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Printversion vergriffen: Freier Download BA 55 als PDF - Bad Alchemy

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Die direkte Bekanntschaft des Drummers<br />

LOU GRASSI mit der Sun Ra-Legende<br />

MARSHALL ALLEN geht zurück auf<br />

dessen PoZest-Gastspiel 1999 bei<br />

Grassi‘s PoBand. Auf Einladung des Festivaldirektors<br />

Ajay Heble kamen die beiden<br />

2001 erneut zusammen, Live at The<br />

Guelph Festival (CJR 1192) in Ontario,<br />

nur drei Tage vor 9/11. Grassis Bruder<br />

entkam dem Crash der Twin Towers nur<br />

knapp und über dem familiären Schock<br />

geriet die Einspielung auf die lange Bank.<br />

Jetzt aber lässt sich mitverfolgen, wie der<br />

dam<strong>als</strong> 77-jährige Altosaxophonist das<br />

Sax-Drums-Format, wie vorher bereits<br />

Braxton mit Max Roach bzw. Andrew Cyrille<br />

oder Lyons mit ebenfalls Cyrille, auskostet<br />

in jenem Geist der Freiheit, der<br />

das Legat von John Coltranes Weltraumspaziergängen<br />

mit Rashid Ali ist. Dabei<br />

genügt Allen, ähnlich wie Coltrane, schon<br />

banaler Stoff wie ‚When You Wish Upon a<br />

Star‘ und ‚Prelude to a Kiss‘ <strong>als</strong> Sprungbrett<br />

für seine Expressionen, neben drei<br />

Ausflügen ins Blaue. Ganz vorsichtig tasten<br />

sie sich auf die ‚Far Side‘ hinüber, Allen<br />

mit zarten Flötenlockrufen, Grassi mit<br />

klappernden Muscheln und weichem Fingerspiel.<br />

Allen ist kein Wild Man from Saturn,<br />

obwohl ihn manche wegen seiner<br />

Over-the-Top-Soli im Arkestra so einschätzen.<br />

Feuerspucken ist nur die ultima<br />

ratio musikalischer Totalität, deren<br />

Kugelform Grassi & Allen ausloten. Nur<br />

um ihre Unergründlichkeit bestätigt zu<br />

finden. In ‚Blues for Two‘ verwischt Allen<br />

den Unterschied zwischen träumerischen<br />

Tönen und aufgekratzt ekstatischen<br />

in einem Atemzug. Grassis Feinarbeit<br />

dazu hat etwas Tatzenförmiges. Seine<br />

tapsige, pelzige Manier, seine Zwischensprints<br />

mit trommelnden Pfoten<br />

sind unverwechselbar. Bei ‚The Spirit of<br />

the Day‘ schiebt er tickelnd einen Vorhang<br />

zur Seite und rührt dazu sein Tambour-Trommelchen.<br />

Allen schreitet hindurch,<br />

ein feinstoffliches Geistwesen,<br />

schrill und kapriziös, aufbrausend an der<br />

langen Kette, mit der Grassi rasselt, <strong>als</strong><br />

ob er andeuten wollte: Wehe, wenn ich<br />

loslasse. Im Ellington-Song gibt sich Allen<br />

schmusig, aber nicht ohne dass sein<br />

Temperament aufblitzt, vor allem wenn,<br />

wie beim abschließenden ‚Boma‘, Grassis<br />

Gerumpel ihn noch anstachelt.<br />

Adam Lanes Zero Degree Music-Trio mit Vinny<br />

Golia & Vijay Anderson hat am 25.2.2005,<br />

direkt im Anschluss an seine Spirit Room-Session,<br />

verstärkt mit dem Trompeter Paul Smoker,<br />

gleich auch noch <strong>als</strong> ADAM LANE<br />

QUARTET Buffalo (CJR 1193) eingespielt.<br />

Kein Wunder <strong>als</strong>o, dass erneut ‚Spin with the<br />

EARth‘ erklingt, ‚Without Being‘ und das hymnische<br />

‚Free‘. Smoker war schon in Lanes<br />

Fo(u)r Being(s)-Quartett aufgetaucht. Sein<br />

schmissiger Ton neben Golias Tenorsaxgeknatter<br />

verändert Lanes ganze Taktik. Zwei<br />

Stürmer erlauben völlig andere Spielzüge,<br />

verdoppeln den offensiven Charakter und ermöglichen<br />

Zangenangriffe. Theoretisch. Aber<br />

kaum hat Golia den Ball, tribbelt er drauflos<br />

und hört nicht mehr auf. Toll anzuhören, aber<br />

halt doch das Übliche, denn Smoker macht‘s<br />

umgekehrt genauso. Primadonnen und tüchtige<br />

Wasserträger. Zwei starke Trios, aber ein<br />

Quartett? Spannend wird es, wenn sich die<br />

Bläser überschneiden, erstm<strong>als</strong> nach 10 Minuten<br />

und das nur beim fliegenden Wechsel<br />

zum Trompetensolo. Das schon nach zwei Minuten<br />

von einem federnden Zupfbasssolo abgeschnitten<br />

wird. Die Bläser biegen synchron<br />

auf die Zielgerade ein, Golia bringt noch ein<br />

paar Verzierungen an und die Erdumdrehung<br />

ist komplett. Die Aufnahme ist im Unterschied<br />

zum idiosynkratischen O-Ton aus dem Spirit<br />

Room absolut bassfreundlich. Lanes Arcointro<br />

zu ‚Without Being‘ ist auch unter diesem<br />

Aspekt erstaunlich. Die Bläser intonieren diese<br />

Elegie anfangs gemeinsam und lenken den<br />

Blick dorthin, wo die Erde sich von uns wegkrümmt.<br />

Smokers schnattriges Zackenkammsolo<br />

ist eines aus dem goldenen Buch. Wenn<br />

Golia dann <strong>als</strong> Sopranolerche aufsteigt, ist<br />

immerhin der Kontrast so bemerkenswert,<br />

dass man die Plattenbauweise dieser Musik<br />

eine weitere Viertelstunde wie die Himmelsschraube<br />

von Samara anstaunt. Beim dunklen<br />

Memento ‚In Our Time‘ in seiner dröhnend kakophonen<br />

Konsonanz kehrt endlich Magie in<br />

diese Musik ein. Die sich aber mit dem abschließenden<br />

Uptempo-Ständchen ‚Lucia‘s<br />

First Breath‘ gleich wieder auf das hohe Niveau<br />

ihrer Routine eingroovt. Nicht dass ich<br />

glaube, dass man diese Musik besser spielen<br />

könnte und dass sie das Leben nicht angenehmer<br />

macht. Aber when it was all over I<br />

said to myself, is that all there is? If that's all<br />

there is my friends, then let's keep dancing.<br />

Let's break out the booze and have a ball. If<br />

that's all there is to magic music.<br />

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