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retail 2/2013 - Wiener Zeitung

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etail___österreich<br />

Leiharbeit: Neues Gesetz<br />

macht sie teurer<br />

Der Handel in Österreich setzt Leiharbeiter nur zu Spitzenzeiten ein. Eine EU-Gesetzesnovelle<br />

gibt nun Anlass, den Einsatz von Zeitarbeitskräften noch genauer zu planen, denn mit dem<br />

1. Januar ist Leiharbeit teurer geworden.<br />

Wäre der „Fall Amazon“<br />

auch in Österreich<br />

möglich gewesen<br />

Niedrige Bezahlung, schlechte<br />

Unterbringung, Überwachung<br />

und Schikanen: Im Februar sorgte<br />

eine ARD-Dokumentation über die<br />

Wohn- und Arbeitsbedingungen von<br />

ausländischen Leiharbeitern beim<br />

Onlineversandhaus Amazon im deutschen<br />

Bad Hersfeld für Aufregung.<br />

Anfang Mai gestand das Unternehmen<br />

schließlich Mängel ein. „Da hätten<br />

wir genauer hinsehen müssen“, sagte<br />

der Deutschland-Geschäftsführer von<br />

Amazon, Ralf Kleber, der Süddeutschen<br />

<strong>Zeitung</strong>. In Österreich, so sind<br />

sich heimische Experten einig, ist ein<br />

„Fall Amazon“ eher unwahrscheinlich.<br />

„Ausgeschlossen ist so etwas natürlich<br />

nie. Aber die rechtlichen Bestimmungen<br />

in Österreich sind doch straffer.<br />

In Deutschland gibt es zum Beispiel<br />

keinen einheitlichen Kollektivvertrag<br />

für Leiharbeiter“, erklärt Walter<br />

Gagawczuk, Arbeits- und Sozialrechtsexperte<br />

der Arbeiterkammer. Zudem<br />

gäbe es in Österreich das Anti-Sozialund<br />

Lohndumpinggesetz. Trenkwalder-Geschäftsführer<br />

Klaus Lercher<br />

sieht in Österreich keinen Bedarf für<br />

derart viele Leiharbeitskräfte wie bei<br />

Amazon: „Es gibt in Österreich keine<br />

Unternehmen, die eine derart gebündelte<br />

Zahl an Leiharbeitern beschäftigen.<br />

Die Ausgangslage ist schlicht<br />

eine andere.“ UNITO-Geschäftsführer<br />

Harald Gutschi ist überzeugt, dass<br />

der flexiblere heimische Arbeitsmarkt<br />

Missbrauch verhindert. „Österreich<br />

hat einen flexibleren Arbeitsmarkt mit<br />

wenigen Arbeitslosen. Das führt auch<br />

dazu, dass es wenig Anreiz gibt, bestehende<br />

Regelungen zu dehnen oder<br />

gar zu umgehen.“<br />

Leiharbeit hat in den letzten Jahrzehnten<br />

einen rasanten Aufschwung<br />

erlebt. Waren in Österreich<br />

im Jahr 2000 noch 30.000<br />

Arbeitskräfte als Leiharbeiterinnen<br />

und Leiharbeiter im Einsatz, so waren<br />

es 2012 bereits 80.000. Das entspricht<br />

rund einem Prozent der unselbstständig<br />

Beschäftigten. In Deutschland liegt<br />

die Zahl mit 900.000 Leiharbeitern, die<br />

etwa drei Prozent der sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigen ausmachen<br />

höher, ist aber seit Anfang 2012 rückläufig,<br />

wie es bei der deutschen Bundesagentur<br />

für Arbeit heißt. Insgesamt<br />

sind in Österreich im vergangenen<br />

Jahr rund 250.000 Leiharbeitsdienstverhältnisse<br />

zustande gekommen. Mit<br />

nur 5.000 Zeitarbeitern beschäftigt der<br />

Handel eine eher geringe Anzahl geliehener<br />

Kräfte, in der Industrie sind es<br />

30.000. Die meisten der im Handel tätigen<br />

Zeitarbeiter, rund 1.500, sind für<br />

eine Dauer von sechs bis zwölf Monaten<br />

im Einsatz. Die zweitgrößte Gruppe,<br />

etwas mehr als 1.000 Arbeitskräfte,<br />

ist maximal einen Monat lang für ein<br />

Handelsunternehmen tätig. Knapp 950<br />

Personen sind länger als ein Jahr bei<br />

einem Händler beschäftigt. Branchenübergreifend<br />

gilt: Leiharbeit ist in Österreich<br />

männlich, nur ein Drittel der<br />

Leiharbeiter ist weiblich.<br />

Einsatz bei Auftragsspitzen sinnvoll<br />

„Das Thema Leiharbeit kommt erst<br />

langsam im Handel an, ein starker<br />

Anstieg der Zahlen ist in den nächsten<br />

Jahren nicht zu erwarten“, erklärt<br />

René Tritscher, Geschäftsführer der<br />

Bundessparte Handel der Wirtschaftskammer<br />

Österreich. Das Konzept der<br />

Leiharbeit, das Flexibilität und den<br />

kurzfristigen Einsatz bei Auftragsspitzen<br />

ermöglicht, ist jedoch bei bestimmten<br />

Tätigkeitsfeldern auch für<br />

den Handel eine zunehmend interessante<br />

Option. „Wir setzen rund zehn<br />

Prozent Leiharbeiter ein, vorwiegend<br />

in der Logistik und im Callcenter“,<br />

so Harald Gutschi, Sprecher der Geschäftsführung<br />

bei der UNITO Versand-<br />

und Dienstleistungen GmbH.<br />

„Für uns ist Zeitarbeit besonders zu<br />

Weihnachten und zu Beginn einer<br />

neuen Modesaison eine gute Option“.<br />

Vor allem in Bereichen mit kurzer Anlerndauer<br />

wie etwa im Lager sei der<br />

Einsatz von Leiharbeitern sinnvoll. Die<br />

Beschäftigungszeit erstreckt sich dabei<br />

von wenigen Wochen bis hin zu mehreren<br />

Monaten.<br />

Für Gutschi ist es wichtig, dass die<br />

Anzahl von Stammpersonal und Zeitarbeitskräften<br />

ausgewogen bleibt: „Wir<br />

halten maximal 25 Prozent Leiharbeiter<br />

für eine sinnvolle Grenze, damit<br />

Integration und Kontinuität gewährleistet<br />

bleiben.“<br />

Flexibel, aber nicht<br />

unbedingt günstiger<br />

In Österreich wurde die Leiharbeit<br />

mit dem Arbeitsüberlassungsgesetz<br />

1988 auf eine rechtliche Basis gestellt.<br />

„Österreich hatte mit diesem juristischen<br />

Rahmen eine Vorreiterrolle in<br />

Europa“, erklärt Karl Piswanger vom<br />

Personalconsultingunternehmen Pendl<br />

& Piswanger, einem Preferred Partner<br />

des Handelsverbands. Seit 1. Jänner<br />

<strong>2013</strong> gilt nun die in heimisches Recht<br />

gegossene EU-Leiharbeiterrichtlinie<br />

als Gesetzesgrundlage. Durch diese<br />

Novelle wurden die Bedingungen<br />

für Leiharbeit jenen des angestellten<br />

Stammpersonals in Unternehmen an-<br />

30___2/<strong>2013</strong>

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