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KLARTEXT - Sparkassenzeitung

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PERSPEKTIVEN 39<br />

FOTOS: MARTIN JOPPEN<br />

Mülbert: In der Tat ist Verbraucherschutz<br />

bislang keine Aufgabe der Bankaufsicht.<br />

Die Bankaufsicht agiert nicht im<br />

Interesse der Kunden, sondern sie dient<br />

der Sicherheit der Einlagen, der Sicherheit<br />

der Institute und der Finanzmarktstabilität.<br />

Im Verbraucherschutzministerium<br />

ist allerdings schon seit Längerem<br />

die Tendenz vorhanden, der BaFin auch<br />

den Verbraucherschutz als Aufgabe zu<br />

übertragen.<br />

Das Verbraucherschutzministerium fühlt<br />

sich zuständig, doch die verdeckten Ermittler<br />

soll die BaFin entsenden. Sind Konflikte<br />

hier nicht unvermeidbar?<br />

Mülbert: Um das in einen etwas weiteren<br />

Kontext zu stellen: Der Ausdruck<br />

„verdeckte Ermittler“ hat der Diskussion<br />

hierzulande eine gewisse Schlagseite<br />

verpasst, zu der es mit dem in angelsächsischen<br />

Ländern üblichen Ausdruck<br />

„Mystery Shopping“ nicht gekommen<br />

wäre. Ob es sinnvoll ist, so etwas zu machen<br />

und gegebenenfalls die Tests sogar<br />

zu veröffentlichen, darüber lässt sich<br />

streiten. Es wurden ja schon in der Vergangenheit<br />

einzelne Tests durchgeführt,<br />

wobei einzelne Institute sehr schlecht<br />

weggekommen sind. Einige Institute geben<br />

allerdings zu bedenken, auch deswegen<br />

schlecht bewertet worden zu sein,<br />

weil sie aus Sicht der Tester zu konservativ<br />

beraten hätten.<br />

„Vermittler können weitgehend unreguliert<br />

agieren, die Anforderungen an die Berater in<br />

Banken werden dramatisch verschärft.“<br />

Prof. Peter Mülbert<br />

Wie könnten die Tests aussagefähiger werden?<br />

Mülbert: Das ist die große Frage. Ein Problem<br />

besteht etwa darin, dass ein Berater<br />

entweder Geldwäsche oder eine Testberatung<br />

vermuten wird, wenn ein ihm völlig<br />

unbekannter Kunde auftaucht und einen<br />

größeren Betrag anlegen will. Die nachvollziehbare<br />

Reaktion wird sein, dass er<br />

eher übervorsichtig berät. Ich habe meine<br />

Zweifel, dass die Tests so angelegt werden<br />

können, dass sie tatsächlich aussagefähige<br />

Ergebnisse vermitteln.<br />

Wer befasst sich mit der Ausgestaltung der<br />

Tests?<br />

Mülbert: Wer Tests in Auftrag gibt, kann<br />

auch über die Art der Ausgestaltung bestimmen.<br />

Die BaFin wird wahrscheinlich<br />

keine eigenen Leute schicken, sondern<br />

kommerzielle Dienstleister in Anspruch<br />

nehmen.<br />

Das Gesetz unterscheidet zwischen stark<br />

regulierten Anlageberatern und sogenannten<br />

Anlagevermittlern, die kaum reguliert<br />

werden. Ist das nicht unsinnig?<br />

Mülbert: Es ist wenig sinnvoll, hier so<br />

stark zu differenzieren. Bei Banken gibt<br />

es fast nur Anlageberatung, auch deswegen,<br />

weil der Bundesgerichtshof festgeschrieben<br />

hat, dass immer dann, wenn<br />

ein Kunde zur Bank kommt und mit ihr<br />

mögliche Investitionen am Anlage- und<br />

Kapitalmarkt bespricht, ein stillschweigender<br />

Beratungsvertrag zustande<br />

kommt. Außerhalb von Banken positionieren<br />

sich dagegen Anlagevermittler,<br />

obwohl selbst Mitglieder des Bundesgerichtshofes<br />

der Auffassung sind, dass<br />

hier bei genauem Zusehen vielfach ebenfalls<br />

Beratung stattfindet.<br />

Dennoch werden beide Gruppen sehr ungleich<br />

behandelt, Berater werden von der<br />

BaFin geprüft, Vermittler von der Gewerbeaufsicht.<br />

Warum?<br />

Mülbert: Eine Vermutung geht dahin,<br />

dass sich die BaFin mit dem Bereich des<br />

grauen Markts schlicht nicht belasten<br />

wollte. De facto können Vermittler weitgehend<br />

unreguliert agieren. Die Anforderungen<br />

an die Berater in Banken werden<br />

dramatisch verschärft, vor allem der Kontrolldruck<br />

wird deutlich ausgeweitet. Und<br />

es steht zu erwarten, dass die BaFin diese<br />

neue Aufgabe mit einigem Engagement<br />

wahrnehmen wird, voraussichtlich in<br />

markantem Gegensatz zum Verhalten der<br />

Gewerbeaufsicht, was kein Vorwurf sein<br />

soll. Schon aus Gründen der Sachkunde<br />

und Kapazität werden die Gewerbeaufsichtsämter<br />

damit überfordert sein, diesen<br />

Markt sachgerecht zu überwachen.<br />

Während der Krise gab es auch Tendenzen,<br />

die Honorarberatung auf Kosten der Provisionsberatung<br />

zu favorisieren.<br />

Mülbert: Honorarberatung wird in<br />

Deutsch land von der breiten Masse der<br />

Bevölkerung nicht nachgefragt, das zeigt<br />

der relative Misserfolg der Wettbewerber,<br />

die auf dieses Geschäftsmodell setzen. In<br />

„Geiz-ist-geil“-Zeiten ist es wohl auch illusorisch,<br />

das anzunehmen. Die Politik hätte<br />

die Marktstrukturen komplett umgestalten<br />

müssen, und das wäre letztlich nur durch<br />

massive ordnungsrechtliche Eingriffe in<br />

die etablierten Marktstrukturen, etwa durch<br />

Provisionsverbote, möglich gewesen. Von<br />

alleine funktioniert das aber nicht. <br />

<br />

Das Interview führte Christoph Becker.<br />

S P A R K A S S E F E B R U A R 2 0 1 1

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