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Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

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Ausbildung<br />

II. Aspekt: Mediation, Konfliktlösung <strong>und</strong> Verhandlungsmanagement<br />

sind mehr als Schlüsselqualifikationen<br />

1. Verfahrensmanagement<br />

Mediation, Konfliktlösung <strong>und</strong> Verhandlungsmanagement - wie<br />

es der Gesetzgeber in § 5a Abs. 3 S. 1 DRiG getan hat – als Schlüsselqualifikationen<br />

einzuordnen, ist vor diesem Hintergr<strong>und</strong> aber<br />

nur bedingt richtig; denn es geht dabei um wesentlich mehr: es<br />

geht darum, auf Streitigkeiten <strong>und</strong> Konflikte dasjenige Verfahren<br />

<strong>und</strong> diejenigen Methoden anzuwenden, die ganzheitlich, effektiv,<br />

ressourcensparend, kostengünstig <strong>und</strong> vor allem auch die Beziehung<br />

wahrend eine Lösung bewirken können. Dem Prozess,<br />

innerhalb dessen ein Konflikt gelöst bzw. ein Streit geschlichtet<br />

wird, fällt damit eine große, entscheidende Funktion zu. So ist im<br />

Verständnis um eine umfassende <strong>und</strong> nachhaltige Streitschlichtung<br />

bzw. Konfliktlösung (ADR = alternative/appropriate dispute<br />

resolution 8 ) die Strukturierung des Verfahrens (Verfahrensmanagement)<br />

eines der wesentlichen Aufgaben bei der Konfliktlösung,<br />

wobei die flexible Anwendung von ganz unterschiedlichen<br />

Konfliktlösungsverfahren <strong>und</strong> einzelnen Strukturmerkmalen die<br />

Möglichkeit <strong>und</strong> damit die Wahrscheinlichkeit erhöht, zu einer<br />

Lösung des Konfliktes zu kommen. 9<br />

Dabei sei an dieser Stelle bereits auf einen der großen Irrtümer<br />

über Mediation hingewiesen. Denn es gibt nicht nur ein einziges<br />

Verfahren zur Streitschlichtung <strong>und</strong> Konfliktlösung; das Mediationsverfahren<br />

ist nur eines von vielen Verfahren <strong>und</strong> Methoden<br />

der ADR; daneben gibt es eine Vielzahl von Konfliktlösungs- <strong>und</strong><br />

Streitschlichtungsverfahren, deren gezielte Anwendung <strong>und</strong> gezielte<br />

Mischung gute Chancen haben, eine außergerichtliche<br />

Lösung eines Konfliktes oder Streites zu befördern, sofern der<br />

ernsthafte, wirkliche Wille <strong>für</strong> eine Klärung vorhanden ist. 10 Leider<br />

beschränkt sich das vermittelte Wissen üblicherweise auf das<br />

Mediationsverfahren. Gegenstand muss aber die ADR mit ihren<br />

unterschiedlichen Methoden <strong>und</strong> Verfahren sein 11 .<br />

2. Wertschöpfung<br />

Wendet man also die effektiven Verfahren <strong>und</strong> Methoden an <strong>und</strong><br />

erhöht dadurch die Chance <strong>für</strong> eine Einigung bzw. Erledigung, so<br />

könnte man die Suche nach Lösungen hin zu sog. Win-Win-Situations<br />

nutzen, um gemeinsam bessere Ergebnisse zu erarbeiten<br />

als im ressourcen- <strong>und</strong> kräfteraubenden Gegeneinander. Dadurch<br />

besteht die Chance, Ergebnisse qualitativ <strong>und</strong> quantitativ weiter<br />

zu verbessern. Es geht also nicht nur um Methodik, Dogmatik<br />

<strong>und</strong> Effektivität, sondern auch um Verbesserung der Ergebnisqualität<br />

– es geht somit auch um Wertschöpfung.<br />

3. Handlungskompetenz<br />

Um den beruflichen Herausforderungen gerade in leitenden Positionen<br />

gerecht werden zu können, soll die fachliche Qualifikation<br />

um soziale <strong>und</strong> methodische Kompetenzen ergänzt werden.<br />

Durch das Vernetzen von fachlicher, sozialer <strong>und</strong> methodischer<br />

