19.06.2014 Aufrufe

Staatsverschuldung wirksam begrenzen - Sachverständigenrat zur ...

Staatsverschuldung wirksam begrenzen - Sachverständigenrat zur ...

Staatsverschuldung wirksam begrenzen - Sachverständigenrat zur ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

42 Warum nationale Verschuldungsgrenzen sinnvoll sind − Theorien <strong>zur</strong> <strong>Staatsverschuldung</strong> im Überblick −<br />

ratur spricht man von einem „Ponzi-Spiel“ 7) −, würden die „Einführungsgenerationen“ von einer<br />

verstärkten Kreditfinanzierung gegebener staatlicher Primärausgaben begünstigt, ohne dass nachfolgende<br />

Generationen jemals belastet würden. Die erhöhte Nettokreditaufnahme wäre effizient in<br />

dem Sinne, dass sich niemand verschlechtert, aber einige verbessern; eine Begrenzung der staatlichen<br />

Verschuldungsmöglichkeiten wäre in diesem Fall ökonomisch kontraproduktiv.<br />

54. Ein einfaches Gedankenexperiment illustriert, unter welchen Bedingungen ein solches<br />

Ponzi-Spiel möglich ist. Ausgehend von einem ausgeglichenen Haushalt nimmt der Staat zu Beginn<br />

einer Periode t = 0 einen Kredit mit unendlicher Laufzeit in Höhe von B 0 zu einem konstanten<br />

jährlichen Zinssatz von i auf. In jeder Periode fallen dann auf diesen Kredit Zinsausgaben in Höhe<br />

von iB 0 an, die am Periodenende ausgezahlt und über erneute Kreditaufnahme finanziert werden<br />

sollen. Der jeweils zu Beginn einer Periode t ermittelte Schuldenstand entwickelt sich dann gemäß<br />

der Formel B 0 (1 + i) t . Wenn Y 0 das nominale Bruttoinlandsprodukt der Periode 0 bezeichnet und<br />

m seine Wachstumsrate, erhält man für die Schuldenstandsquote in der Periode t den Ausdruck<br />

B<br />

Y<br />

t<br />

t<br />

=<br />

B<br />

Y<br />

0<br />

0<br />

⎛ 1+<br />

i ⎞<br />

⎜ ⎟ .<br />

⎝1+<br />

m ⎠<br />

t<br />

Wenn die Wachstumsrate des nominalen Bruttoinlandsprodukts den Nominalzins übersteigt<br />

(m > i), konvergiert die Schuldenstandsquote gegen Null, und eine dem Ponzi-Spiel folgende Kreditaufnahme<br />

ist möglich und sinnvoll. Im umgekehrten Fall m < i hingegen, explodiert die Schuldenstandsquote.<br />

Das Ponzi-Spiel funktioniert dann nicht dauerhaft, da potentielle Kreditgeber ab<br />

einem bestimmten Punkt eine weitere Kreditvergabe verweigern werden. Der Staat könnte dann<br />

seine Schulden nicht mehr bedienen, er wäre insolvent. Um eine staatliche Insolvenz zu vermeiden,<br />

muss im Fall m < i ausgeschlossen werden, dass die staatlichen Zinsausgaben dauerhaft über<br />

Kreditaufnahme finanziert werden. Zumindest ein Teil der Zinsausgaben ist über Steuern zu finanzieren.<br />

Dies impliziert, dass die öffentlichen Haushalte (im Durchschnitt) Primärüberschüsse aufweisen<br />

müssen.<br />

In einem verallgemeinerten Modellrahmen sind die Bedingungen für den Ausschluss eines Ponzi-<br />

Spiels komplizierter; aber darauf kommt es hier nicht an.<br />

Die bisher diskutierte Ponzi-Bedingung, welche von konstanten Zinssätzen und Wachstumsraten<br />

ausgeht, kann auch unter verallgemeinerten Bedingungen hergeleitet werden und ergibt sich aus<br />

einem allgemeinen Gleichgewichtsmodell (Bohn, 1995). Dabei wird, neben der Modellierung von<br />

zeitvariablen Zinssätzen und Wachstumsraten, insbesondere der Kapitalmarkt abgebildet. Das zentrale<br />

Ergebnis in solchen Modellen lautet zwar ebenfalls, dass die <strong>Staatsverschuldung</strong> in Periode t<br />

durch zukünftige Primärüberschüsse gedeckt sein muss. Allerdings wird nun Rückwirkungen, welche<br />

beispielsweise eine steigende <strong>Staatsverschuldung</strong> auf die Ökonomie hat, Rechnung getragen.<br />

Formal äußert sich dies darin, dass der Diskontfaktor für künftige Primärüberschüsse nicht wie implizit<br />

im einfachen obigen Modellrahmen konstant, sondern zeitvariabel ist. Insofern lässt sich die<br />

empirische Überprüfung der intertemporalen Budgetrestriktion (beziehungsweise die Berechnung<br />

der Tragfähigkeitslücke in den öffentlichen Finanzen) unter realistischen Annahmen nicht mit der<br />

Hypothese eines konstanten Diskontfaktors durchführen. Ein Verfahren, dass diesem Sachverhalt<br />

Rechnung trägt, ist beispielsweise der von Bohn (1998) entwickelte Nachhaltigkeitstest.<br />

7)<br />

Charles Ponzi hatte es in den 20er Jahren in den Vereinigten Staaten mit nach dem Schneeballsystem<br />

funktionierenden Geldgeschäften zu enormen Reichtum gebracht. Als das System platzte, kam Ponzi ins<br />

Gefängnis und starb schließlich verarmt in einem Obdachlosenasyl.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!