Ausbildung ner materiellen Notlage heraus abgebrochen wird, 39 von zentraler Bedeutung. II. Art. 6 Abs. 4 GG als wertentscheidende Gr<strong>und</strong>satznorm Weiterhin stellt die Regelung auch eine wertentscheidende Gr<strong>und</strong>satznorm dar, 40 wobei eine Abgrenzung zur teilhaberechtlichen Dimension nicht trennscharf zu vollziehen ist. In ihrer Gestalt als Gr<strong>und</strong>satzentscheidung macht die Bestimmung deutlich, dass Schwanger – <strong>und</strong> Mutterschaft nicht individuelle Angelegenheiten außerhalb der öffentlichen Sphäre sind, sondern vielmehr im integralen Interesse der Gemeinschaft liegen. 41 Damit bindet sie sämtliche staatliche Stellen entsprechend dieser Zielsetzung bei Gesetzesanwendung <strong>und</strong> Auslegung 42 <strong>und</strong> hat damit Ausstrahlungswirkung auf das gesamte private wie öffentliche Recht, insbesondere auf zentrale Bereiche des Arbeitsrechts. 43 III. Art. 6 Abs. 4 GG als Postulat an den Gesetzgeber Darüber hinaus enthält die Norm auch einen Auftrag an den Gesetzgeber – nicht einen bloßen Programmsatz -, <strong>für</strong> den Schutz <strong>und</strong> die Fürsorge der Mutter zu sorgen. 44 Dem Gesetzgeber steht bei der Ausformung zwar ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu, der seine Grenze aber im verfassungsrechtlichen Mindestschutz der Mutter finden muss. 45 Ausfluss des verfassungsrechtlichen Auftrages an den Gesetzgeber waren insbesondere kündigungsrechtliche Spezialvorschriften, die insbesondere im Mutterschutzgesetz ihren Niederschlag gef<strong>und</strong>en haben. Hierzu zählt vor allem das Kündigungsverbot der Mutter aus Gründen der Schwangerschaft während der Schwangerschaft <strong>und</strong> <strong>für</strong> einen gewissen Zeitraum nach der Geburt (vgl. § 9 MuSchG) sowie die Zusicherung einer Schonzeit <strong>für</strong> den Zeitraum unmittelbar nach der Geburt. 46 E. Gleichstellung nichtehelicher (unehelicher) Kinder, Art 6 Abs. 5 GG Art. 6 Abs. 5 GG enthält eine der Regelung des Art. 6 Abs. 4 GG entsprechende Struktur: Zum einen enthält die Regelung ein Gr<strong>und</strong>recht im klassischen Sinne, dessen Träger allein das nichteheliche Kind ist, 47 fungiert aber daneben auch als wertentscheidende Gr<strong>und</strong>satznorm <strong>und</strong> enthält vor allem ein Postulat an den Gesetzgeber. 48 Hintergr<strong>und</strong> der Implementierung dieser Regelung ins Gr<strong>und</strong>gesetz von 1949 insgesamt war, dass die damals noch vorherrschenden ungünstigen Lebensumstände unehelicher Kinder im Vergleich zu ehelich geborenen durch Schaffung gleicher Entwicklungs- <strong>und</strong> Lebensbedingungen aufgehoben werden sollten. 49 Anders als bei Art. 6 Abs. 4 GG kommt bei Art. 6 Abs. 5 GG insbesondere letztgenannter Funktion entscheidende Bedeutung zu. 39 BVerfGE 88, 203, 258; E 103, 89, 102; Seiler, in: BK-GG, Art. 6 Abs. 4, Rn. 26. 40 BVerfGE 84, 133, 157; E 109, 64, 87; Jarass/Pieroth, Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz, Art. 6 Rn. 44. 41 BVerfGE 88, 203, 258; 85, 360, 372; Gröschner, in: Dreier, Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz, Art. 6 Rn. 108. 42 BVerfGE 32, 273, 275; E 60, 68, 74; Coester-Waltjen, in: v.Münch/Kunig, Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz, Art. 6 Rn. 109. 43 Vgl. Uhle, in: BeckOKGG, Art. 6 Rn. 72; Schmitt-Kammler/von Coelln, in: Sachs, Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz, Art. 6 Rn. 81. 44 BVerfGE 32, 273, 275; E 60, 68, 74; E 115, 259, 271. 45 BVerfGE 37, 121, 127; E 54, 131, 124, 131; E 109, 64, 87. 