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2. Computer und Bildungswesen - wo stehen wir ... - stefan m. gergely

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an sich haben. Wir ver<strong>stehen</strong> kaum mehr, mangels jeder Anschauung,<br />

was damit gemeint sein könnte.« Bedenken <strong>wir</strong>: Erst sechs<br />

Generationen sind seit dem Aufruf Herbarts vergangen.<br />

Auch der Begründer des humanistischen Gymnasiums, Wilhelm<br />

von Humboldt, war entschieden der Ansicht, öffentliche Erziehung<br />

liege »ganz außerhalb der Schranken, in welchen der Staat<br />

seine Wirksamkeit halten muß« (Lit. 14). »Erziehung zur Freiheit<br />

<strong>und</strong> Freiheit des Erziehers bedingen sich gegenseitig«, schreibt der<br />

Schweizer Pädagoge Wolfgang von Wartburg; die Staatsschule sei<br />

eine historische Erscheinung <strong>und</strong> keineswegs ein Absolutum - »sie<br />

ist ein Notbehelf, zu dem <strong>wir</strong> deshalb greifen mußten, weil im<br />

Zuge der modernen kulturellen Entwicklung das Volk sich nicht<br />

zu der Energie aufzuschwingen vermochte, die nötig gewesen<br />

wäre, um das Erziehungswesen auf einer freien Basis unabhängig<br />

vom Staat aufzubauen« (Lit. 15).<br />

Trotz dieser Einwände konnte der Staat nach <strong>und</strong> nach seinen<br />

Einfluß auf das <strong>Bildungswesen</strong> ausbauen. Damit wurde das Lernen<br />

zunehmend so organisiert, daß sich die Lehreinrichtung räumlich,<br />

zeitlich <strong>und</strong> inhaltlich von der Lebenspraxis isolierte; daß die Lehrinhalte<br />

voneinander in Fächern isoliert <strong>und</strong> sorgfältig parzelliert<br />

wurden; daß homogenisierte Lernanforderungen <strong>und</strong> Beurteilungskriterien<br />

entstanden; daß die Exekutoren dieser Belehrungs<strong>und</strong><br />

Beurteilungsprozeduren, die Schulmänner, auf der Seite des<br />

Staates <strong>stehen</strong>, von ihm eingesetzt, geprüft, kontrolliert, als austauschbare<br />

Inhaber einer Position — damit »ist es ganz selbstverständlich<br />

mit der hochsensiblen <strong>und</strong> Konventionen brechenden<br />

Lehrkunst vorbei; sie kann nicht gedeihen« (Lit. 16).<br />

Die bürokratische Organisationsstruktur der Staatsschule begünstigt,<br />

ja erzwingt eine Modellierung von Schülern, Lehrern,<br />

Lehrinhalten <strong>und</strong> Lernprozessen, eine Modellierung, die so<strong>wo</strong>hl<br />

die gesellschaftlichen Selektionsanforderungen an das Schulwesen<br />

wie auch die zivilisatorischen Forderungen nach Selbstbeherrschung<br />

<strong>und</strong> Entsubjektivierung durchzusetzen erlaubt. Die Rationalisierung,<br />

die sich in der Formalisierung des Schullernens schon<br />

längst gemeldet hat, drängt gegenwärtig in Gestalt neuer Informationstechnologien<br />

nur scheinbar auf ein fremdes Gelände vor.<br />

So gesehen ist die oft proklamierte »neue Bildungskrise« alles<br />

andere als neu. Das Herankommen der modernen Informations-<br />

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