Entwicklungen nach Fukushima - ESB-Radler
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Vom Elfenbeinturm ins Klassenzimmer:<br />
Zwei Jahre bei Teach First Deutschland<br />
Von Dominik Dresel (IPBS 2010)<br />
Inspiriert durch das von Präsident John F. Kennedy<br />
gegründete Peace Corps, bei dem sich seit 1961 amerikanische<br />
Graduates für zwei Jahre im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit<br />
engagieren, entwickelte die<br />
22-jährige Princeton-Studentin Wendy Kopp 1989 die<br />
Idee, Absolventen renommierter Universitäten für einen<br />
zweijährigen Lehrauftrag an Schulen in sozialen Brennpunkten<br />
zu gewinnen. Teach For America, die aus dieser<br />
Idee entstandene Initiative, zählt heute zu den einflussreichsten<br />
NGOs im öffentlichen Bildungswesen der Vereinigten<br />
Staaten und ist zu einem äußerst attraktiven und<br />
selektiven Arbeitgeber geworden – 2011 bewarben sich<br />
beispielsweise rund 18 % der Harvard-Absolventen für<br />
das Programm. Die Organisation hat ein starkes Netzwerk<br />
von rund 25.000 Alumni hervorgebracht, die sich in<br />
Führungspositionen u. a. in Politik und Wirtschaft für<br />
mehr Gerechtigkeit im US-Bildungswesen einsetzen –<br />
eine beispiellose Lobby für unterprivilegierte Kinder,<br />
denen es die Schwächen des Systems unmöglich machen,<br />
ihre Potenziale zu entfalten.<br />
Seit die Befunde des Programme for International Student<br />
Assessment (PISA) im vergangenen Jahrzehnt gezeigt<br />
haben, dass das deutsche Bildungswesen nicht lediglich<br />
nur durchschnittlich leistungsstark ist, sondern dass darüber<br />
hinaus die soziale Herkunft den Bildungserfolg eines<br />
Kindes so stark bestimmt wie in kaum einem anderen<br />
Mitgliedsstaat der OECD, ist das Thema Bildungsgerechtigkeit<br />
auch hierzulande im Mainstream angekommen.<br />
Dass es sich die Bundesrepublik nicht länger erlauben<br />
kann, ganze Gesellschaftsschichten von Bildungserfolg<br />
und damit langfristig von einem produktiven Beitrag<br />
zur Volkswirtschaft und Gesellschaft auszuschließen, ist<br />
inzwischen den meisten klar. Aber um Strategien zu<br />
entwickeln, wie wir aus der Blackbox Schule ein gerechtes,<br />
leistungsstarkes und differenzierendes System<br />
machen können, dafür sind viele Entscheidungsträger<br />
(offensichtlich) zu weit von den Realitäten entfernt.<br />
Nachdem die äußerst erfolgreiche britische Initiative<br />
Teach First, die analog zu, aber unabhängig von Teach<br />
For America hochqualifizierte Absolventen an Brennpunktschulen<br />
schickt, bereits seit 2002 den Proof of<br />
Principle auch für Europa erbringt und zudem seit<br />
2007 die globale Dachorganisation Teach For All Unterstützung<br />
für die weltweite Adaption der Idee bereitstellt,<br />
existiert nun seit 2008 auch eine äquivalente<br />
deutsche Bildungsinitiative: Teach First Deutschland,<br />
gegründet von zwei Absolventen der Berliner Hertie<br />
School of Governance und heute unter anderem durch<br />
zwei ehemalige McKinsey-Berater geführt.<br />
In den letzten vier Jahren ist die Teach First Deutschland<br />
GmbH von einem studentischen Start-up zu einem professionellen<br />
und profilierten Social Enterprise geworden,<br />
das unter anderem durch Geldgeber wie die Robert-Bosch-<br />
Stiftung, die Hertie-Stiftung, die Zeit-Stiftung und die<br />
Vodafone-Stiftung finanziert wird. In insgesamt fünf<br />
Bundesländern (Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg,<br />
Nordrhein-Westfalen und Thüringen) haben bislang in<br />
drei Jahrgängen rund 200 Absolventen (sogenannte<br />
Fellows) die Herausforderung angenommen, vom akademischen<br />
Elfenbeinturm direkt in einen sozialen Brennpunkt<br />
zu wechseln – ich bin einer von ihnen.<br />
Gemäß dem Slogan „Einsatz für andere – Chancen für<br />
Dich“ möchte Teach First Deutschland sowohl einen<br />
gesellschaftlichen Mehrwert als auch einen individuellen<br />
Mehrwert für die Fellows schaffen. Die Arbeit an<br />
den Schulen wird begleitet durch regelmäßige Trainings,<br />
z. B. zu Themen wie Classroom Management oder Führung.<br />
Daneben bieten enge Partnerschaften etwa mit<br />
Deutsche Post DHL, Lanxess, Haniel, Siemens, McKinsey<br />
und Lufthansa den Fellows spannende Perspektiven<br />
<strong>nach</strong> der zweijährigen Einsatzzeit.<br />
Wer sich für das zweijährige Fellowship entscheidet,<br />
braucht, unabhängig von allen Benefits, vor allem zwei<br />
Dinge: Energie und Idealismus. Denn der Alltag an der<br />
Hauptschule ist oft rau und hält einiges an Herausforderungen<br />
bereit; neben einem zumeist erschreckend niedrigen<br />
Leistungsniveau, welches von den Schülerinnen<br />
und Schülern oft nur mit Resignation und Motivationslosigkeit<br />
quittiert wird, sind es vor allem soziale Realitäten,<br />
die eine nicht zu unterschätzende Belastung dar-<br />
Alumni Erfahrungen 41