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Printversion vergriffen: Freier Download BA 55 als PDF - Bad Alchemy

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Das FIMAV ist beispielhaft für die Suche nach der ‚Summe aller Töne‘.<br />

Diese Suche stellte 2006 Mike Pattons Projekte mit Fennesz, Rahzel<br />

und Zu neben das Mei Han Ensemble, das Nunavik Project von Think Of<br />

One und den extremen Noise Terror von BORBETOMAGUS & HIJO-<br />

KAIDAN. Die Saxophonisten Jim Sauter & Don Dietrich und Gitarrist<br />

Donald Miller pulverisieren seit 1979 die Schallmauer. Jojo Hiroshige<br />

versucht seit 1979, den Stillen Ozean auszusaufen. In Osaka wurden<br />

er und seine Crew beim Versuch, Hawkwind, Faust und vor allem die<br />

LAFMS-Freaks Airway japanisch zu überbieten, einer der Stammväter<br />

des Nippon-Noise. Seit 1982 intensiviert die Fluxus-gestählte Junko <strong>als</strong><br />

Screaming Banshee sein Gitarrengemetzel. Bei Both Noises End Burning<br />

(VICTO cd 106) brachten am 21.5.2006 noch die Tinnitus-Furie<br />

Nao Shibata, die ansonsten bei Doodles oder New Rock Syndicate<br />

trommelt, und der Bankangestellte Toshiji Mikawa mit seinen Mr. Incapacitants-Electronics<br />

die Luft zum Brennen. Die 7-stimmige Kakophonie<br />

vexiert, während das schon nach wenigen Sekunden durchgegrillte<br />

Gehirn nicht weiß, ob es implo- oder explodieren soll, zwischen Wall<br />

of White Noise - „monolith of sound“ hat Dietrich das mal genannt -<br />

und einem stechenden Beschuss mit Myriaden von Feuer- & Eisnadeln,<br />

einem furiosen Schwarm unablässig attackierender Mikrodämonen.<br />

Verursacher dieses Hirnsausens sind ältere Glatz- und<br />

Grauköpfe, bausbäckige Brillen- und BubikopfträgerInnen. Sie dienen<br />

den Godz of Noiz nicht in jugendlichem Übermut, sondern mit reiflicher<br />

Überlegung und hartnäckiger Treue zur Mission, einen zu zernichten,<br />

<strong>als</strong> ob man unter dem Niagarafall duschen würde. Decode,<br />

rewire, letztendlich in die Auferstehung jagen. Als Einzelquelle erkenntlich<br />

bleibt weitgehend nur die hoch gepitchte Stimme Junkos, die<br />

‚wie am Spieß‘ kläfft und kirrt und dabei oft mit den Saxophonen verschmilzt,<br />

wenn diese nicht mit Gummischlauch angeblasen werden<br />

und dabei einen dunkleren Ton annehmen. Dazwischen verklumpen<br />

sich die schrillen Lärmspuren zu einem konvulsischen Knäuel junger<br />

Raketenwürmer. Der rauschende Mahlstrom ihres Düsendonners wirkt<br />

wie ein Schwarzes Loch im Ocean of Sound, <strong>als</strong> ‚The Challenger<br />

Deep‘, der einen zu nihilieren droht oder verspricht. Und nach knapp<br />

72 Minuten nur Beifall erntet. Ich kann Stockhauses Kummer gut verstehn.<br />

Wenn Japaner dieses ‚Schwarze Loch‘ ansteuern, nennen sie das Psychedelia<br />

(die Lettern des bekanntesten Labels für japanischen Extremismus<br />

PSF stehn für Psychedelic Speedfreaks) oder <strong>Alchemy</strong> (so<br />

heißt Mikawas Label in Osaka). Von Außen wurde das interpretiert <strong>als</strong><br />

Ästhetik des Erhabenen oder Totalitären, <strong>als</strong> Sado-Masochismus oder<br />

Fetischismus, <strong>als</strong> Identifikation mit der Moderne <strong>als</strong> Aggressor oder<br />

terroristische Subversion gegen eben diesen Unterdrücker und Nihilierer.<br />

Nach Michel Henritzi geht es Noise-Musik um „losing control<br />

over oneself, about losing one‘s relationship to the world.“ Sie sei „a<br />

music of catharsis and hysteria“, die in erster Linie dem Lustprinzip<br />

gehorcht. Falls je Zustands- und Konsumkritik eine Rolle gespielt haben<br />

sollte, wurde sie längst selbst zur Konsumdelikatessware. Henritzi<br />

zufolge wurde daher die Phase des Experimentierens mit „saturation,<br />

overdrive and multiple stratifications“ abgelöst durch dekonstruktivistische<br />

Strategien, wie Otomo Yoshihides ‚Sampling Virus‘, und vor allem<br />

durch „a minimal aesthetic, working with the infinitesimal and the<br />

inaudible“ (Onkyo) [-> Japanese Independent Music, Sonore, 2001] Die<br />

Renaissance der Old School- und Overdrive-Phase (mit Keiji Haino und<br />

Merzbow <strong>als</strong> allgegenwärtigen Festival-Hoppern) kommt einigermaßen<br />

unverhofft. Und erklärt sich am ehesten durch die Quest nach der<br />

‚Summe aller Töne‘, die auf ein synergetisches All together now zu<br />

setzen scheint - SunnO))) + Haino + Wolf Eyes + Braxton + Patton + Zu +<br />

Hijokaidan + Borbetomagus... Free + Freak + Doom + Noise + Exotik...<br />

Alchemie für Maximalisten? Here come the Harvest Buns, A belly full<br />

for everyone.<br />

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