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Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

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Schwerpunkt<br />

im Mittelpunkt der hiesigen Diskussion. Würde man an dieser Stelle<br />

annehmen, dass auch die rechtswidrige Anordnung legalisierende<br />

Wirkung entfaltet, so müsste man damit implizieren, dass die Anordnung<br />

– spiegelbildlich zur Genehmigung – überhaupt wirksam ist.<br />

Man würde dann letztlich das Ergebnis (nämlich, dass der VA wirksam<br />

ist, weil er legalisierend wirkt) mit der Prämisse begründen (er wirkt<br />

legalisierend wie die Genehmigung, weil er wirksam ist). Oder kurz: Er<br />

ist wirksam, weil er wirksam ist – ein klassischer Zirkelschluss.<br />

3. Wortlaut des § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG <strong>und</strong> § 330d StGB<br />

Dass Genehmigungen wirken (z.B. rechtfertigend), auch wenn sie rechtswidrig<br />

sind, ist auch dem Umstand geschuldet, dass § 44 Abs. 2 Nr. 5<br />

VwVfG nur von dem Verlangen nach Straftaten spricht, nicht aber von<br />

deren Genehmigung. Es ist umstritten, ob § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG entsprechend<br />

auf die Genehmigung angewendet werden kann. 14 Im sonstigen<br />

Verwaltungsrecht gibt es keine dem § 44 Abs. 2 Nr. 5 vergleichbare<br />

Norm, die auf Genehmigungen anwendbar wäre. Eine Genehmigung ist<br />

daher grds. als wirksam zu betrachten (sofern nicht ein offensichtlicher,<br />

schwerer Fehler i.S.d. § 44 Abs. 1 VwVfG vorliegt). Dass die Wirkung<br />

mitunter die der Rechtfertigung ist, kann daran nichts ändern.<br />

Aus dem Umstand, dass Genehmigungen zuweilen trotz ihrer Rechtswidrigkeit<br />

eine Wirkung entfalten, kann daher nicht geschlossen werden,<br />

dass dies auch <strong>für</strong> Anordnungen gelten müsse. Vielmehr wird<br />

deutlich, dass der Gesetzgeber die behördliche Anordnung anders behandelt<br />

wissen wollte, als die Genehmigung. <strong>Die</strong>se Wertung zeigt sich<br />

z.B. auch im Wortlaut des § 330d Nr. 5 StGB. Dort wird klargestellt, dass<br />

eine Genehmigung, welche durch Drohung, Bestechung, Kollusion, etc.<br />

erwirkt wurde, nichtig ist. Über Anordnungen finden sich dort keine Regelungen.<br />

Auch daraus kann geschlossen werden, dass der Gesetzgeber<br />

einen generellen Unterschied zwischen Genehmigungen <strong>und</strong> Anordnungen<br />

sieht.<br />

4. Es verbliebe sonst kein Anwendungsbereich mehr<br />

Letztlich spricht auch der folgende Punkt dagegen, der rechtswidrigen<br />

Anordnung legalisierende Wirkung zukommen zu lassen: Käme jeder<br />

(nicht nach § 44 Abs. 1 VwVfG nichtigen) Anordnung legalisierende<br />

Wirkung zu, wäre ein Fall des § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nicht denkbar.<br />

Denn wie sollte eine Behörde eine strafbare, rechtswidrige Tat verlangen<br />

können, wenn das Verlangen nach der Tat diese zugleich rechtfertigte<br />

<strong>Die</strong>s wäre nur denkbar bei einer Anordnung, die schon nach § 44 Abs. 1<br />

VwVfG nichtig ist – aber auch dann wäre Abs. 2 Nr. 5 überflüssig.<br />

Man könnte hier zwar einwenden, man müsse zwischen formell rechtswidrigen<br />

<strong>und</strong> materiell rechtswidrigen Anordnungen unterscheiden.<br />

Denn es könnte trotz der o.g. Punkte sein, dass rechtswidrige Anordnungen<br />

– wie Genehmigungen – wirksam sein können, sofern sie nur<br />

formell rechtmäßig zu Stande gekommen sind. Aber auch dieser Aspekt<br />

kann – im hiesigen Beispiel – letzten Endes nicht überzeugen. Denn die<br />

hier in Rede stehende Anordnung ist, wie oben dargelegt, nicht legal,<br />

d.h. dem Gesetz entsprechend, zu Stande gekommen. § 40 VwVfG ordnet<br />

die Ausübung des Ermessens an. Fehlt dies gänzlich, war das Verfahren<br />

fehlerhaft <strong>und</strong> der VA formell rechtswidrig. Zwar ist grds. anerkannt,<br />

dass Ermessensfehler zu materieller Rechtswidrigkeit führen (<strong>und</strong> nicht<br />

nur zu formeller). <strong>Die</strong> Parallele zu § 39 VwVfG ist aber unübersehbar.<br />

Danach sind VAe formell rechtswidrig, wenn eine Begründung gänzlich<br />

fehlt (eine inhaltlich falsche Begründung schadet hingegen nicht). <strong>Die</strong>ser<br />