46 BVerwGE 47, 23, 27; E 54, 124, 127. 47 Badura, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz, Art. 6 Abs. 1 Rn. 10; a.A. Robbers, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz, Art. 6, Rn. 310. 48 Vgl. etwa Uhle, in: BeckOKGG, Art. 6 Rn. 73; Franz/Günther, JuS 2007, 716, 720. 49 Vgl. etwa Badura, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz, Art. 6 Rn. 173 ff. I. Art. 6 Abs. 5 GG als Auftrag an den Gesetzgeber Art. 6 Abs. 5 GG wendet sich nämlich in Gestalt eines Gleichbehandlungsauftrages primär an die gesetzgebende Gewalt. 50 <strong>Die</strong>se soll durch legislative Maßnahmen sicherstellen, dass <strong>für</strong> nichteheliche Kinder – nach überkommener Terminologie auch als uneheliche Kinder bezeichnet – die gleichen Bedingungen <strong>für</strong> die leibliche <strong>und</strong> seelische Entwicklung <strong>und</strong> <strong>für</strong> ihre Stellung in der Gesellschaft geschaffen werden. Aufgr<strong>und</strong> dieser Vorschrift ist also das einfache Recht, insbesondere das Privatrecht, so auszugestalten, dass das nichteheliche Kind annäherungsweise so gestellt ist wie ein Kind, welches in eine „Normalfamilie“ geboren wurde, sprich bei seinen in Ehe verb<strong>und</strong>enen Eltern aufwächst. 51 Eine schematische Gleichbehandlung, also die Schaffung faktisch gleicher Bedingungen <strong>für</strong> sämtliche Kinder, egal ob ehelich oder unehelich, ist dagegen nicht gefordert. 52 Der Gesetzgeber ist dem Postulat durch mehrere Gesetzgebungsmaßnahmen, vor allem durch das Nichtehelichengesetz von 1969 53 , nachgekommen. Dabei kam es zu zum Teil tiefgreifenden Einwirkungen besonders auf das Ehe- <strong>und</strong> Familienrecht. Besondere Bedeutung kam im Bereich des Familienrechts etwa der Angleichung des Unterhaltsrechts zu. So war etwa die Befristung des Kindesunterhalts allein des nichtehelichen Kindes bis zum 18. Lebensjahr verfassungswidrig, 54 ebenso die Nichtberücksichtigung des Sonderbedarfs des nichtehelichen Kindes beim Umfang des Unterhaltsanspruchs. 55 Auch das Abstammungsrecht sowie das Recht der elterlichen Sorge sowie das Umgangsrecht waren von entsprechenden Modifikationen massiv betroffen: 56 So hat das uneheliche Kind – wie das eheliche – etwa ein Recht auf Kenntnis der Identität seines Vaters 57 <strong>und</strong> auf eine Gleichbehandlung im Bereich des Betreuungsunterhaltsrechts. 58 Auch das Erbrecht wurde – wie das Familienrecht – zunächst umfassend durch das NEG reformiert. In einem weiteren Schritt wurde mit dem Erbrechtsgleichstellungsgesetz aus dem Jahre 1997 59 faktisch eine weitgehende Gleichstellung ehelicher <strong>und</strong> nichtehelicher Kinder im Erbrecht erreicht. Man kann mit Fug <strong>und</strong> Recht behaupten, dass das Postulat mittlerweile durch den Gesetzgeber weitgehend erfüllt wurde, 60 obgleich es dennoch punktuell immer noch Bedeutung hat. So war jüngst etwa eine erneute Modifikation der erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder nötig. 61 II. Art. 6 Abs. 5 GG als Gr<strong>und</strong>recht Art. 6 Abs. 5 GG beinhaltet auch ein Gr<strong>und</strong>recht des unehelichen Kindes. Im Kern liegt darin ein besonderes Gleichheitsgebot als lex specialis zu Art. 3 Abs. 1 GG begründet. 62 Es handelt es sich aber auch um ein besonderes Diskriminierungs- <strong>und</strong> Benachteiligungsverbot, 63 welches die abwehrrechtliche Funktion der Gr<strong>und</strong>rechte betrifft. Soweit die Diskriminierung sich 50 Vgl. früh bereits BVerfGE 8, 210, 216; E 25, 167, 172. 