STZ No. 7-1 - StadtZeit Kassel
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Lebenslänglich?!<br />
"Was Hänschen nicht lernt,<br />
lernt Hans nimmermehr", sagt das<br />
deutsche Sprichwort so schön.<br />
Dem wird heutzutage von hochoffizieller<br />
Seite heftig widersprochen.<br />
„Lernen hört nach Schule, Ausbildung<br />
oder Studium nicht auf, denn<br />
Lernen ist das wesentliche Werkzeug<br />
zum Erlangen von Bildung<br />
und damit für die Gestaltung individueller<br />
Lebens- und Arbeitschancen“<br />
titelt das Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung.<br />
„Lebenslanges Lernen heißt das<br />
Schlüsselwort, wenn man auf dem<br />
Arbeitsmarkt mithalten, einen Berufs-<br />
oder Schulabschluss nachholen<br />
oder sich einfach nur weiterbilden<br />
will.“<br />
Siebenhundertsechzigtausend Ergebnisse<br />
in 0,21 Sekunden zählt<br />
Google, gibt man besagtes Stichwort<br />
ein, unter das die Redaktion<br />
die folgenden Sonderseiten gestellt<br />
hat.<br />
Statt im weltweiten Netz, haben<br />
wir uns in der Region umgeschaut<br />
und waren absolut positiv überrascht<br />
von der Vielfältigkeit unserer<br />
Bildungslandschaft jenseits der<br />
klassischen Schulausbildung.<br />
Die Redaktion bedankt sich für die<br />
freundliche Kooperation zwischen<br />
allen beteiligten Bildungseinrichtungen<br />
und Institutionen, mit deren<br />
Unterstützung unsere Sonderveröffentlichung<br />
„Lebenslanges<br />
Lernen“ ermöglicht wurde.<br />
Lasst uns lernen!<br />
Lebenslang lernen –<br />
am besten ohne Belehrung<br />
Von Ariane Brena<br />
Menschen können nicht nicht lernen.<br />
Unentwegt legt unser Gehirn<br />
neue Spuren an, vernetzt diese mit<br />
vorhandenen und vertieft alte Spuren,<br />
sofern wir sie benutzen. Am<br />
schnellsten geht das Lernen im Alter<br />
von 0 bis 17 Jahren. Danach wird Neues<br />
langsamer aufgenommen – aber<br />
nicht weniger gelernt! Genauigkeit,<br />
Sicherheit, kleinste Nuancen im schon<br />
Bekannten werden jetzt gelernt; man<br />
nennt das auch Erfahrung.<br />
Was haben Sie heute gelernt? Was<br />
haben Sie beobachtet? Kennen gelernt?<br />
Erkannt? Verstanden? Herausgefunden?<br />
Probiert? Geübt?<br />
Auch sogenannte „schlechte“ Gewohnheiten<br />
werden gelernt. Nicht<br />
nur beim Fitnesstraining oder beim<br />
neusten PC-Programm führt häufige<br />
Wiederholung zum Erfolg: Rauchen,<br />
dauerglotzen, sich selbst kritisieren,<br />
andere für eigenes Unglücklichsein<br />
verantwortlich machen – je regelmäßiger<br />
mensch das tut, desto besser<br />
„sitzt“ es dann.<br />
Also: Was haben Sie heute gelernt?<br />
Was haben Sie geübt – ob nun absichtsvoll<br />
oder „ungewollt“? Lernen<br />
geschieht nicht nur, wo jemand einer<br />
Lehrerin lauscht, ein Fachbuch studiert<br />
oder e-learnt. Nur etwa 5 % dessen,<br />
was wir in einem Leben lernen,<br />
nehmen wir über bewusste Instruktion<br />
auf. 95 % lernen wir beiläufig,<br />
durch Probieren, Abgucken, Nachahmen,<br />
Mittun.<br />
Nebenbei gelernt<br />
Ein Beispiel: Die Muttersprache umgibt<br />
uns – schon als Fötus im Mutterleib<br />
hören wir sie – und wir verstehen<br />
lange, bevor wir sprechen können,<br />
fast alles, was gesagt wird. Das ist die<br />
ideale Umgebung um Sprechen zu<br />
lernen. Irgendwann beginnen wir damit<br />
von allein. Ganz ohne Unterricht<br />
und Test. Weil wir uns verständigen<br />
wollen, eignen wir uns die Sprache<br />
an. Lernen geschieht hier leicht, beiläufig,<br />
spielerisch und höchst erfolgreich.<br />
Das Beispiel zeigt drei Voraussetzungen,<br />
unter welchen Lernen leicht gelingt:<br />
Interesse – es muss für uns Sinn machen,<br />
etwas zu riskieren, zu probieren,<br />
zu üben. Für Kinder sind Sinn und<br />
Spaß, Lernen, Arbeit und Spiel noch<br />
ein und dasselbe. Wenn Erwachsene<br />
aus freien Stücken etwas lernen, das<br />
ihnen Freude macht, kann das so bleiben!<br />
Vorbilder – „So wird das gemacht, so<br />
kann man das machen:“, für dieses<br />
Abschauen und Mittun gibt es keinen<br />
Ersatz. Ob es um Sprache, Ernährung,<br />
den Umgang mit sich selbst und anderen,<br />
mit Geld oder mit der Liebe<br />
geht: Vorbilder prägen uns. Und auch<br />
das im „Guten“ wie im „Schlechten“.<br />
Sprachen-Lernende sollten sich Unterricht<br />
bei MuttersprachlerInnen suchen!<br />
Eine sichere und anregende Umgebung.<br />
In jedem Alter will mensch sicher<br />
sein, beim Ausprobieren, Erforschen,<br />
(Er)finden von Lösungen und<br />
beim Training nicht ständig eingeschränkt,<br />
nicht verlacht oder anderweitig<br />
verletzt zu werden. „Nur was<br />
schief gehen darf, kann richtig gut<br />
werden.“, sagt der Hirn- und Lernforscher<br />
Manfred Spitzer. Lernen bedeutet<br />
Tun und Erleben, Riechen, Schmecken<br />
und Fühlen. Kochen, konstruktive<br />
Konfliktlösung und Fahrrad Fahren<br />
lernt man nicht am Fernseher!<br />
Lernen und Pauken sind zweielei<br />
Warum wird in den meisten Schulen<br />
noch immer versucht, Lernen durch<br />
Lehrbücher, Vortrag, vorgefertigte<br />
Übungen zu fördern? Als ob Lernen<br />
Aufsaugen von Eingetrichtertem sei,<br />
das auf Knopfdruck wieder ausgespuckt<br />
wird? 95 % des auf diese Art<br />
Gelernten vergessen wir wieder. Als<br />
Erwachsene müssen wir erst wieder<br />
verlernen, wie wir in der Schule gelernt<br />
haben. Weil wir Lernen mit Pauken<br />
verwechselten, entwickelten wir<br />
Unselbstständigkeit, Unlust und<br />
Scham. Schlechte Gewohnheiten, die<br />
wir alle gelernt haben.<br />
Verlernen wir sie!<br />
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