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Printversion vergriffen: Freier Download BA 55 als PDF - Bad Alchemy

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7HINGS music (Edinburgh)<br />

Von Seven Things <strong>als</strong> Forum für exklusive mp3-<strong>Download</strong>s war bereits in <strong>BA</strong> 51 die<br />

Rede anlässlich von KOJI ASANOs Live in Glasgow, der 3. Veröffentlichung einer im<br />

März 2006 gestarteten Reihe, die inzwischen anderthalb Dutzend Angebote umfasst.<br />

Den Auftakt machte CHARLEMAGNE PALESTINE mit The Golden Mean, recorded live<br />

at the Music Lover‘s Field Companion Festival May 2005 in Gateshead. Chaim Moshe Tzadik<br />

Palestine spielte dabei zwei Pianos gleichzeitig wie andere Leute Doublebassdrum. Er<br />

wird manchmal <strong>als</strong> Minimalist geführt, aber nichts ist irreführender. Das Unikum aus<br />

Brooklyn ist ein Maximalist vor dem Herrn, der mit ausdauernd repetitivem Gehämmer<br />

die Welt erschüttert und Obertöne zum Schwingen bringt. So auch in Gateshead. Die aus<br />

den Pianos aufsteigenden Klänge ähneln eher dem Läuten von Alarmglocken und gehören<br />

zu den markantesten im musikalischen Pluriversum.<br />

Auf dem gleichen Festival wurde Nmpering Live mitgeschnitten. Das Duo NMPERING<br />

aus Bhob Rainey und Greg Kelley machte zurecht Furore in der Improszene durch seine<br />

Geräuschhaftigkeit, die ebenso radikal wie virtuos ihre Quellen, einfach nur Saxophon<br />

und Trompete, verwischt und einen oft zweifeln lässt, wie das alles ohne elektronische<br />

Hilfsmittel zugehen kann. Dieses spuckige, gepresste Zischen, dieses spukige Fauchen<br />

oder Knurren lassen alle Vorurteile gegen Plinkplonk vergessen. Hören wird unmittelbar<br />

zum gespannten Lauschen, zum Staunen, zum Abenteuer. Was wird sich in den nächsten<br />

Sekunden aus der Stille heraus schälen? Welcher Geist will sich hier manifestieren? Das<br />

ist gleichzeitig gothic und spiritualistisch.<br />

Magnetic Migration Music beschert mir meine erste Begegnung mit der schottischen<br />

Künstlerin ZOE IRVINE. Aus dem Mitschnitt einer Liveperformance mit Mark Vernon<br />

(Vernon & Burns, Hassle Hound) mischte sie einen neuen Soundtrack. Stoff lieferten ihr<br />

Tonbandschnippsel aus ihrem Found-Sound-Archiv, für das sie lose Bänder aus der ganzen<br />

Welt aufsammelte und wieder aufspulte. Nach einem dramatischen Opernauftakt<br />

wird der Trip über eine imaginäre Geographie aus Sprache und Sound surreal und märchenhaft.<br />

Irvine, zurecht verliebt in das Patina ihrer Fundstücke, schnitt und klebte, manipulierte<br />

die Geschwindigkeit und setzt so einen ebenso selt- wie unterhaltsamen Erzählstrom<br />

in Gang, 4/5 Musique concrète, 1/5 Hörspiel, zwar ohne die Tapebeatles-Verjuxtheit,<br />

aber dafür mit einem pathetischen Finale aus Allah ou akbare und ‚The Windmills<br />

of Your Mind‘.<br />

Gleich noch toller ist das Rebetika-Projekt der Unsounds-Partner YANNIS KYRIAKI-<br />

DES & ANDY MOOR. Aus alten Rembetiko-Scheiben, Computer- und Gitarrensounds<br />

lassen der zypriotische Elektroakustiker, der mit conSPIracy cantata, Spinoza (or I am<br />

not where I think myself to be), The Buffer Zone und Wordless in <strong>BA</strong> vorgestellt wurde,<br />

und der Londoner, seit 1990 von Amsterdam aus operierende Gitarrist einen alten europäischen<br />

Blues neu entstehen. Moor hat von seinem The Ex-Mutterschiff längst Explorerkapseln<br />

in unerschlossenes Gebiet ausgesandt, Kletka Red in Richtung Klezmer-Punk,<br />

Thermal (mit den Copiloten John Butcher & Thomas Lehn) in Richtung Free Impro, mit DJ<br />

Rapture bricht er in negrophonische Worldbeat- und Sampladelixzonen auf. Hier improvisiert<br />

er zur haschischumnebelten Emigrantentristesse der 1922 aus Kleinasien Vertriebenen,<br />

den schellackkonservierten Gesängen und Bouzoukiklängen, die Kyriakides knurschig<br />

rotieren lässt und elektronisch umspinnt. Migration Music zeigt ihre dunkle Seite.<br />

PETER DOWLING ist ein Elektroakustiker in Glasgow von einigem Renommee. Für<br />

Don‘t Touch Me! (I Hate You Sometimes) ließ er, live auf dem Le Weekend Festival 2005 in<br />

Stirling, aus Knacksern und dem Brummen eines Gitarrenverzerrerped<strong>als</strong> sein dröhnminimalistisches<br />

Noli me tangere entstehen, das lange wie von einer Totenuhr durchklopft<br />

wird. Das Klopfen wird zum Furzeln, das Brummen schwillt immer mehr an und wandert<br />

wummernd durch den Raum. Das Gefurzel beschleunigt zu trippelnden und kullernden<br />

Kobolden, zu platzenden, prasselnden Detonationen. Und in den zweiten 11 Minuten wird<br />

es erst richtig bewegt, mit Pustegeräuschen, mehreren motorischen Störsendern, zunehmend<br />

hektisch durcheinander laufenden Pulsen von unterschiedlicher Frequenz,<br />

plötzlich sogar streitenden Stimmen. Der Puls schlägt bis zum H<strong>als</strong>, die Nebennieren<br />

pumpen Adrenalin und nur mit Mühe kriegt Dowling seinen Stress wieder in den Griff.<br />

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