1 SPIELZEIT 06/07 Materialien zu NUR NOCH ... - Theater Ulm
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<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> <strong>NUR</strong> <strong>NOCH</strong> HEUTE <strong>Materialien</strong><br />
heraus, sie macht ihm Vorwürfe, verzeiht ihm, unterstellt ihm, dass er nur<br />
gekommen ist, um Stoff <strong>zu</strong> finden (er ist offensichtlich Schriftsteller).<br />
Die vierte Geschichte schließlich ist der Monolog von Jeff, einem geschiedenen<br />
Mann. Er ist verschuldet, weil er seinem Bruder viel Geld geliehen hat, und darüber<br />
hinaus auch Verpflichtungen gegenüber seiner Mutter und seinen Kindern<br />
nachkommen muss. Sein Leben scheint aufopferungsvoll, er wird <strong>zu</strong>m<br />
Sympathieträger, was dadurch wieder qualifiziert wird, dass wir im Laufe seines<br />
Monologs von seinem Alkoholismus und seiner Gewalttätigkeit hören.<br />
MATERIALIEN ZU <strong>NUR</strong> <strong>NOCH</strong> HEUTE<br />
Der Titel einer bekannte Kurzgeschichte von Raymond Carver, die die Grundlage <strong>zu</strong><br />
zwei Szenen in <strong>NUR</strong> <strong>NOCH</strong> HEUTE bildet, lautet: „Wovon wir reden, wenn wir von<br />
Liebe reden.“ Diese Phrase fasst das Thema des Stücks prägnant <strong>zu</strong>sammen: Es<br />
geht um Menschen Ende dreißig, Anfang vierzig, deren Beziehungen gefährdet,<br />
zerbrochen oder in Frage gestellt sind. Statt dieser bekannten Kurzgeschichte habe<br />
ich mich entschieden, die weniger bekannte, posthum veröffentlichte Geschichte<br />
„Ruf mich an, wenn du mich brauchst“ von Raymond Carver in die<br />
<strong>Materialien</strong>sammlung auf<strong>zu</strong>nehmen. Sie bildet die Grundlage für die Szenen von<br />
Mary und Robert in <strong>NUR</strong> <strong>NOCH</strong> HEUTE.<br />
Wenn die Figuren im Stück über sich, über ihre Beziehungen sprechen, so tun sie<br />
das meist indirekt, sie sprechen lieber übers Angeln, die Aussicht, die<br />
Geldschwierigkeiten. Die Vermeidungsstrategien ihres Diskurses sind gerade in der<br />
amerikanischen Literatur nicht ohne Vorläufer. Ich habe eine Kurzgeschichte von<br />
Ernest Hemingway „Hügel wie weiße Elefanten“ (im Original und in Überset<strong>zu</strong>ng) in<br />
die <strong>Materialien</strong>sammlung <strong>zu</strong> <strong>NUR</strong> <strong>NOCH</strong> HEUTE aufgenommen, um eine solche<br />
„historische“ Parallele vor<strong>zu</strong>schlagen. Hemingway, der natürlich auch <strong>zu</strong> den großen<br />
Mentoren von Raymond Carver zählt, lässt hier genauso wie Carver und Harbeke<br />
seine Figuren konsequent das eigentliche Thema aussparen. Alkohol hilft ihnen,<br />
unbequeme Fragen <strong>zu</strong> stellen – und Alkohol fließt hier wie dort reichlich. Nur<br />
Antworten findet man auch auf dem Grund der Ginflasche keine.<br />
An dieser Stelle muss auch die Verknüpfung mit der Biographie von Raymond Carver<br />
erwähnt werden, der in weiten Teilen seiner Stories wohl durchaus eigene<br />
Erfahrungen verarbeitet. Carver war jahrelang Alkoholiker und zweimal verheiratet –<br />
ständig wiederkehrenden Attribute in der Welt seiner Figuren. Ich habe ein<br />
Biographisches Essay über den Autor ins Deutsche übersetzt und ebenfalls den<br />
<strong>Materialien</strong> beigegeben.<br />
Die Situationen der Paare und der einzelnen Partner gleichen sich in ihrer<br />
Machtlosigkeit, ihrer Lähmung gegenüber der Unmöglichkeit, individuelles Glück in<br />
einer Beziehung <strong>zu</strong> finden. Hier liegt eine Verbindung <strong>zu</strong> dem Film „Der Untergang<br />
des Amerikanischen Imperiums“, aus dem ich einen Teil des Dialoges transkribiert<br />
habe. Zum allgemeinen gesellschaftlichen Kontext, nämlich <strong>zu</strong>r Geschichte der<br />
Institution Ehe und <strong>zu</strong>m Trend <strong>zu</strong>r Single-Dasein, informieren zwei weitere Texte.<br />
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