10 MANAGEMENT SPRACHE DER BANKEN – TITELINTERVIEW Klare Sprache, guter Ruf Medienexperte Frank Brettschneider hat die Sprache deutscher Finanzinstitute analysiert. Im Gespräch erklärt der Wissenschaftler, wie Banken verständlicher kommunizieren können, inwieweit die Sprache das Image von Kreditinstituten und ihrer Manager beeinflusst – und welche Chancen soziale Medien bieten. Neben dem Schreibtisch von Frank Brettschneider stapeln sich Zeitungen aus dem vorvergangenen Jahr. „Die muss ich noch auswerten“, sagt er etwas verlegen. Von seinem Bürofenster aus sieht der Wissenschaftler auf das Schlossgebäude, in dem mit der Universität Hohenheim die älteste Hochschule Stuttgarts residiert. Brettschneider hat dort den Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft inne. Wahlforschung, Themenmanagement und Medientheorie gehören zu seinen Themen. Ende vergangenen Jahres sorgte der Wissenschaftler mit einer Studie zur Verständlichkeit der Bankensprache für Aufsehen (SPARKASSE Ausgabe 10/2010). 400 Dokumente von 39 großen Finanzinstituten wertete sein Team aus, darunter Pressemitteilungen, Datenschutzerklärungen und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBs). Das Ergebnis: Die Sparkassen schnitten zwar generell gut ab, aber zahlreiche Dokumente waren unverständlich. Lange Sätze, Passivformulierungen sowie Fremdwörter und Anglizismen erschweren oftmals den Zugang zu den Texten – und dadurch eine effektive Kommunikation mit den Zielgruppen. Herr Brettschneider, welche Erkenntnis aus Ihrer Studie hat Sie am meisten überrascht? Prof. Frank Brettschneider: Erstaunlich ist, dass die Banken so wenig aus der Finanzkrise gelernt haben. Diese Krise ist auch eine Vertrauenskrise: Es müsste eigentlich oberste Priorität haben, den Menschen das Vertrauen in ihre Banken zurückzugeben. Die Verständlichkeit von Dokumenten spielt dabei eine wichtige Rolle und lässt sich einfach beeinflussen. Aber statt dort anzusetzen, macht man weiter wie zuvor. Vielleicht ist es den Instituten gar nicht bewusst, dass ihre Texte schwer verständlich sind? Gerade bei AGBs oder Datenschutzerklärungen wird wohl in erster Linie auf Rechtssicherheit geachtet. Brettschneider: Natürlich müssen die Formulierungen rechtssicher sein. Aber einigen gelingt es dennoch, diese Texte verständlich zu gestalten. Die Banken täten gut daran, sich an der besten Variante zu orientieren. Anderenfalls ist es nicht verwunderlich, wenn Kunden sich fragen, ob man sie absichtlich im Unklaren lässt oder etwas zu vertuschen hat. Ihre Studie untersucht verschiedene Parameter wie Anglizismen, Fremdwörter und Passivsätze. Die Banken schnitten in den Kategorien teilweise sehr unterschiedlich ab: So verwendet etwa die Mercedes Benz Bank in ihren Dokumenten sehr viele Anglizismen, jedoch nur wenige Fremdwörter. Brettschneider: Es gibt tatsächlich kein Geldinstitut, von dem man sagen kann: Die machen alles richtig oder alles falsch. Gerade bei den Anglizismen spielt verin Teamarbeit verfasst werden. Denn es kommt einerseits auf die fachliche Richtigkeit an, für die etwa bei den AGBs die Juristen zuständig sind. Aber der Text muss auch verständlich formuliert sein. Das können Menschen mit einer journalistischen Ausbildung meist besser. Um zusammenzuarbeiten, müssen sich die Fachleute in ihrer jeweiligen Expertise akzeptieren. Doch aus vielen Unternehmen weiß ich, dass es dabei Probleme gibt: Oft beharren die Experten auf ihren Formulierungen und können sich nur schwer darauf einstellen, mit Laien zu kommunizieren. Die Kommunikationsabteilung muss hier eine Art Dolmetscherfunktion übernehmen. „Oft beharren Experten auf ihren Formulierungen und können sich nur schwer darauf einstellen, mit Laien zu kommunizieren.“ Prof. Frank Brettschneider mutlich die Zielgruppe der jeweiligen Bank eine Rolle. Institute wie etwa die Sparkassen, die sich an ein sehr breites Publikum richten, verzichten eher auf Anglizismen. Das ist auch richtig so: Umfragen zeigen, dass Anglizismen bei 40 Prozent der Bevölkerung nicht gern gesehen werden, gerade von den älteren Zielgruppen oder bei niedrigem Bildungsniveau. Eine Bank dagegen, die sich vor allem an Geschäftskunden richtet, kann auch Anglizismen verwenden. Verschiedene Texte einzelner Finanzinstitute wurden ganz unterschiedlich bewertet. Liegt das auch daran, dass die Texte von jeweils anderen Abteilungen der Häuser erstellt werden? Und wenn ja – wer sollte die Dokumente Ihrer Meinung nach verfassen? Brettschneider: Tatsächlich variiert das je nach Institut – mal sind es PR-Leute, mal Journalisten oder Juristen. Wir haben nicht konkret abgefragt, wer welche Texte formuliert hat. Meiner Meinung nach sollten Dokumente grundsätzlich Die von ihnen untersuchten Pressemitteilungen werden von professionellen PR-Fachkräften verfasst. Sie schnitten auch am besten von allen Dokumenten ab. Dennoch gab es selbst hier bei einigen Instituten deutliche Schwächen. Wie lassen sich diese ausräumen? Brettschneider: Eine Möglichkeit wäre, sich externe Hilfe zu leisten und die Texte einer Verständlichkeitsprüfung zu unterziehen. Es gibt mittlerweile Software, die dazu in der Lage ist. In Deutschland ist vor allem die Wiener Sachtextformel recht verbreitet, die wir auch für unsere Untersuchungen verwenden. Sie gibt die Verständlichkeit in absolvierten Schuljahrgängen an und ist leicht zu interpretieren. In den USA sind diese Prüfungen bereits gang und gäbe. Dort gibt es Vorschriften für Ministerien, dass nur Texte veröffentlicht werden dürfen, die einen bestimmten Schwellenwert an Verständlichkeit erreichen. Könnten auch deutsche Finanzinstitute gesetzlich dazu verpflichtet werden, ihre Texte verständlich zu formulieren? S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1
FOTOS: MARTIN EGBERT (5), DPA