Printversion vergriffen: Freier Download BA 55 als PDF - Bad Alchemy
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TOCADO-RECORDS (Rotterdam)<br />
Keine Ahnung, wie die Tocado-Macher auf <strong>BA</strong><br />
gekommen sind. Sie stehen seit 1997 in Rotterdam<br />
ein für Blast-, Party- & Streetpunkrock, Hard-, Metal-<br />
& Emocore, Psychobilly und Jungsein, was eine<br />
gemeinsame Schnittmenge mit <strong>BA</strong> von Nullkommajosef<br />
ergibt. Doch halt, Acts wie Stöma oder Bruno<br />
and Robin schimpfen sich ‚avantgarde‘, Anderes<br />
wird <strong>als</strong> ‚alternative‘ oder ‚nu-wave‘ beworben.<br />
Hören wir einfach mal, was Sache ist:<br />
HARRY MERRY läuft unter Singer/Songwriter<br />
und die Songs seiner zweiten, nur 28-min. CD The<br />
Shunt (tocado 0043) gelten <strong>als</strong> ‚catchy‘. Vor allem<br />
hat Harry Merry einen Haarschnitt und einen Matrosenanzug,<br />
<strong>als</strong> ob er gerade mit Prinz Eisenherz<br />
gesegelt wäre. Knallige Op Art-Tapeten auf dem<br />
Cover geben seinen gesanglichen Eskapaden einen<br />
60s-Anstrich. Nichts Genuines, dafür sind die<br />
6 Songs zu meta, gleichzeitig käseorgel-trashig<br />
und sophisticated, grobmaschig und finessenreich,<br />
psychedelisch und parodistisch. So großspurig<br />
die Arrangements sind, so überkandidelt<br />
und rotznasig geben sich Harry Merrys Reim-dichoder-ich<br />
fress-dich-Lyrics: We sing and we swing a<br />
capella / Under the Venus-umbrella / With pictures<br />
of Barbarella / Her favourite magazine is Ella. So<br />
waren sie, die Swinging 60s, garantiert.<br />
Julie Scott ist die alleinige Songschreiberin und<br />
Sängerin von CAN_OF_BE. Zusammen mit dem<br />
Keyboarder Roeland Drost, der früher bei De Kift<br />
gespielt hat, einer Herman van Veen-Ausgabe von<br />
The Ex, mit Mark van Dijk an der Gitarre, Drummer<br />
Lesley Strik und Jaco van der Maarel am Bass<br />
dreht sie bei Don Quichot (tocado 0046) heftig an<br />
der Pathosschraube. Dabei werden Gefilde gestreift,<br />
die man mit Namen wie Patti Smith und PJ<br />
Harvey verbinden kann, aber nicht muss. Dass<br />
Scotts allenfalls mit Heroin überzuckerte Lovetroubles<br />
nicht bloß rammdösig Gitarrenwände<br />
hoch ziehen, dafür sorgt, neben weiteren irritierende<br />
Einsprengseln, mit Cello und Singender<br />
Säge Jan Willem Troost, der ansonsten mit Amago<br />
Tango spielt. Das verhalten beginnende ‚Mistletoe‘<br />
wirkt gerade <strong>als</strong> ein gedämpfter und depressiver<br />
Moment besonders eindringlich.<br />
Wie Dutch Metalcore klingt, das lerne ich kennen<br />
mit Stainless (tocado 0047). Darauf kompiliert<br />
sind mit When All Life Ends, Mindscan und<br />
Drainlife drei Rotterdamer Bands, dazu Return<br />
To Reason und Until We Bleed aus Amsterdam,<br />
Facewreck aus Delft, Dominator aus Den Haag,<br />
Last Breath Denied aus Lisse und See My Solution<br />
aus Zwolle, allesamt live. Kein Klischee<br />
wird ausgelassen, was sicher auch das Schöne<br />
daran ist, jung und laut zu sein. Etwas verschämt<br />
krame ich nach meinen seit 10 Jahren nicht mehr<br />
gehörten Grind-Crushern von Earache. Und bin<br />
beruhigt. Metalcore ist ein Thema mit Variationen,<br />
die gegen unendlich gehen. Unkaputtbar, wie Jazz,<br />
und was da etwas streng riecht, ist nur Gouda.<br />
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