FLUGZEUG CLASSIC Hydrierwerke im alliierten Fadenkreuz (Vorschau)
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Bf 109 G-6 der I./JG 300. Das Geschwader<br />
war am 20. Juni 1944 an der<br />
Verteidung der <strong>Hydrierwerke</strong> von Pölitz<br />
beteiligt Zeichnung H. Ringlstetter/Aviaticus<br />
Im August 1944 erhielten die viermotorigen He-177-<br />
Kampfverbände wegen Spritmangels Startverbot<br />
chen auch hier schwerste Schäden. Diesmal<br />
aber treffen sie auf verbissen kämpfende deutsche<br />
Jäger. 49 US-Flugzeuge gehen verloren,<br />
die Verteidiger büßen 28 Maschinen ein.<br />
Flak oder Jäger?<br />
Kehrl und Speer nehmen am 23. Mai 1944 an<br />
einer großen Besprechung auf dem Obersalzberg<br />
teil und berichten Hitler über das<br />
Ausmaß der Schäden. Während Göring die<br />
Werke schnellstmöglich zu Flakfestungen<br />
aus- bauen will, stellt Kehrl fest, dass das<br />
aussichtslos ist. Denn die Flak benötigt über<br />
2000 Schuss, um einen Bomber vom H<strong>im</strong>mel<br />
zu holen. Bei Verbänden von über 500 Maschinen<br />
muss sie daher zu einer sehr stumpfen<br />
Waffe werden. Die einzige Möglichkeit, so<br />
Kehrl, bestünde darin, einen ausreichenden<br />
Jagdschutz rund um die <strong>Hydrierwerke</strong> aufzubauen.<br />
Doch das geht freilich nicht von<br />
heute auf morgen.<br />
Während man auf dem Obersalzberg diskutiert,<br />
rollt die alliierte Walze weiter. Die wichtigste<br />
»Tankstelle« ist Pölitz bei Stettin. Allein<br />
hier entstehen monatlich 65 000 Tonnen des<br />
kostbaren Flugbenzins. Noch am 29. Mai fliegt<br />
die US-Luftwaffe einen schweren Angriff gegen<br />
das Werk. Zwar misslingt diesmal das Zusammenspiel<br />
mit den Begleitjägern, sodass die Jäger<br />
<strong>im</strong>merhin 17 B-24 abschießen können.<br />
Doch bei einer Gesamtzahl von 443 Maschinen<br />
fällt dies kaum ins Gewicht, sodass insgesamt<br />
547 Tonnen Bomben auf Pölitz niedergehen<br />
und schwerste Verwüstungen hinterlassen.<br />
Höchste Priorität<br />
Erst die alliierte Invasion vom 6. Juni 1944<br />
verschafft den <strong>Hydrierwerke</strong>n eine kleine<br />
Atempause, da die USAAF mitsamt ihren<br />
schweren Bombern an der Normandiefront<br />
Einsätze fliegen muss. Doch längst haben die<br />
Amerikaner erkannt, wie verheerend sich ihre<br />
Angriffe auf die Treibstoffindustrie auswirken,<br />
und noch am 8. Juni befiehlt General<br />
Spaatz, die deutschen Raffinerien mit höchster<br />
Priorität anzugreifen.<br />
Wird Deutschland unabhängig von Öl<strong>im</strong>porten?<br />
Im Jahre 1913 gelingt es Friedrich Bergius<br />
erstmals, nahezu rückstandslos Kohle in<br />
Benzin umzuwandeln. Bei der Hydrierung<br />
von Kohle wird aus fein gemahlener Kohle,<br />
Schweröl und einem Katalysator unter hohem<br />
Druck Benzin, Leichtöl und Flüssiggas<br />
gewonnen. Doch das Verfahren ist aufwendig.<br />
Erst 1925 wird es durch Verbesserungen<br />
wirtschaftlich interessant. Die erste Anlage,<br />
die auf diese Weise Benzin produziert,<br />
sind die Leuna-Werke bei Merseburg. Andere<br />
Raffinerien arbeiten nach dem einfacheren<br />
Fischer-Tropsch-Verfahren. Ab 1933 wird<br />
der Bau von Hydrieranlagen forciert. Das<br />
Deutsche Reich will unabhängig vom Ausland<br />
werden. Allein 1935 beträgt die Eigenproduktion<br />
bereits 900 000 Tonnen. Doch<br />
das reicht bei Weitem nicht aus. Rund die<br />
Hälfte des Verbrauchs muss weiterhin aus<br />
Öl<strong>im</strong>porten gedeckt werden.<br />
■<br />
Das waren die neuen amerikanischen Angriffsziele <strong>im</strong> Deutschen Reich: Hydrieranlagen,<br />
Raffinerien, Ölfelder<br />
<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 10/2014<br />
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