4/2009 - Coburger Convent

sind da 40 Jahre, die zwischen dem
Lernen damals und heute liegen?
Was die 160 Jahre zwischen Gründung
der Neoborussia und ihrer
heuer anstehenden Geburtstagsfête?
Den fragenden Bogen spannte die
Festgabe der »Neupreußen-Stiftungsfeste
1849–2009«, die Korporationshistorie
einmal ganz anders erzählte:
als Bildergeschichte, im Spiegel von
litho- oder fotografierten Stiftungsfestbildern.
Auf einmal fällt das
Alter schwer ins Gewicht. Freilich,
die Bilder zeigen eigentlich immer
die gleiche Szene: eine mehr oder
weniger große Zahl von Bundesbrüdern,
die sich zur Gründungsfeier
ihrer Neoborussia zusammenfanden
und nach dem Motto »Schaut
her – wir sind’s« konterfeien ließen,
identitätsstiftend und traditionsbildend
zugleich. Aber natürlich liegen
Welten zwischen den Szenarien und
ihren Hintergründen, einst in Halle
an der Saale und jetzt in Freiburg
im Breisgau. Unverändert von Anfang
an sind nur jene vier Farben
»Rosa-Schwarz-Weiß-Schwarz im
Zeichen« geblieben, die eine kleine
renitent-resistente Gemeinschaft seit
so vielen Jahren auf dem Hochschulboden
verbinden. Die Stiftungsfeste
erscheinen wie Knotenpunkte
in dieser langen Entwicklungslinie,
die durch die frühe Zeit als Hallenser
Verbindung (seit 1849), das Bekenntnis
zur Landsmannschaft (1872), den
Übertritt zum SC (1897), die Rekonstitution
als DL-Korporation (1908)
und den Daseinskampf in Krisenzeiten
(bis 1936), dann durch die relativ
späte Freiburger Wiederaufmachung
(1963) und im Lauf der folgenden
schönen, kühnen und zeitweise auch
bitteren Jahre schier wie das Auf und
Ab einer Aktienkurve erscheint. Ihr
Wert wird vom Lebensbundprinzip
konnotiert, das zunächst einen Bund
unter Lebenden meint, die einander
seit Studentenzeiten kennen und
sich seitdem auf der Basis gemeinsamer
Überzeugungen durchs Dasein
begleiten. Doch unser Band umschließt
weit mehr – nämlich alle,
die sich seit 1849 zu den eigenwilligen
vier Farben und den vom Preußenethos
geprägten Wahlspruch
Suum cuique neu numerentur hostes
bekannten. So lautete die Botschaft
jener Stiftungsfestbilder, auf denen
(fast) jeder Neupreuße namentlich
identifiziert werden konnte: Je besser
wir unsere Vorgänger kennen,
desto deutlicher läßt sich die tiefere
Dimension der Landsmannschaft
erkennen, die eben ein Bund der Lebenden
und der Toten ist.
Deswegen ziemte es sich, gerade
im Rahmen des Festkommerses insbesondere
der seit 1999 Verstorbenen
zu gedenken und sie so in die Freude
der studentischen Feier einzubeziehen.
Das gab der traditionellen Veranstaltung
diesmal einen besonderen
Akzent. Etwa 120 Personen, ca. 60
Neupreußen und ebensoviele Gäste,
hatten sich dazu im großen Saal des
Kolpinghauses versammelt, in den
– vergleichsweise pünktlich – die Herren
Chargierten einmarschierten. Die
Ehre der Tête war gerne der jüngsten
Freiburger OCC-Korporation zugesprochen
worden, die diese Aufgabe
in strahlendem Grün trefflich erfüllte.
Dann folgten die Turnerschafter,
dann die Bünde des Silbernen Kartells
in der umgekehrten Reihenfolge ihres
Beitritts zu dieser ehrwürdigen Institution,
und schließlich die Neupreußenchargierten.
An deren Seite im
Präsidium, heraldisch rechts, kam e/
lbf L. Verdensia zu sitzen, der damit
die Reverenz ob ihrer derzeitigen Eigenschaft
als Präsidierender des CC
erwiesen wurde. Das sind so Feinheiten
eines Kommersprotokolls, die
von der Corona meist nicht vermerkt
werden. Um so mehr fiel manchem
auf, daß die Vertreterinnen der Freiburger
Damenverbindung ihre Plätze
inmitten der Korporierten erhielten;
wo denn sonst. Auch die neupreußischen
Couleurdamen waren diesmal
zum Kommers geladen, nicht als Zuschauerinnen,
sondern als Teilnehmerinnen
an eigenem Zapfen; was
denn sonst. Es möge erlaubt sein,
von den vielfarbenen Gästen besonders
den CC-Sprecher Kbr. Fender,
Verdensia, und den AHCC-Beisitzer
Vbr. Dr.-Ing. Weiß, Borussia, zu erwähnen.
Weil der CC-Rat-Vorsitzer
derzeit Bundesbruder ist, durfte sich
Neoborussia also wieder einmal der
Präsenz dreier hoher Verbandsspitzen
erfreuen. Man lauschte aufmerksam
der prägnanten Festrede, die von
der Freiheit des Burschen in heutiger
Zeit handelte; man applaudierte
donnernd den gerade von Fender und
Weiß sehr persönlich formulierten
Grußworten; man sang begeistert die
Preislieder auf die alten Musenstädte
Halle, Freiburg und Danzig. Ein
Wagnis war’s, im Anschluß an die
Erstchargiertenworte nach dem Willen
der Aktivitas ein von ihr ausgegrabenes
Farbenlied der Neoborussia
aus den 1870 er Jahren anzustimmen,
dessen reichlich gefühlvoller Wortlaut
durchaus gewöhnungsbedürftig
war. Doch siehe da, markant und
kräftig von den vielen gut geölten
Kehlen gesungen, erwachte der alte
Heuler nachgerade zu neuem Leben
– und einmal mehr war bei diesem
würdigen Kommers im gemeinsamen
Bekenntnis zu Rosa-Schwarz-Weiß-
Schwarz ein korporativer Akzent sui
generis gesetzt, die vordergründige
Zeitspanne zwischen Einst und Jetzt
wie weggewischt.
Der kundige CC-Blatt-Leser hat
es längst gemerkt: Neoborussia hat
ihr 160. als kleines Stiftungsfest gefeiert.
Dessen wichtigste Veranstaltung?
Der Generalconvent, auf dem
etwa vier Stunden lang die derzeit
prekäre Lage der Landsmannschaft
erörtert wurde – kritisch, sachlich,
ohne persönliche Verletzungen, akzentsetzend
und vorwärtsweisend.
Das war der Höhepunkt dieser Novembertage,
die sich damit würdig
in den Kranz der neupreußischen
Gründungsfeiern reihten, jener Feste
fast immer im gleichen Rahmen,
jedesmal ganz besonders schön:
studentischer Ausnahmezustand,
gelebter Lebensbund, vielseitige Aufladestation
›korporativer Batterien‹.
Sie bilden einen Teil unserer Erinnerungskultur,
die uns zuversichtlich
in die Zukunft schauen läßt.
Jürgen Kloosterhuis
Neoborussia, Cimbria Wien,
Preußen Danzig
Festgabe zum 160. Stiftungsfest:
Neupreußen-Stiftungsfeste, eine
Bildergeschichte. Mehr dazu in
den CC-Blättern 1/2010.
CC vor Ort
CC-Blätter 4/2009
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