Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio
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Schwerpunkt<br />
soll der Bürger aber nicht gebracht werden. 9 Vorliegend fehlt es jedoch<br />
an einem rechtmäßigen VA, denn die Anordnungsverfügung der Behörde<br />
ist aufgr<strong>und</strong> des Ermessensausfalls rechtswidrig, siehe oben.<br />
F. Legalisierung auch durch rechtswidrigen VA<br />
Zu erwägen ist allerdings, ob auch eine rechtswidrige behördliche Anordnung<br />
legalisierend wirken kann.<br />
I. Einheit der Rechtsordnung<br />
<strong>Die</strong>s scheint angesichts des gerade benannten Konflikts auf den ersten<br />
Blick jedenfalls nicht fernliegend zu sein. Denn würde die verlangte<br />
Tat legalisiert, hätte der Bürger <strong>für</strong> den Fall der Befolgung der Anordnung,<br />
d.h. der Beseitigung der Hütte, keine strafrechtlichen Sanktionen<br />
zu <strong>für</strong>chten. Der Konflikt, vor dem er bewahrt werden soll, würde<br />
aufgelöst.<br />
1. Quantifizierung <strong>und</strong> Intensivierung des Unrechts<br />
Gegen eine solche Lösung spricht indes, dass schon der Ausgangspunkt<br />
selbst, also die Anordnung rechtswidrig ist <strong>und</strong> damit im Widerspruch<br />
zur Rechtsordnung steht. Durch die Rechtfertigung der Sachbeschädigung<br />
würde nicht das Unrecht der Anordnung beseitigt, sondern<br />
der Widerspruch zur Rechtsordnung vergrößert. Bildlich gesprochen<br />
würde aus dem Haar-Riss in der Rechtsordnung, nämlich dem Ermessensausfall,<br />
ein regelrechter Bruch. Am Ende einer rechtswidrigen<br />
behördlichen Entscheidung stünde die Vernichtung von verfassungsrechtlich<br />
geschütztem Eigentum. Dem Ziel, einer widerspruchsfreien<br />
Rechtsordnung, wäre man damit nicht näher gekommen. Im Gegenteil,<br />
man hätte sich einen Schritt weiter davon entfernt.<br />
2. Mangelnde Legitimation aufgr<strong>und</strong> mangelhaften<br />
Verfahrens<br />
Dass das Heil nicht in der Legalisierung der Sachbeschädigung gesucht<br />
werden sollte, wird besonders bei der näheren Entstehungsgeschichte<br />
der Anordnung deutlich:<br />
In einer rechtsstaatlichen Demokratie werden Entscheidungen nicht<br />
nur dadurch legitimiert, dass sie von einem breiten Konsens getragen<br />
werden, sondern <strong>und</strong> insbesondere auch durch ihre Entstehungsgeschichte,<br />
nämlich durch die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens.<br />
Das deutlichste Beispiel ist die Wahl, bei der nicht entscheidend ist,<br />
wer gewählt wird, sondern dass <strong>und</strong> wie gewählt wird. Aber auch –<br />
<strong>und</strong> insbesondere – im Strafprozess kommt dem Verfahren <strong>und</strong> der<br />
Einhaltung seiner Regeln ein besonderes Gewicht zu. 10<br />
Ähnlich ist es aber auch bei staatlichem Handeln im Alltäglichen, dem<br />
Handeln der Behörden durch Verwaltungsakte. Zwar mag es sein, dass<br />
es im Alltag überwiegend auf das Ergebnis ankommt – gleichwohl erlangen<br />
hoheitliche Entscheidungen ihre Legitimation zu einem ganz<br />
wesentlichen Teil dadurch, dass sie rechtlich einwandfrei zustande gekommen<br />
sind. Dazu wiederum kommt es insbesondere darauf an, dass<br />
das zur Entscheidung vorgesehene Verfahren ordnungsgemäß durchlaufen<br />
wurde. <strong>Die</strong>s wiederum bedeutet, dass der zuständige Amtswalter<br />
bei der ihm obliegenden Entscheidung alle relevanten Aspekte<br />
beachtet <strong>und</strong> erst nach pflichtgemäßem Ermessen eine Entscheidung<br />
trifft, § 40 VwVfG. Der Gebrauch des Ermessensspielraums ist dabei<br />
von besonderer Bedeutung. Denn wenn der Staat der Verwaltung ei-<br />
9 Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer (Hrsg.) Verwaltungsrecht, Nomos Handkommentar, 3. Auflage<br />
2013, § 44 VwVfG Rn 20; VG Düsseldorf Urteil vom 23.06.2006 – AZ 15 K 3817/04.<br />
10 Vgl. nur die absoluten Revisionsgründe in § 574 StPO.<br />
