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2. Computer und Bildungswesen - wo stehen wir ... - stefan m. gergely

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ein gesteigertes Selbstbewußtsein freisetzte, erzeugte sie eine ähnliche<br />

Haltung bei den Lesern. Denn vor der Erfindung des Buchdrucks<br />

spielte sich alle menschliche Kommunikation in einem festen<br />

sozialen Kontext ab. Auch da, <strong>wo</strong> gelesen wurde, folgte man<br />

dem Modell der Mündlichkeit, das heißt, ein Leser sprach die<br />

Worte laut aus, <strong>und</strong> andere hörten ihm zu. Mit dem gedruckten<br />

Buch jedoch erschien der isolierte Leser mit seinem privatem Blick.<br />

Die Mündlichkeit verstummte, der Leser <strong>und</strong> seine Reaktion auf<br />

das Gelesene sonderten sich aus dem sozialen Kontext ab. »Der<br />

Leser zog sich in seinen eigenen Kopf zurück, <strong>und</strong> vom 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

bis heute haben die Leser in der Regel von den Menschen<br />

in ihrer Umgebung vor allem Abwesenheit verlangt oder wenigstens<br />

Stille. Beim Lesen verschwören sich Autor <strong>und</strong> Leser gegen<br />

Dasein <strong>und</strong> Bewußtsein der Gemeinschaft. Kurzum, Lesen ist ein<br />

antisozialer Akt« (Lit. 8).<br />

Noch wesentlich weiter reichen die Aus<strong>wir</strong>kungen der modernen<br />

Informationstechnik <strong>und</strong> der elektronischen Massenmedien:<br />

Fernsehen <strong>und</strong> Neue Medien formen unsere Kultur nachhaltig,<br />

sie prägen Denken, Fühlen <strong>und</strong> soziales Handeln der Menschen;<br />

durch <strong>Computer</strong> werden reduzierte menschliche Denkstrukturen<br />

in Form der Software-Programme millionenfach vervielfältigt<br />

<strong>und</strong> gewinnen dadurch überproportionales Gewicht; je<br />

mehr sich der Mensch mit informationstechnischen Medien auseinandersetzt,<br />

um so stärker bemächtigt sich eine Welt der Schatten<br />

seines Bewußtseins; abstrakte Sinnlichkeit vedrängt zwischenmenschliche<br />

Gefühle; <strong>und</strong> eine- Macht <strong>und</strong> Ohnmacht absorbierende<br />

- Gegenwelt konkurriert mit sozialen Handlungsimpulsen<br />

für die leb- <strong>und</strong> erlebbare Wirklichkeit (siehe Seite 169 ff.).<br />

Die Einführung der Schrift, des Buchdrucks <strong>und</strong> der Informationstechnik<br />

führen, so gesehen, in ein- <strong>und</strong> dieselbe Richtung:<br />

von der konkreten Lebens<strong>wir</strong>klichkeit zum abstrakten Abbild, vom<br />

im konkreten, überschaubaren sozialen Kontext Tradierten zur<br />

zeit- <strong>und</strong> raumunabhängigen Datenverarbeitung, von dem auf sich<br />

selbst gestellten Menschen zum »Prothesengott« (siehe Seite 232).<br />

Wenn auch die Entwicklungsrichtung je dieselbe sein mag, muß<br />

dennoch in zahlreichen Aspekten differenziert werden. Kehren <strong>wir</strong><br />

deshalb noch einmal zum Phänomen des Buchdrucks zurück. Dieser<br />

lieferte nicht nur neue Inhalte, über die nachgedacht <strong>wir</strong>d, son-<br />

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