DER BIEBRICHER, Ausgabe 263, Oktober 2013
Stadtteilmagazin für Wiesbaden-Biebrich, Erscheinungsweise monatlich
Stadtteilmagazin für Wiesbaden-Biebrich, Erscheinungsweise monatlich
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Themenabend „As time goes by“ mit Jazz- und Broadwaymelodien<br />
in der Hauptkirche<br />
Der Neu-Biebricher Joachim<br />
Schreiner besuchte am 27.<br />
September den Themenabend<br />
„As time goes by“<br />
mit Jazz- und Broadwaymelodien<br />
aus<br />
Amerika in der Evangelischen<br />
Hauptkirche<br />
von Biebrich. Die<br />
Veranstaltung mit der<br />
Mezzosopranistin Stefanie<br />
Tettenborn und Markus Fischer<br />
am Klavier hat ihn so<br />
beeindruckt, dass er dem<br />
<strong>BIEBRICHER</strong> den nachfolgenden<br />
Text zusandte, den wir<br />
als Gastbeitrag gerne veröffentlichen.<br />
Im Kleinen findet sich manchmal,<br />
was im Großen nicht selten<br />
verloren geht. So auch am<br />
letzten Freitag im September in<br />
der evangelischen Hauptkirche<br />
von Biebrich. Ein Abend, der<br />
viel mehr war, als die im Mittelpunkt<br />
stehende professionelle<br />
Darbietung des Duos Stefanie<br />
Tettenborn und Markus Fischer.<br />
Jeder, der deren Konzerte verfolgt,<br />
kennt ihre bevorzugten<br />
Themenbereiche und musikalischen<br />
Muster, die so tief berühren:<br />
Lebensträume, gelebte, nie<br />
gelebte und verlorene; immer<br />
wieder starke Emotionen; Liebe,<br />
Gastbeitrag<br />
von Joachim<br />
Schreiner<br />
erfüllte oder häufiger noch die<br />
erhaben unerfüllt gebliebene<br />
Liebe; getragen von Melodien,<br />
die niemand mehr vergisst.<br />
All dies wurde von den<br />
Künstlern in beeindruckender<br />
Souveränität<br />
vorgetragen, gepaart<br />
mit einer federhaften<br />
Leichtigkeit aber auch einer festen<br />
persönlichen Note, die erahnen<br />
lassen, wie sehr Musik und<br />
Texte im Laufe der Jahre Ausdruck<br />
eigenen Erlebens wurden:<br />
Von der süßesten Verzückung<br />
bis zur bittersten Enttäuschung,<br />
von höchsten Höhen bis hinab<br />
zu tiefsten Tiefen. Diesem Zauber<br />
kann sich niemand entziehen.<br />
Es ist dieses Unverwechselbare,<br />
das ganz Besondere<br />
des Künstlerpaares Tettenborn/<br />
Fischer, des begnadeten Technikers<br />
der Tasten und der Grande<br />
Dame des Crescendos.<br />
Bravo, Stefanie Tettenborn, bravo,<br />
Markus Fischer! Einen besonderen<br />
Dank an die evangelische<br />
Hauptkirchengemeinde!<br />
Nun gut, den Künstlern wäre<br />
etwas mehr Publikum in der<br />
Hauptkirche zu wünschen gewesen,<br />
vielleicht auch eher noch<br />
dem Publikum selbst.<br />
Die in Biebrich lebende Mezzosopranistin, Gesangs- und Sprechpädagogin<br />
Stefanie Tettenborn begeisterte mit ihrem Konzertabend<br />
in der Biebricher Hauptkirche.<br />
30 <strong>DER</strong> <strong>BIEBRICHER</strong> / OKTOBER <strong>2013</strong><br />
PRIVAT<br />
Doch Gott bewahre: Hoffentlich<br />
werden diese musikalischen<br />
Geschenke der ganz besonderen<br />
Art nicht über die Grenzen<br />
Biebrichs hinaus zu sehr bekannt,<br />
so dass ich mir künftig<br />