nen Freiraum lässt, so muss er – <strong>und</strong> letztlich der Bürger - auch erwarten<br />
können, dass dieser Freiraum verantwortungsvoll genutzt wird.<br />
<strong>Die</strong> Legitimation entsteht daher durch Beachtung der Verfahrensregeln,<br />
denn nur so kann der Bürger darauf vertrauen, dass das Ergebnis<br />
gesetzeskonform (zustande gekommen) ist.<br />
Hier hätte die Behörde beachten müssen, dass nicht nur A als Gr<strong>und</strong>stückseigentümer,<br />
sondern auch B als Eigner der Hütte hätte herangezogen<br />
werden können. <strong>Die</strong>s hat der Beamte aber nicht getan. Er hat<br />
daher eine Entscheidung getroffen, ohne alle relevanten Punkte zu<br />
beachten <strong>und</strong> abzuwägen. <strong>Die</strong> Entscheidung entstand daher in rechtswidriger<br />
Weise.<br />
Der Fehler „Ermessensausfall“ ist nach der Wertung des Gesetzgebers<br />
ein besonders schwerwiegender. Ausweislich der §§ 45, 46<br />
VwVfG <strong>und</strong> §§ 113, 114 VwGO, ist ein solcher Mangel nämlich nicht<br />
heilbar oder unbeachtlich. <strong>Die</strong>s lässt die Wertung erkennen, dass der<br />
Gesetzgeber großen Wert darauf legt, dass die untergeordneten Behörden<br />
<strong>und</strong> ihre Amtswalter auf diesen Aspekt besonderen Wert legen.<br />
Der Ausübung des Ermessens kommt also ein erhöhter Stellenwert<br />
zu. <strong>Die</strong>s erscheint auch naheliegend; nicht zuletzt, da die Akzeptanz<br />
von Verwaltungsentscheidungen in der Bevölkerung höher ist,<br />
wenn ersichtlich ist, dass die Behörde nicht „blindlings nach Schema<br />
F“ gehandelt hat, sondern die ihr zugedachten Spielräume sorgsam<br />
genutzt hat. Der VA ist daher nicht nur rechtswidrig, sondern er hat<br />
auch ein besonderes Legitimationsproblem. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />
ist nicht einzusehen, warum diese Anordnung rechtfertigende Wirkung<br />
entfalten können sollte.<br />
3. Zwischenergebnis<br />
<strong>Die</strong> besseren Gründe sprechen insgesamt da<strong>für</strong>, der rechtswidrigen<br />
Anordnung eine Legalisierungswirkung zu versagen: Der VA, der<br />
rechtswidrig zustande gekommen ist, <strong>und</strong> daher unheilbar rechtswidrig<br />
ist, ist nicht geeignet, andere – an sich rechtswidrige – Verhaltensweisen<br />
zu legalisieren.<br />
II. „Rettung“ durch Anwendung der Gr<strong>und</strong>sätze über<br />
die rechtswidrige Genehmigung<br />
Möglicherweise könnte aber auf die Gr<strong>und</strong>sätze zur rechtswidrigen<br />
Genehmigung zurückgegriffen werden, um die Konsequenz der Nichtigkeit<br />
zu vermeiden.<br />
1. Allgemeines<br />
Im Strafrecht – insbesondere im Umweltstrafrecht – ist anerkannt, dass<br />
eine behördliche Genehmigung legalisierend wirken kann. 11 Dabei soll<br />
eine Legalisierungswirkung nach wohl h.M. auch bei einer rechtswidrigen<br />
Genehmigung eintreten können. 12 Und zwar dann, wenn die Genehmigung<br />
formell wirksam ist; nur dem nichtigen VA kommt keine<br />
Wirkung zu. 13<br />
2. Problem: Logischer Zirkel<br />
Gr<strong>und</strong>voraussetzung da<strong>für</strong> ist allerdings, dass der VA überhaupt wirksam<br />
i.S.d. § 43 VwVfG ist, d.h. nicht nichtig ist. Ob er dies ist, steht<br />
11 Vgl. obige Ausführung zur rechtmäßigen Anordnung; Fischer, Beck’scher Kurzkommentar um<br />
StGB, 59. Auflage 2012, Vorb. § 32 Rn 5; Schmitz in Münchener Kommentar zum StGB, Band 4,<br />
2006, Vorb. § 324 Rn 42 ff; Rönnau in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2006, vor § 32<br />
Rn 273 ff.<br />
12 Fischer, aaO, Vorb. § 324 Rn 6 ff; z.T. a.A. Schmitz in MüKo, aaO, Vorb. § 324 Rn 69 f.<br />
13 Fischer, aaO, Vorb. § 324 Rn 7 m.w.N.; Schmitz in MüKo, aaO, Vorb. § 324 Rn 69; Rönnau in LK, aaO<br />
vor § 32 Rn 279.<br />
<strong>Iurratio</strong><br />
Ausgabe 3 / 2013<br />
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