Gedanke muss auch hinsichtlich des Ermessens Beachtung finden:<br />

<strong>Die</strong> Behörde mag sich in der Sache irren – sobald sie aber ihr Ermessen<br />

gar nicht ausübt, kommt der VA formell rechtswidrig zu Stande (analog<br />

der gänzlich fehlenden Begründung). Bezeichnend ist hier übrigens<br />

schon die Überschrift, unter der § 40 im VwVfG steht: „Zustandekommen<br />

des Verwaltungsakts“.<br />

Mithin spricht schon die Existenz des Abs. 2 Nr. 5 <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Wertung des Gesetzgebers da<strong>für</strong>, dass es Fälle geben muss, in<br />

denen die Behörde eine strafbare, rechtswidrige Tat verlangt. <strong>Die</strong>s ist<br />

aber nur denkbar, wenn man diesen Anordnungen keine legalisierende<br />

Wirkung zuspricht.<br />

5. Zwischenergebnis<br />

Auch die Gr<strong>und</strong>sätze über die rechtswidrige Genehmigung können<br />

daher nicht dazu führen, der rechtswidrigen Anordnung rechtfertigende<br />

Wirkung zuzuschreiben. <strong>Die</strong> in Rede stehende Anordnung ist<br />

daher nach wie vor als nichtig anzusehen.<br />

III. Gr<strong>und</strong>sätze über den rechtswidrigen Befehl<br />

Das bisher entwickelte Ergebnis entspricht auch den Gr<strong>und</strong>sätzen über<br />

die Folgen eines rechtswidrigen, verbindlichen Befehls, der die Begehung<br />

einer Straftat verlangt.<br />

1. Allgemeines<br />

Bzgl. rechtmäßiger dienstlicher Anordnungen oder militärischer Befehle<br />

besteht Einigkeit, dass sie das vom Adressaten verlangte Handeln<br />

rechtfertigen. 15 Für rechtswidrige Befehle, die auf die Begehung von<br />

Straftaten gerichtet sind, soll dies aber nicht gelten – sie sollen vielmehr<br />

nur ein besonderer Schuldausschließungsgr<strong>und</strong> sein. 16 Tragend sind<br />

<strong>für</strong> dieses Ergebnis insbesondere folgende Erwägungen:<br />

• Sollte der Befehlshaber die Tat selbst begehen, wäre sie rechtswidrig<br />

– es ist aber nicht ersichtlich, warum aus diesem Unrecht Recht<br />

werden soll, nur weil ein Mittelsmann eingeschaltet wird.<br />

• Es könnte zudem paradoxerweise keinen Anstifter gem. § 26 StGB<br />

geben: Zwar befiehlt der <strong>Die</strong>nstherr eine rechtswidrige Tat – indem,<br />

dass er sie befiehlt, würde diese aber rechtmäßig <strong>und</strong> eine<br />

mögliche Strafbarkeit wegen Anstiftung entfällt, da keine rechtswidrige<br />

Haupttat vorliegt.<br />

• Ebenso könnte es keine Beihilfe geben: Wenn ein Soldat eine rechtswidrig<br />

befohlene Tat begeht, wäre diese gerechtfertigt, so dass kein<br />

Helfer strafrechtlich zu belangen wäre, da es an der rechtswidrigen<br />

Haupttat fehlte. <strong>Die</strong>s erscheint aber kurios. Denn eine Sachbeschädigung,<br />

an der sich h<strong>und</strong>ert Leute beteiligen, würde rechtmäßig,<br />

nur weil ein Soldat aufgr<strong>und</strong> eines Befehls damit begonnen hat.<br />

• Den Betroffenen würden ihre Notwehr- <strong>und</strong> Sterberechte abgeschnitten.<br />

• Das Dilemma, in dem der Adressat steckt, kann aufgelöst werden,<br />

in dem <strong>für</strong> den Fall der Befolgung die Schuld entfällt <strong>und</strong> er so einer<br />

Strafbarkeit entgeht.<br />

14 Vgl. Kopp/Ramsauer, aaO, § 44 Rn 44 mit dem Hinweis, dies müsse jedenfalls bei offensichtlich<br />

rechtswidrigen Genehmigungen gelten; Knack/Henneke, aaO, § 44 Rn 40. <strong>Die</strong>s ablehnend: Sachs in<br />

Stelken/Bonk/Sachs, aaO, § 44 Rn 150, m.w.N. <strong>Die</strong>s ebenso verneinend: Schemmer, aaO, § 44 Rn 55.<br />

Wenn Kopp/Ramsauer allerdings auf offensichtlich rechtswidrige VAe abstellen, drängt sich die<br />

Frage auf, wieso dies nicht unter § 44 Abs. I VwVfG subsumiert werden sollte.<br />

15 Vgl. nur Rönnau in LK, aaO, vor § 32 Rn 295 m.w.N.<br />

16 Vgl. nur Fischer, aaO, Vorb. § 32 Rn 16; anders bei Befehlen, die auf Ordnungswidrigkeiten gerichtet<br />

sind: Hier soll der Befehl rechtfertigend wirken, Weigend in MüKo, aaO, § 3 VStGB Rn 12, 13<br />

m.w.N.; nach Lencker/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder Kommentar zum StGB, vor § 32 Rn 87<br />

macht die Rechtswidrigkeit der Weisung auch deren Ausführung rechtswidrig.<br />

130<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 / 2013

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