Printversion vergriffen: Freier Download BA 55 als PDF - Bad Alchemy
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6<br />
Dann Doppelpack, Nordwind und Südwind,<br />
verabredet zur gemeinsamen<br />
Himmelfahrt, im wirbelnden, fauchenden<br />
Miteinander. Die beiden Drummer<br />
kicken in sagenhaftem Rapport immer<br />
wieder ricochettierende Synchronzuckungen<br />
los, splittern kontrapunktisch<br />
auseinander, die beiden<br />
Bassisten gehen <strong>als</strong> Einzelkämpfer<br />
durchs Feuer, die beiden Saxophonisten<br />
prusten und röhren bis die Trommelfelle<br />
an der Schädeldecke kleben.<br />
Stop & Go <strong>als</strong> Blitzgewitter, dann wieder<br />
Headbangerriffs, die man nur<br />
zustimmend abnicken kann, alles bei<br />
furiosem Gegenwind, und plötzlich<br />
sind wir mitten in ‚State of Shock’ von<br />
The Ex! ROCK’N’ROLL!!! Fast hilflos<br />
wirft man sich ungläubige Blicke zu.<br />
Ist das zu fassen!? Zwischen soviel<br />
gleisender Hymnik und Intensität<br />
stimmt Gustafsson lyrische Töne an<br />
und transferiert einen Schockzustand<br />
in einen andern. Dann wieder Noise<br />
as Noise can, von Håker Flaten per<br />
Laptop, Gustafsson mit Effekten und<br />
Pupillo mit stechenden, bratzelnden<br />
Stromkabelstörungen gekitzelt. Und<br />
schon wieder piano, Nilssen-Love<br />
boingt seinen Gong, versetzt dem Becken<br />
sanfte Stüber, lässt Bronzestaub<br />
rieseln und Gustafsson macht sich<br />
weich und leicht wie eine sanfte Brise,<br />
während der Schweiß von seiner<br />
Stirn längst nicht mehr tröpfelt, sondern<br />
rinnt. Irgendwann sind wir bei<br />
der dritten Zugabe, mit mehr <strong>als</strong> nur<br />
heißen Händen. Und das Sextett hat<br />
noch ein launiges Zackzackzackspiel<br />
in petto, die Drummer klacken im<br />
Wechsel Beatfolgen an, versuchen<br />
sich zu f<strong>als</strong>chen Einsätzen zu provozieren,<br />
aber die Band interagiert wie<br />
telepathisch auf Draht. Und geht,<br />
wenn‘s am schönsten ist.<br />
Soviel für Nichtpathetiker.<br />
Für die andern noch ein Nachsatz:<br />
Unter NowJazz verstehe ich die Art<br />
von Jazz, die nicht schon oder noch<br />
Jazz IST, sondern der Prozess eines<br />
WERDENS, getrieben vom Willen, direkt<br />
am Herzen von Musik sich die<br />
Lippen zu verbrennen. Ein Herz, das<br />
vielleicht ein weißes Rauschen ist,<br />
oder ein schwarzes Feuer. The Thing<br />
und Zu sind Zarathustrier, sowohl im<br />
Sinne von ‚Feueranbeter‘ wie von<br />
Nietzsche‘anische Dionysiker. Wer<br />
sich fragt, wie es klingt, wenn ‚alle<br />
Lust Ewigkeit, tiefe, tiefe Ewigkeit will‘,<br />
der hätte im W71 eine mögliche Antwort<br />
zu hören bekommen.