LUFTWAFFEN - Netteverlag
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GESCHICHTE<br />
einen Konflikt vorbereitet“, berichtet er.<br />
Glücklicherweise stellte sich schnell eine<br />
gewisse Routine ein. War sie erst einmal<br />
über Schleswig- Holstein aufgetaucht,<br />
flog die SR-71 entweder über die Ostsee<br />
weiter in Richtung Leningrad (Route Nr.<br />
2) oder sie nahm die deutsch-deutsche<br />
Grenze ins Visier (Route Nr. 5). Cholod:<br />
„Die Nato-Flieger zogen ruhig ihre Bahnen.<br />
Wir haben sogar deren Flugzeiten<br />
studiert.Da sie im August Urlaub hatten,<br />
gab es zu dieser Zeit nur wenig Flüge.“<br />
Trotzdem ließen sich gefährliche Zwischenfälle<br />
nicht vermeiden. Wie aus einem<br />
soeben veröffentlichten Buch von<br />
A. F. Agarew, K.-P. Kobbe, R. Großer<br />
und I.W. Sisowa hervorgeht, hatte die<br />
sowjetische Bodenleitstelle die extrem<br />
hohe Geschwindigkeit einer MiG einmal<br />
falsch eingeschätzt – immerhin legte sie<br />
in der Minute 50 Kilometer zurück – und<br />
der Pilot kriegte die Kurve erst über dem<br />
dänischen Kopenhagen. Ein anderer flog<br />
aus Versehen direkt auf den US-Aufklärer<br />
zu und geriet auf das Territorium<br />
der Bundesrepublik. In solchen Fällen<br />
setzte es dann diplomatische Protestnoten.<br />
Aber auch die Amerikaner schnitten<br />
auf ihrem rasanten Flug hin und wieder<br />
notgedrungen ein Stück DDR-Grenze ab.<br />
Burghard Keuthe hat beim Flugabwehrraketenregiment<br />
13 der NVA in Parchim<br />
(Mecklenburg-Vorpommern) zahlreiche<br />
solcher „Blackbird“-Flüge persönlich<br />
miterlebt.<br />
„Die kam immer aus Richtung 330 Grad,<br />
aus Nordwest“, sagt er. „Sie flog uns direkt<br />
an und im Raum Kiel entschied sich,<br />
auf welche Strecke sie einbog, nach Leningrad<br />
oder nach Süden.“ Er hatte auch<br />
die russischen MiGs auf seinem Schirm<br />
und weist Behauptungen zurück, diese<br />
hätten die SR-71 aus technischen Gründen<br />
gar nicht abfangen können: „Wir<br />
haben ja mit eigenen Augen gesehen,<br />
wie die da ranflogen!“ Armin Schulz,<br />
damals Jägerleitoffizier in Kolkwitz bei<br />
Cottbus, erinnert sich an eine wirklich<br />
brenzlige Situation. Üblicherweise flogen<br />
die Jets direkt auf Thüringen zu, um dann<br />
in einer großen Linkskurve abzudrehen.<br />
Dieser eine Pilot aber behielt seinen Kurs<br />
eisern bei. Schulz: „Junge, dachte ich,<br />
mach die Kurve! Zehn Sekunden, 20<br />
Sekunden – und das mit 3500 Stundenkilometern!<br />
Der kratzt die Grenze an!“<br />
Schließlich sah er keine Alternative, als<br />
eine Raketenstellung feuerbereit zu machen.<br />
20 Sekunden hätten sie jetzt noch<br />
bis zum Start gebraucht. Genau diese 20<br />
Sekunden war die Welt noch von einer<br />
möglichen kriegerischen Auseinandersetzung<br />
entfernt. In diesem Moment bog<br />
der Amerikaner ab.<br />
Von den 32 insgesamt gebauten SR-71<br />
stürzten zwölf ab, abgeschossen wurde<br />
jedoch keine einzige. Ende 1989 startete<br />
die letzte Maschine aus England, 1998<br />
wurde das gesamte Programm eingestellt<br />
und durch Satellitenaufklärung ersetzt.<br />
Einige Maschinen stehen heute in Museen.<br />
Die russischen Streitkräfte hatten ihre<br />
MiG-25 ebenfalls 1989 aus Finow abgezogen,<br />
wegen der hohen Betriebskosten<br />
wurden die meisten inzwischen ausgemustert.<br />
A. F. Agarew, K.-P. Kobbe,<br />
R. Großer,I. W. Sisowa:<br />
An der Verteidigungslinie<br />
– Das Schicksal eines Menschen im Kontext<br />
des Kalten Krieges. Rjasan (Russland),<br />
2013. Mehr Infos zum Buch finden<br />
Sie auf Seite 30.<br />
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