Kompetenz soll die eigentliche Handlungskompetenz entstehen. 12<br />

8 Unter Praktikern steht das Akronym ADR auch <strong>für</strong> avoiding disastrous results.<br />

9 Ehler, BB 2010, 702, 703 f.; Ehler, RAK Thüringen 01/2011, S. 11 f..<br />

10 Ehler, BB 2010, 702, 704; s. a. Eberl-Borges, ZErb 2010, 255 ff..<br />

11 ADR wird auch als umbrella term bezeichnet.<br />

12 Faix/Laier, Soziale Kompetenz, 1991, S. 37; vgl. Trenczek/Berning/Lenz (Hrsg.)-Mayer, Mediation<br />

<strong>und</strong> Konfliktmanagement, 1. Auflage 2013, S. 87.<br />

III. Aspekt: Widerspruch von Anwendungshäufigkeit<br />

<strong>und</strong> Ergebnisqualität<br />

Eine Studie der Universität Viadrina (Frankfurt/Oder) hat einen<br />

interessanten Aspekt deutlich werden lassen, nämlich dass Gerichtsverfahren<br />

im Vergleich zur Mediation zwar als nachteilig<br />

empf<strong>und</strong>en werden (gerade im Hinblick auf Kosten <strong>und</strong> Grad der<br />

Einflussnahme auf das Ergebnis) <strong>und</strong> die Mediation demgegenüber<br />

als positiv gewertet wird, dennoch wird in der Realität viel<br />

häufiger das Gericht bemüht als der Mediator 13 . Anwendungshäufigkeit<br />

<strong>und</strong> Ergebnisqualität fallen weit auseinander. <strong>Die</strong>ser äußerst<br />

auffällige Widerspruch muss aufgelöst werden 14 !<br />

IV. Aspekt: BVerfG vom 14.02.2007<br />

In einer Entscheidung vom 14.02.2007 – 1 BvR 1351/01 15 hat das<br />

B<strong>und</strong>esverfassungsgericht deutlich gemacht, dass die Mediation<br />

bzw. Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung als probate<br />

<strong>und</strong> verfassungsgemäße Mittel zur Beschleunigung der Konfliktlösung,<br />

Förderung des Rechtsfriedens <strong>und</strong> Entlastung der Gerichte<br />

anerkannt werden.<br />

In dem Urteil ging es um die Verfassungsmäßigkeit der in § 10<br />

Gütestellen- <strong>und</strong> Schlichtungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

(i. V. m. § 15 a EGZPO) vorgesehenen Verpflichtung zur<br />

Durchführung eines außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens<br />

bevor staatliche Gerichte in Anspruch genommen werden können.<br />

Zitat aus dem Urteil des BVerfG: „Der möglichen Beeinträchtigung<br />

stehen hinreichende Vorteile <strong>für</strong> die Rechtsuchenden gegenüber.<br />

Im Erfolgsfalle führt die außergerichtliche Streitschlichtung<br />

dazu, dass eine Inanspruchnahme der staatlichen Gerichte wegen<br />

der schon erreichten Einigung entfällt, sodass die Streitschlichtung<br />

<strong>für</strong> die Betroffenen kostengünstiger <strong>und</strong> vielfach wohl auch schneller<br />

erfolgen kann als eine gerichtliche Auseinandersetzung. Führt<br />

sie zu Lösungen, die in der Rechtsordnung so nicht vorgesehen sind,<br />

die von den Betroffenen aber - wie ihr Konsens zeigt - als gerecht<br />

empf<strong>und</strong>en werden, dann deutet auch dies auf eine befriedende<br />

Bewältigung des Konflikts hin. Eine zunächst streitige Problemlage<br />

durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in einem<br />

Rechtsstaat gr<strong>und</strong>sätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen<br />

Streitentscheidung.“<br />

V. Aspekt: Bereits in Kraft befindliche gesetzliche Regelungen<br />

des Hier <strong>und</strong> Heute<br />

Es existiert bereits eine Vielzahl von Rechtsnormen, die eine „Verhandlung<br />

mit dem Ziel einer Einigung“ vorsehen.<br />

Auf nur eine sehr wichtige Regelung, deren gesetzgeberischen Inhalt<br />

man sich bewusst machen sollte <strong>und</strong> den es schon seit Jahrzehnten<br />

gibt, sei hingewiesen: § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG: „Sie (Arbeitgeber<br />

<strong>und</strong> Betriebsrat) haben über strittige Fragen mit dem<br />

ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln <strong>und</strong> Vorschläge <strong>für</strong><br />

die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen.“ 16<br />

13 So das Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2005 der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)<br />

in Zusammenarbeit mit PricewaterhouseCoopers.<br />

14 S. a. die Nachfolge<strong>stud</strong>ie der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) in Zusammenarbeit<br />

mit PricewaterhouseCoopers aus dem Jahr 2007, welche leider lediglich auf einer Datenbasis von<br />

nur 17 Rückläufern von befragten Unternehmen erfolgte, die im Übrigen nicht alle bereits an der<br />

Studie von 2005 teilgenommen haben.<br />

15 ZKM 2007, 128 ff..<br />

16 Ehler, BB 2010, 702, 703; Ehler, BB 2000, 978, 980.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 3 / 2013<br />

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