am Dernschen Gelände eine<br />
teure Eintrittskarte im Vorverkauf<br />
für identisch Dargebotenes<br />
sichern müsste, lediglich verpackt<br />
als feines „Event“ in einer<br />
feinen „Location“ mit feinem<br />
„Equipment“ und inmitten einer<br />
feinen „Audience“. Nur nebenbei:<br />
Der Eintritt in der evangelischen<br />
Hauptkirche zu diesem<br />
Konzert war frei, einfach so –<br />
kostenlos. Kaum zu glauben!<br />
Wer nach der Veranstaltung mit<br />
den Künstlern plaudern wollte,<br />
war überdies zu einem kleinen<br />
Umtrunk eingeladen.<br />
Hatte es mir in einem vorangegangenen<br />
Konzert mit der Mezzosopranistin<br />
Stefanie Tettenborn<br />
und dem Pianisten Markus<br />
Fischer das unvergleichliche „Je<br />
ne regrette rien“ von Edith Piaf<br />
angetan, war ich an diesem<br />
Abend von George Gershwin<br />
berührt aber ebenso von mir<br />
Unbekanntem, wie „Solitude“.<br />
In der Anmoderation der Lieder<br />
lässt Stefanie Tettenborn immer<br />
wieder Anekdoten einfließen,<br />
wie etwa ein im Flugzeug zwischen<br />
Los Angeles und Denver<br />
schnell zu Papier gebrachtes<br />
Stück, einzig dem Zweck dienend,<br />
das noch unvollständige<br />
Repertoire aufzufüllen, mit dem<br />
Ergebnis, dass mal so nebenbei<br />
ein Welthit entstanden ist.<br />
Am Klavier begleitete Markus<br />
Fischer.<br />
Höhepunkte des Abends waren<br />
die hinreißend naiven aber<br />
doch bereits vorausschauend<br />
zweifelnden Mädchenträume,<br />
einer der Lieblingssongs John F.<br />
Kennedys. Und dann natürlich,<br />
unvergesslich, Louis Armstrongs<br />
„What a wonderful world“. Ob<br />
die „world“ nun immer und für<br />
jeden so „wonderful“ ist, wird<br />
im Text nicht thematisiert. Louis<br />
Armstrong hatte die positive<br />
Betrachtung in den Vordergrund<br />
gerückt und dadurch den<br />
jeweils erlebten musikalischen<br />
Augenblick geadelt. Ebenso wie<br />
es der Mezzosopranistin und<br />
dem Pianisten an diesem Abend<br />
ganz wunderbar gelungen ist.<br />
Whow, what a wonderful evening,<br />
what a wonderful night!<br />
Später, auf dem Weg nach Hause<br />
kam mir die Geschichte über<br />
Joshua Bell nochmal in den<br />
Sinn. Er zählt zu den größten<br />
Starviolinvirtuosen unserer Zeit.<br />
Für eine psychologische Studie<br />
der New York Times spielte er<br />
etwa 45 Minuten unerkannt<br />
in der New Yorker U-Bahn auf<br />
einer Geige im Wert von drei<br />
Millionen US-Dollar, unter anderem<br />
eines der schwersten<br />
Violinstücke der Welt von<br />
Johann Sebastian Bach. Mehr<br />
als 1 000 Menschen passierten<br />
ihn, davon blieben insgesamt<br />
sechs (!) stehen. Nur Kinder<br />
wollten länger verweilen, wurden<br />
jedoch von ihren Müttern<br />
weggezogen. Zwei Tage zuvor<br />
hatte Joshua Bell in der Symphony<br />
Hall von Boston ein ausverkauftes<br />
Konzert gegeben,<br />
bei dem sich der durchschnittliche<br />
Eintrittspreis auf 100 US-<br />
Dollar belaufen hatte.<br />
Manchmal findet sich in kleinem<br />
Rahmen unerwartet wirklich<br />
Großes. Glückliches Biebrich!<br />
Joachim Schreiner<br />
PRIVAT