1 SPIELZEIT 06/07 Materialien zu NUR NOCH ... - Theater Ulm
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<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> <strong>NUR</strong> <strong>NOCH</strong> HEUTE <strong>Materialien</strong><br />
⋅ sich ausrechnen, wie viel Steuern, Miete und Lebenshaltungskosten sie in einer Ehe<br />
sparen;<br />
⋅ wie ihre Großeltern denken: Als Mann suchen sie eine Hausfrau, als Frau einen<br />
Versorger;<br />
⋅ gern wissen wollen, wem sie einst ihre aufgehäuften Reichtümer vererben werden;<br />
⋅ die tatsächlich die große Liebe ihres Lebens fanden. [...]<br />
Die Ideale der Singles prägen auch die bestehenden Partnerschaften. Mehr als<br />
früher versuchen Männer und Frauen im Zusammenleben individuelle Freiräume <strong>zu</strong><br />
erhalten. Wer das nicht respektieren kann, wer „klammert“, muss damit rechnen,<br />
bald wieder allein <strong>zu</strong> sein.<br />
Die Folgen sind ab<strong>zu</strong>sehen: Nach mehrfachem Scheitern stürzt sich der<br />
Vereinsamte in Ersatzbeschäftigungen. Arbeit bis <strong>zu</strong>m Umfallen, auch abends und an<br />
den Wochenenden. Wohltätigkeit für Bekannte und anonyme Organisationen, um Lob<br />
für seine Selbstlosigkeit <strong>zu</strong> ernten. Eine Fülle von Freizeitaktivitäten nach<br />
Terminkalender, ein Hasten von Höhepunkt <strong>zu</strong> Höhepunkt, nur nicht einen Moment<br />
<strong>zu</strong>r Besinnung kommen! Bis eines Tages der Burn-out – die totale Erschöpfung –<br />
alle Tätigkeiten stoppt.<br />
Der Begriff „Burn-out“ tauchte Ende der siebziger Jahre in den USA auf, um ein<br />
neues Krankheitsbild <strong>zu</strong> bezeichnen, das vor allem unter Angehörigen pflegender<br />
Berufe – Ärzte, Sozialarbeiter, Krankenschwestern – gehäuft auftrat. Es ist ein<br />
Zustand innerer Erschöpfung, der mit depressiven Stimmungen einhergeht, welche<br />
die Betroffenen meist mit Alkohol und Tabletten bekämpfen, was auf Dauer die<br />
Depression noch vertieft. Der Ablauf ist in der Regel der folgende:<br />
1. Mit Überengagement und Arbeitswut versuchen die Betroffenen, vor sich<br />
selbst die dämmernde Erkenntnis <strong>zu</strong> verbergen, dass ihr Beruf ihnen nicht<br />
den Sinn ihres Lebens <strong>zu</strong> liefern im Stande ist.<br />
2. Sobald nicht mehr <strong>zu</strong> leugnen ist, dass ihr Bemühen nicht die erwarteten<br />
Erfolge brachte, folgt eine Phase der Desillusionierung. Die Arbeitseinstellung<br />
wandelt sich von Eifer <strong>zu</strong> Widerwillen und Verdruss. Auf hohe<br />
Beanspruchungen reagieren sie von nun an mit Hilflosigkeit, aggressiven<br />
Ausbrüchen oder Depression.<br />
3. Es wird nur noch das absolut Notwendige getan. Alkohol und Medikamente<br />
betäuben. Fehlzeiten häufen sich. Das verstärkt den Eindruck, erfolglos <strong>zu</strong><br />
sein. Am Ende steht Verzweiflung, manchmal sogar ein Selbstmordversuch.<br />
Wer sich engagiert, nicht um des Engagements willen, sondern um das Gefühl<br />
privaten Versagens <strong>zu</strong> kompensieren, ist besonders gefährdet. Irgendwann bricht<br />
das Gefühl der inneren Leere mit doppelter Härte durch. Egal, ob es gelingt,<br />
lebenslang die Selbsttäuschung aufrecht<strong>zu</strong>erhalten, oder ob irgendwann der<br />
Zusammenbruch kommt – es ist diese Gruppe von Singles, die die Statistik von<br />
Lebenserwartung und Gesundheit nach unten drückt.<br />
Die Lösung besteht nicht in einer Flucht in irgendeine Ehe. (Burn-out kommt<br />
ebenso unter Verheirateten vor.) Vielmehr muss der Betroffene lernen, mit sich<br />
selbst Freundschaft <strong>zu</strong> schließen. Wer ständig die Anerkennung von anderen<br />
braucht, um sich wertvoll und glücklich <strong>zu</strong> fühlen, wird leiden, wenn diese<br />
Bestätigung ausbleibt. Das ist ein Zeichen für einen Mangel an Selbstliebe. Erst<br />
dadurch wird das Gefühl der Vereinsamung übermächtig.<br />
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