51 BVerfGE 8, 210, 215; E 25, 167, 183; E 84, 168, 185; Robbers, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz, Art. 6, Rn. 314. 52 BVerfGE 17, 280, 284; E 85, 80, 87; Franz/Günther, JuS 2007, 716, 720. 53 G v. 19.8.1969, BGBl. I, S. 1243 ff.; dazu etwa Bosch, FamRZ 1970, 157 ff. 54 BVerfGE 25, 167, 184. 55 BVerfGE 26, 206, 213. 56 Eingehend zu einzelnen Maßnahmen Uhle, in: BeckOKGG, Art. 6 Rn. 73; Badura, in: Maunz/ Dürig, Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz, Art. 6 Rn. 179 ff. 57 BVerfGE 79, 256, 266; E 90, 263, 263. 58 BVerfGE 118, 45 ff. 59 G v. 16.12.1997, BGBl. I, S. 2968 ff. 60 So Franz/Günther, JuS 2007, 716, 720; dagegen Peschel-Gutzeit, FPR 2008, 471, 473, die noch einigen Gleichstellungsbedarf sieht. 61 Dazu etwa Krug, ZEV, 2011, 397 ff.; Leipold, ZEV 2009, 488 ff.; Rebhan, MittBayNot 2011, 285 ff. 62 BVerfGE 17, 148, 153; E 17, 280, 286; E 84, 168, 184; Gröschner, in: Dreier, Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz, Art. 6 Rn. 151. 63 BVerfGE 17, 148, 153; E 22, 163, 172; E 44, 1, 18. 122 <strong>Iurratio</strong> Ausgabe 3 / 2013
Ausbildung auf aus der staatlichen Sphäre kommende Leistungen bezieht, wandelt sich die Funktion hin zu einem Teilhaberecht. 64 III. Art. 6 Abs. 5 GG als wertentscheidende Gr<strong>und</strong>satznorm Letztlich enthält Art. 6 Abs. 5 GG auch eine wertentscheidende Gr<strong>und</strong>satznorm, die staatliche Stellen bei der Auslegung <strong>und</strong> Anwendung des einfachen Rechts bindet. 65 Aus dieser wird eine allgemeine Förderpflicht insbesondere des Gesetzgebers zu Gunsten des nichtehelichen Kindes hergeleitet. 66 Als Beispiel lässt sich etwa die Schaffung von Instrumenten zur Förderung des Aufwachsens nichtehelicher Kinder in Ersatz- <strong>und</strong> Pflegefamilien anführen. 67 F. Konkurrenzen Hinsichtlich der Bestimmungen der Absätze 3-5 des Art. 6 GG ist insbesondere deren Verhältnis zu Art. 6 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 GG zu klären. Dabei geht Art. 6 Abs. 3 als lex specialis sowohl Art. 6 Abs. 1 als auch Abs. 2 vor. 68 Art. 6 Abs. 4 GG als spezielle Ausprägung des Sozialstaatsprinzips findet neben Art. 6 Abs. 1 GG Anwendung <strong>und</strong> verstärkt gleichsam dessen Wirkung. 69 Art. 6 Abs. 5 GG hat einen gegenüber Art. 6 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 GG eigenständigen Anwendungsbereich <strong>und</strong> stellt eine spezielle Ausprägung des in Art. 3 GG verankerten Gleichheitssatzes sowie insbesondere des Sozialstaatsprinzips dar, 70 das aber den allgemeinen Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz nicht verdrängt, sondern dem allein Ausgestaltungs- <strong>und</strong> Ergänzungsfunktion zukommt. 71 64 Vgl. speziell zu Art. 6 Abs. 5 GG Pieroth/Schlink, Gr<strong>und</strong>rechte. Staatsrecht II, 25. Aufl. 2009, Rn. 665. 65 BVerfGE 8, 210, 218; E 25, 167, 173; E 44, 1, 18. 66 Vgl. etwa Uhle, in: BeckOKGG, Art. 6 Rn. 78; Schmitt-Kammler/von Coelln,, in: Sachs, Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz, Art. 6 Rn. 90. 67 Vgl. dazu BVerfGE 22, 363, 388. 68 BVerfGE 24, 119, 135; E 76, 1, 48; Jestaedt, in: BK-GG, Art. 6 Abs. 2 <strong>und</strong> 3, Rn. 219 ff. 69 Vgl. Franz/Günther, JuS 2007, 716, 720 70 BVerfGE 26, 44, 61; Schmitt-Kammler/von Coelln,, in: Sachs, Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz, Art. 6 Rn. 79. 71 Jarass/Pieroth, Kommentar zum Gr<strong>und</strong>gesetz, Art. 6 Rn. 78; Seiler, in: BK-GG, Art. 6 Abs. 5 Rn. 62. <strong>Iurratio</strong> Ausgabe 3 / 2013 123