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Staatsverschuldung wirksam begrenzen - Sachverständigenrat zur ...

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Retrospektive Berechnungen der Schuldenschranke und technische Fragen 123<br />

SECHSTES KAPITEL<br />

Retrospektive Berechnungen der Schuldenschranke und technische Fragen<br />

195. Im ersten Teil dieses Kapitels wird die Schuldenschranke in der zuvor beschriebenen Ausgestaltung<br />

rückwirkend auf die Bundeshaushalte der Jahre 1995 bis 2005 und für die Jahre 2003<br />

bis 2005 auf die Länderhaushalte angewendet. Es wird also so getan, als ob die Schuldenschranke<br />

schon früher in Kraft gewesen wäre, aber gleichwohl zu dem in der Vergangenheit beobachteten<br />

Verschuldungsverhalten geführt hätte. Grundsätzlich ist dies ein sehr problematisches Vorgehen,<br />

da die Schuldenschranke ja auf Verhaltensänderungen abzielt und eine Begrenzung der staatlichen<br />

Verschuldung bewirken soll. Insofern sind solche retrospektiven Berechnungen mit großer Vorsicht<br />

zu interpretieren. Einige Ergebnisse der retrospektiven Berechnungen, etwa die Höhe der<br />

konjunkturbedingten Finanzierungssalden in der Haushaltsplanung und der Haushaltsrechnung sowie<br />

die Höhe der Schätzfehler, sind jedoch weitgehend unabhängig von den Reaktionen der Politik<br />

auf die Einführung der Schuldenschranke. Sie können ohne größere Vorbehalte <strong>zur</strong> Illustration<br />

einiger Effekte der Schuldenschranke herangezogen werden.<br />

Im zweiten Teil werden einige eher technische Fragen behandelt, die bei der Anwendung der<br />

Schuldenschranke auftreten. Dazu gehören etwa die Wahl eines Verfahrens <strong>zur</strong> Bestimmung des<br />

Konjunkturfaktors, die Ermittlung der Elastizität der Einnahmen in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt<br />

oder die Herleitung von ökonomischen Kriterien <strong>zur</strong> Bestimmung von ausgeprägten konjunkturellen<br />

Schwächephasen, die eine Erhöhung des Ausgabenplafonds und damit einhergehende<br />

Finanzierungsdefizite rechtfertigen, ohne dass diese auf dem Ausgleichskonto verbucht werden<br />

müssten (Ziffern 136 ff., 164).<br />

I. Retrospektive Berechnungen<br />

1. Rückrechnungen für die Schuldenschranke – Aussagekraft und Ansatz<br />

196. Zur Fußball-Saison 1995/96 wurde mit Einführung der „Drei-Punkte-Regel“ ein verändertes<br />

Bewertungsschema in Ligawettbewerben eingeführt. Damit sollte ein offensives Fußballspielen<br />

gefördert werden, da die „Belohnung“ für einen Sieg relativ <strong>zur</strong> „Belohnung“ für ein Unentschieden<br />

zunimmt. Durch rückwirkende Anwendung der Drei-Punkte-Regel auf vergangene Spielzeiten<br />

lässt sich rein rechnerisch feststellen, ob in der Bundesliga andere Vereine abgestiegen oder Meister<br />

geworden wären, als dies tatsächlich der Fall war (Hundsdoerfer, 2004). Solche retrospektiven<br />

Berechnungen sind illustrativ, aber nur bedingt aussagekräftig: Sie unterstellen nämlich implizit,<br />

dass die Drei-Punkte-Regel keinen Einfluss auf die Spielweise gehabt hätte. Unter dieser Annahme<br />

gäbe es aber überhaupt keinen Grund, die Drei-Punkte-Regel einzuführen.<br />

197. Für rückwirkende Berechnungen <strong>zur</strong> Schuldenschranke gelten ganz analoge Vorbehalte. Fiskalische<br />

Regeln <strong>zur</strong> Schuldenbegrenzung sollen das Verschuldungsverhalten der Politik auf Ebene<br />

von Bund und Ländern beeinflussen. Man muss also davon ausgehen, dass es zu einem veränderten<br />

Verschuldungsverhalten gekommen wäre, wenn die Regelungen <strong>zur</strong> Schuldenschranke schon<br />

früher in Kraft gewesen wären. Wenn fiskalische Regeln keine Verhaltensänderungen bewirken<br />

würden, wären sie von vornherein sinnlos. Insofern ist es durchaus problematisch, vergangene, in<br />

einem bestimmten institutionellen und gesetzlichen Umfeld getroffene Einnahme- und Ausgabenentscheidungen<br />

so zu interpretieren, als wenn sie auch bei Gültigkeit einer Schuldenschranke zu-

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