnahmeschätzung, der Prognose des Bruttoinlandsprodukts und der Konjunkturbereinigung.<br />
Als problematisch erweist es sich zweitens, wenn diskretionäre Finanzierungssalden<br />
in großem Umfang von der Verbuchung auf dem Ausgleichskonto ausgenommen werden. Schließlich<br />
zeigt sich drittens, dass der Regelbindungsmechanismus der Schuldenschranke mit einer gewissen<br />
Flexibilität kombiniert werden muss, ohne dass das Ziel einer Schuldenbegrenzung verletzt<br />
wird.<br />
Grundsätze der Ausgestaltung<br />
2. Vorschlag für eine Schuldenschranke in Deutschland<br />
158. Die in Modul 1 erläuterte Neufassung der investitionsorientierten Neuverschuldung stellt<br />
eine ökonomisch begründete Begrenzung der langfristigen <strong>Staatsverschuldung</strong> dar. Um zusätzlich<br />
die kurzfristige, nicht dauerhafte Neuverschuldung in Deutschland mit Hilfe einer Schuldenschranke<br />
auf den unter allokativen Gesichtspunkten sinnvollen Umfang zu <strong>begrenzen</strong>, müssen die<br />
eben dargelegten Merkmale und die Lehren aus der Schweizer Schuldenbremse (Ziffer 157) in das<br />
hiesige institutionelle Regelwerk übersetzt werden. Die in Kapitel 2 aufgezeigte bisherige Entwicklung<br />
der <strong>Staatsverschuldung</strong> in Deutschland und die in Kapitel 4 dargestellten Erfahrungen<br />
mit Artikel 115 Grundgesetz sowie den analogen Bestimmungen in den Ländern machen deutlich,<br />
dass eine <strong>wirksam</strong>e Schuldenbegrenzung sowohl beim Bund als auch bei den Ländern ansetzen<br />
muss.<br />
159. Zur Begrenzung der nicht für investive Zwecke verwendeten Neuverschuldung von Bund<br />
und Ländern mittels einer Schuldenschranke liegt es allein schon aus Gründen der Praktikabilität<br />
sowie der Transparenz, die für die Einhaltung und Glaubwürdigkeit der Schuldenschranke von<br />
großer Bedeutung ist, nahe, auf den beiden föderalen Ebenen einen weitgehend symmetrischen<br />
Mechanismus zu schaffen. Abweichungen von diesem im Folgenden erläuterten gemeinsamen<br />
Rahmen ergeben sich über die jeweilige Parametrisierung der Schuldenschranke in Bund und Län-