Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio
Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio
Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Schwerpunkt<br />
Selbstredend gilt dies nur dann, wenn der Befehl nicht offensichtlich<br />
rechtswidrig <strong>und</strong> auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, denn<br />
dann wäre er <strong>für</strong> den Adressaten unverbindlich 17 <strong>und</strong> könnte – wie<br />
ein gem. § 44 Abs. 1 VwVfG nichtiger VA – schon keine Wirkung entfalten.<br />
Daraus folgt, dass auch hier die Gefahr einer logischen Kreisschlussfolgerung<br />
besteht.<br />
2. Übertragung auf diesen Fall ist sachgerecht<br />
<strong>Die</strong> vorgenannten Argumente lassen sich auch <strong>für</strong> den hier vorliegenden<br />
Fall fruchtbar machen. Zwar sind im einen Fall Beamte Adressaten<br />
des Befehls bzw. der dienstlichen Weisung <strong>und</strong> im anderen<br />
Fall „normale“, nicht im Staatsdienst stehende, Bürger Adressaten der<br />
Anordnung. <strong>Die</strong>ser Unterschied 18 rechtfertigt jedoch nicht eine unterschiedliche<br />
Beantwortung der Frage nach der Legalisierungswirkung<br />
der rechtswidrigen Anordnung.<br />
Denn der Konflikt (Verstoß gegen den Befehl einerseits <strong>und</strong> Verstoß<br />
gegen das Strafrecht andererseits) besteht im Wesentlichen <strong>für</strong> beide<br />
Adressaten gleichermaßen. Für den Soldaten ist der Konflikt allerdings<br />
noch weitreichender, da er bei Verstößen gegen die Gehorsamspflicht<br />
mit Disziplinarmaßnahmen rechnen muss. Dem Bürger drohen im<br />
Fall der Nichtbefolgung der Beseitigungsanordnung in der Regel keine<br />
derartigen Konsequenzen; er wird nur mit den Kosten der Ersatzvornahme<br />
rechnen müssen.<br />
Wenn aber schon das Handeln des Beamten nicht gerechtfertigt sein<br />
soll, also derjenige, der zur Befolgung der Weisung verpflichtet ist,<br />
nicht den Schutz der Rechtfertigung genießen soll – dann kann dieser<br />
Schutz erst recht nicht dem weit weniger zum Handeln verpflichteten<br />
Bürger zuteilwerden. Denn dieser kann sich aus dem anfangs genannten<br />
Konflikt wesentlich leichter befreien als der Beamte. Er bedarf<br />
daher keines höheren Schutzes (in Form der Rechtfertigung seines<br />
Handelns).<br />
Daher ist es sachgerecht, die o.g. genannten Argumente auch auf den<br />
Fall der rechtswidrigen behördlichen Anordnung anzuwenden <strong>und</strong><br />
dieser die rechtfertigende Wirkung zu versagen.<br />
IV. Zwischenergebnis<br />
Ein Rechtfertigungsgr<strong>und</strong> ist bislang nicht ersichtlich, die verlangte Tat<br />
damit rechtswidrig <strong>und</strong> die Anordnung dem entsprechend als nichtig<br />
anzusehen.<br />
G. Rechtfertigung durch Duldungsverfügung<br />
Das Ergebnis der Nichtigkeit der Beseitigungsanordnung lässt sich<br />
auch nicht etwa dadurch ändern, dass die Behörde (nachträglich) eine<br />
Duldungsverfügung gegenüber B erlässt. 19<br />
I. Kein Einfluss auf die Beseitigungsanordnung<br />
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG berühren Eigentumsrechte<br />
Dritter nicht die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsverfügung,<br />
sondern sind lediglich Vollzugshindernisse, welche nachträglich<br />
17 Vgl. dazu Rengier in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Auflage 2006, vor §§ 15, 16 Rn 32<br />
m.w.N.<br />
18 Sonderrechtsverhältnis vs. Allgemeines Gewaltverhältnis.<br />
19 Auf die Voraussetzungen, die zum Erlass einer derartigen Anordnung vorliegen müssen, soll hier<br />
nicht weiter eingegangen werden, zumal es primär auf die Wirksamkeit der Verfügung ankommt,<br />
nicht aber auf ihre Rechtmäßigkeit; vgl. bei Interesse an den Voraussetzungen den Beschluss des<br />
OVG Koblenz vom 08.12.2003 – 8 B 11827/03, wonach eine Duldungsanordnung zur Durchsetzung<br />
einer Beseitigungsverfügung nur erlassen werden kann, wenn die Gefahr besteht, dass ein Dritter<br />
unter Berufung auf eigene Rechte den Vollzug der Beseitigungsverfügung verhindert. Sie ist daher<br />
rechtswidrig, wenn ihr Adressat dem Vollzug der Beseitigungsverfügung zugestimmt hat oder ihm<br />
