Context Nr. 5 / Mai 2013 - Zeitmanagement (PDF ... - KV Schweiz
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16<br />
Monatsinterview<br />
mutungen und es kommt zum Beispiel<br />
darauf an, dass zu Beginn eines Changeprozesses<br />
auch die systemerhaltenden<br />
Kräfte wahrgenommen und diese Personen<br />
ebenfalls mitgenommen werden und<br />
nach Umstrukturierungen Phasen der<br />
Konsolidierung folgen. Wenn der Veränderung<br />
gleich die schon wieder alles verändernde<br />
Veränderung folgt, ist es völlig<br />
klar, dass die Leute bald veränderungsresistent<br />
sind.<br />
Gibt es positive Beispiele im Umgang<br />
mit Veränderungen?<br />
In vielen KMU gelingt dieser Prozess<br />
besser, weil eine grössere Nähe zwischen<br />
Management, Führungskräften und Mitarbeitenden<br />
gegeben ist. In Konzernen<br />
läuft es hingegen oft so, dass der Changeprozess<br />
weit oben beschlossen wird und<br />
dann in allen Standorten möglichst gehorsam<br />
umgesetzt werden soll. Da ist wenig<br />
bis gar keine Partizipation möglich,<br />
da werden systemerhaltende Gedanken<br />
oder Bedenken ignoriert.<br />
Die Anzahl psychischer Erkrankungen<br />
in westlichen Ländern nimmt zu.<br />
Macht die Arbeitswelt häufiger krank?<br />
Arbeit kann krank machen, Arbeitslosigkeit<br />
ebenfalls. Wir fragen uns heute<br />
aber eher, was gesunde Arbeitnehmende<br />
gesund erhält. Wenn sie mehr Entscheidungs-<br />
und Handlungsspielraum haben,<br />
wirkt sich dies positiv aus. Wer sich über<br />
seine Tätigkeit im engeren Sinn hinaus<br />
engagieren kann, erfreut sich einer besseren<br />
Gesundheit. Eine ganzheitliche, abwechslungsreiche<br />
Tätigkeit ist ohne Zweifel<br />
besser als stark zerstückelte Prozesse<br />
– wenn also immer die gleiche Person die<br />
Regale im Laden einräumt.<br />
Ein anderes Thema ist die Verdichtung<br />
und der Zeitdruck. In vielen Betrieben<br />
gehören Hektik und viele Überstunden<br />
zum Alltag. Was ist dagegen zu tun?<br />
Der Rationalisierungsdruck ist tatsächlich<br />
sehr hoch. Die gleiche Wirtschaftsleistung,<br />
die wir heute erbringen,<br />
wurde vor 30 Jahren mit doppelt so viel<br />
Personal bewältigt. Zwar nicht in der<br />
<strong>Schweiz</strong>, aber in anderen Ländern mit 50<br />
oder 60 Prozent Jugendarbeitslosigkeit<br />
gibt es aufgrund der technischen und organisatorischen<br />
Fortschritte ganz einfach<br />
nicht genug bezahlbare Tätigkeiten.<br />
Was ist Ihr Vorschlag?<br />
Die Verteilung der Arbeit auf mehr<br />
Personal ist aufgrund der Lohnnebenkosten<br />
immer noch teuer und muss dennoch<br />
angepackt werden. Hierzu braucht es<br />
viele kreative Ideen, aus allen Teilen der<br />
Gesellschaft und nicht nur aus der Arbeitspsychologie,<br />
der Gewerkschaft oder<br />
einem Think Tank! Wir könnten individuelle<br />
Zeitkonti einführen. Ein Mitarbeiter<br />
hätte zum Beispiel ein Soll von 1 500 Arbeitsstunden<br />
pro Jahr, und er würde sich<br />
mit seiner Familie, seinen Arbeitskollegen<br />
und den Vorgesetzten verständigen,<br />
wann sie über die Zeit verteilt geleistet<br />
werden.<br />
Viele Leute schliessen heute Teilzeitverträge<br />
ab, arbeiten dann aber dennoch<br />
zu hundert Prozent. Was sagen Sie als<br />
Arbeitspsychologe dazu?<br />
Das heisst ja, dass die Menschen auf<br />
Lohn verzichten und sich einen Gewinn<br />
an Zeit versprechen. Wenn sie diese Zeit<br />
dann doch nicht bekommen, sehe ich dies<br />
für die Psyche als sehr frustrierend an. Es<br />
geht darum, die Gewinne aus der Rationalisierung<br />
besser und fantasievoller als<br />
bisher zu verteilen. Dabei denke ich auch<br />
an die Ferieninitiative, über die letztes<br />
Jahr abgestimmt wurde. Weil sie politisch<br />
keine Mehrheit fand, sage ich im Scherz:<br />
Die <strong>Schweiz</strong>erinnen und <strong>Schweiz</strong>er fühlen<br />
sich anscheinend von mehr Ferien bedroht.<br />
Aber dahinter verbirgt sich etwas anderes.<br />
Anstelle von mehr Ferien würde es eine andere,<br />
eine moderne Variante erfordern. Die<br />
Einführung der erwähnten Zeitkonti wäre<br />
ein Schritt in diese Richtung.<br />
Apropos Politik – was sagen Sie zur<br />
1:12-Initiative, die die Topsaläre in den<br />
Unternehmen limitieren würde?<br />
Das Ungerechtigkeitsempfinden ist<br />
offensichtlich stark gestiegen. Das zeigt ja<br />
auch die Annahme der Abzockerinitiative,<br />
das zeigen die anderen Initiativen,<br />
die das Wirtschaftsleben betreffen. Wir<br />
müssen diese Probleme aber vertiefter<br />
diskutieren und nicht gleich ein für alle<br />
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