Entwicklungen nach Fukushima - ESB-Radler
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Im Energiekonzept von Herbst 2010 waren die deutschen Kernkraftwerke seitens der Bundes-<br />
regierung noch als unerlässliche Brücke in das Zeitalter der regenerativen Energieerzeugung<br />
bezeichnet worden. Infolge eines verheerenden Tsunamis an Japans Ostküste im März 2011<br />
folgte jedoch nur sechs Monate später die eilige Kehrtwende in der deutschen Energiepolitik.<br />
Kernkraft in Deutschland – eine Kehrtwende<br />
Von Thorsten Nickola (MBA Bundeswehr 2008)<br />
In Japan verloren Zehntausende Menschen Obdach,<br />
Besitz und schlimmstenfalls ihr Leben durch die Naturkatastrophe.<br />
Die Deutschen hingegen verloren während<br />
der <strong>nach</strong>folgenden Havarie des Kernkraftwerks <strong>Fukushima</strong><br />
Daiichi ihr Vertrauen in die Kerntechnik. Unter dem<br />
Eindruck einer intensiv dramatischen und emotionalen<br />
Berichterstattung deckten sich nicht wenige mit Jodtabletten,<br />
Schutzmasken und Geigerzählern ein.<br />
Eine große Skepsis gegenüber der Kernenergie war in<br />
Teilen der Bevölkerung aber bereits vor den Ereignissen<br />
des Jahres 2011 verankert. Obwohl die deutschen Kernkraftwerke<br />
über Jahrzehnte hinweg mehr als 30 % des<br />
Energiebedarfs zu günstigen Gestehungskosten deckten<br />
und wegen ihrer Sicherheit und Zuverlässigkeit international<br />
große Anerkennung fanden, so gab es hierzulande<br />
eine weitreichende Verunsicherung hinsichtlich der<br />
realistischen Einschätzung der mit der Kernenergie verbundenen<br />
Gefahren. Die Verschleppung der Endlagerfrage<br />
trug dabei nicht zur Vertrauensbildung bei. Im<br />
Gegenteil: Auch <strong>nach</strong> einer langen und sicheren Betriebsbewährung<br />
konnte keine ausreichende Akzeptanz für<br />
die heimische Kerntechnik erreicht werden. Vielmehr<br />
reduzierte man die einstige Hochtechnologie zur Projektionsfläche<br />
alternativer Weltanschauungen und zum Spielball<br />
politischer Ambitionen.<br />
Trotz schwieriger Rahmenbedingungen hielten die deutschen<br />
Energieversorger an der Kernenergie fest, da die<br />
hochqualifizierten Mitarbeiter unter strenger behördlicher<br />
Aufsicht und auf Grundlage des restriktiven deutschen<br />
Atomgesetzes für ein Höchstmaß an Sicherheit bürgen.<br />
Vor dem Hintergrund der Ölkrisen der späten 1970er<br />
Jahre spielten beim raschen Ausbau der Kernenergie<br />
insbesondere Aspekte der Wirtschaftlichkeit und der<br />
12 Schwerpunkt Erneuerbare Energien – <strong>Entwicklungen</strong> <strong>nach</strong> <strong>Fukushima</strong><br />
Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern, eine entscheidende<br />
Rolle.<br />
Rund 30 Jahre später ist das mittelfristige Ende der<br />
Kernenergie in Deutschland besiegelt. Nach einem<br />
dreimonatigen Moratorium werden im Sommer 2011<br />
zunächst acht Kernkraftwerke mit einer Erzeugungsleistung<br />
von mehr als 8.800 Megawatt dauerhaft abgeschaltet.<br />
Die verbleibenden neun Kernkraftwerke erhalten<br />
klare Laufzeitbegrenzungen.<br />
Nach derzeitigem Stand geht im Jahr 2022 Neckarwestheim<br />
II als letztes der deutschen Kernkraftwerke<br />
vom Netz. Bis dahin gilt es, sukzessive jährlich über 140<br />
Milliarden Kilowattstunden an elektrischer Energie aus<br />
konventionellen oder regenerativen Quellen zu erzeugen,<br />
zu importieren oder bestenfalls einzusparen.<br />
International hat <strong>Fukushima</strong> ein intensives Nachdenken<br />
über die notwendigen Maßnahmen zur weiteren Erhöhung<br />
der Sicherheit kerntechnischer Anlagen ausgelöst.<br />
Eine mit der deutschen Energiewende vergleichbare<br />
energiepolitische Umkehr blieb jedoch aus, die Kernenergie<br />
ist in vielen Ländern weiterhin essenzieller<br />
Bestandteil langfristiger Erzeugungsstrategien. Beispielsweise<br />
möchte Großbritannien in den kommenden Jahren<br />
sukzessive seinen Bestand an Kernkraftwerken erneuern.<br />
China, Frankreich und Finnland bauen zurzeit an einer<br />
fortgeschrittenen Generation weiterentwickelter Kernkraftwerke<br />
und auch Polen plant den raschen Einstieg<br />
in die Kernenergie. Die international tätigen Hersteller<br />
dieser neuen Technologiegeneration werben dabei regelmäßig<br />
mit sicherheitstechnischen Spezifikationen, welche<br />
in deutschen Anlagen bereits seit Jahrzehnten erfolgreich<br />
eingesetzt werden.