offensichtlich kein den Vollzug hinderndes Recht zusteht.<br />
durch eine gegen die Dritten gerichtete Duldungsverfügung ausgeräumt<br />
werden können. 20 An der Einschätzung, dass ebenso das<br />
Fehlen einer Duldungsverfügung keinen Einfluss auf die Rechtswidrigkeit<br />
der Beseitigungsanordnung hat, sondern allenfalls deren<br />
Vollstreckbarkeit betreffen kann, hat sich bis heute nichts geändert. 21<br />
Wenn aber das Vorliegen (oder eben das Nichtvorliegen) einer Duldungsverfügung<br />
die Rechtswidrigkeit der Beseitigungsverfügung<br />
nicht berührt, kann auch eine nachträglich erlassene Duldungsverfügung<br />
nicht dazu führen, dass der VA gegenüber A rechtmäßig wird.<br />
Sähe man dies anders, hieße es, dass eine Duldungsverfügung als<br />
Heilungsmöglichkeit die Wertung des § 114 VwGO unterwandern<br />
würde.<br />
II. Rechtfertigung der Sachbeschädigung durch Duldungsverfügung<br />
Aber auch die Sachbeschädigung als verlangte Handlung selbst kann<br />
nicht durch den Erlass einer Duldungsverfügung gerechtfertigt werden.<br />
<strong>Die</strong>s wird schon angesichts § 43 Abs. 1 VwVfG deutlich. Danach<br />
wirkt ein VA nur demjenigen gegenüber dem er bekannt gegeben<br />
worden ist. Der VA kann also nur <strong>für</strong> (bzw. gegen) den Adressaten<br />
wirken. Da hier aber die Adressaten der Beseitigungsanordnung <strong>und</strong><br />
der Duldungsverfügung unterschiedliche Personen sind, ist ausgeschlossen,<br />
dass die Verfügung an B die Handlung des A rechtfertigt.<br />
Es wäre geradezu absurd, anzunehmen, dass eine Handlung, welche<br />
an sich rechtswidrig ist, gerechtfertigt wird, weil dem Betroffenen<br />
(also dem Opfer, B) durch separaten Bescheid aufgegeben wird, die<br />
Handlung hinzunehmen.<br />
Noch plastischer wird dies in Fällen, in denen die zu beseitigende<br />
Hütte zwei Eigner (B <strong>und</strong> C) hat <strong>und</strong> gleichwohl nur einem davon<br />
die Duldung aufgegeben würde. Nähme man nun an, die Duldung<br />
könne die an sich rechtswidrige Sachbeschädigung nachträglich<br />
rechtfertigen, müsste dies <strong>für</strong> alle Eigner gelten. <strong>Die</strong> Handlung wäre<br />
rechtmäßig <strong>und</strong> zwar ungeachtet dessen, dass mindestens einem Eigentümer<br />
(<strong>und</strong> damit einem Opfer) nicht per VA die Duldung aufgegeben<br />
wurde.<br />
Ein solches Ergebnis liefe jedoch den Gr<strong>und</strong>sätzen des Verwaltungsverfahrens<br />
zuwider, denn § 43 Abs. 1 VwVfG würde gänzlich ausgehebelt<br />
<strong>und</strong> einer persönlich adressierten Verfügung käme mittelbar<br />
Allgemeingültigkeit zu.<br />
III. Zwischenergebnis<br />
Damit kann auch eine etwaige, später erlassene Duldungsverfügung<br />
keinen Einfluss auf das zuvor gef<strong>und</strong>ene Ergebnis haben.<br />
H. Ergebnis<br />
Damit ist festzuhalten, dass die rechtswidrige Beseitigungsanordnung<br />
eine strafbare <strong>und</strong> rechtswidrige Handlung verlangt <strong>und</strong> daher<br />
gem. § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nichtig ist. Das Ergebnis überrascht.<br />
Es ist so gut wie beispiellos 22 , dass die schlichte Nichtausübung des<br />
Ermessens zur Nichtigkeit des VA führt.<br />
20 BVerwG Urteil vom 28.04.1972 – IV C 42.69, Rn 31 m.w.N. zitiert nach juris; vgl. auch Marwinski<br />
in: Brandt/Sachs Handbuch Verwaltungsverfahren <strong>und</strong> Verwaltungsprozess E Rn 54 – wonach,<br />
unter umfangreichen Hinweis auf Rechtsprechung, entgegenstehende Rechte Dritter ein<br />
Vollzugshindernis bilden, welches auch dazu führt, dass eine etwaige Androhung der Ersatzvornahme<br />
unzulässig ist, solange das Vollzugshindernis nicht ausgeräumt ist.<br />
21 Vgl. aktuell Sächsisches OVG Urteil vom 03.06.2010 – 1 A 29/09, Rn 7 zitiert nach juris; Tettinger/<br />
Erbguth/Mann Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl. § 20 Rn 686.<br />
22 Jedenfalls war in den einschlägigen Datenbanken kaum ein Fall zu finden, in dem ein VA <strong>für</strong> gem. § 44<br />
Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nichtig erklärt wurde.<br />
<strong>Iurratio</strong><br />
Ausgabe 3 / 2013<br />
131