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1 SPIELZEIT 06/07 Materialien zu NUR NOCH ... - Theater Ulm

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<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> <strong>NUR</strong> <strong>NOCH</strong> HEUTE <strong>Materialien</strong><br />

Männern in der Schweiz lag zwischen 27 und 29 Jahren, was angesichts der damalig<br />

tiefen Lebenserwartung schon ein recht hohes Alter war.<br />

Der Weg <strong>zu</strong> einer liberalen Ehegesetzgebung war in der Schweiz sehr lang. Erst 1821<br />

schlossen zehn Kantone ein Konkordat ab, das den Abschluss konfessionell<br />

gemischter Ehen erlaubte. Gesamtschweizerisch fiel das Verbot von konfessionellen<br />

Mischehen erst 1850. Noch länger, bis 1874, dauerte es, bis das Recht auf<br />

Eheschliessung voll verankert war und die Zivilehe eingeführt wurde. Das Eherecht<br />

blieb jedoch einer patriarchalen Ordnung verpflichtet. Auch gemäss revidiertem<br />

Eherecht von 1912 war der Ehemann das Oberhaupt der Familie und besass<br />

beispielsweise das Recht, seiner Frau eine ausserhäusliche Erwerbstätigkeit <strong>zu</strong><br />

verbieten.<br />

DURCHBRUCH DER LIEBESEHE. Auch wenn es lange dauerte, bis sich die<br />

«bürgerliche Liebesehe» (mit ihrer Dreieinigkeit von Liebe, Ehe und Sexualität)<br />

tatsächlich in weiteren Bevölkerungskreisen durchsetzte, hatte dieses Ehemodell<br />

einige unwiderrufliche Konsequenzen: So nahm der Einfluss der Eltern und übrigen<br />

Verwandten auf die Partnerwahl weiter ab. Liebe lässt sich nicht befehlen, und wenn<br />

eine Ehe auf Liebe gegründet wird, muss die Wahl des Ehepartners der jungen<br />

Generation überlassen werden. Die Eheschliessung, aber auch das Eheleben,<br />

wurden immer mehr <strong>zu</strong>r «Privatsache» der Beteiligten. Damit ging der Einfluss der<br />

Kirchen immer stärker <strong>zu</strong>rück.<br />

Eine zweite Folge der Liebesehe war, dass die Stellung junger Frauen gegenüber<br />

jungen Männern gestärkt wurde. Die Männer mussten um die Frau «werben». Auch<br />

nach der Heirat musste sich der Mann um die Zuneigung seiner Gattin «bemühen».<br />

Eine Liebesehe ist immer auf Gegenseitigkeit aufgebaut, und im Grunde waren die<br />

herkömmlichen patriarchalen Ehevorstellungen mit dem Prinzip einer Liebesehe<br />

unvereinbar. Mit der Erfindung der bürgerlichen Liebesehe wurde langfristig das<br />

Ende des Patriarchats eingeläutet.<br />

Eine dritte Konsequenz der Liebesehe war, dass damit auch eine Eheauflösung in<br />

Frage kam. Wenn die eheliche Liebe Fundament und Sinn einer Ehe ist, wird die Ehe<br />

sinnlos, wenn die Liebe verschwunden ist. Weshalb also eine sinnentleerte<br />

Beziehung weiterführen Mit dem Durchbruch der Liebesehe musste schliesslich die<br />

Legitimität einer Ehescheidung akzeptiert werden. Die wachsende<br />

Scheidungshäufigkeit lässt sich deshalb als sozio-logische Konsequenz des Sieges<br />

der Liebesehe interpretieren.<br />

Der Erste Weltkrieg und Wirtschaftskrisen führten allerdings auch <strong>zu</strong> Beginn des 20.<br />

Jahrhunderts da<strong>zu</strong>, dass viele Frauen und Männer erst spät heiraten konnten oder<br />

ledig blieben. Das Ideal der bürgerlichen Liebesehe war zwar weit verbreitet, aber<br />

die wirtschaftlichen Hindernisse standen seiner Verwirklichung im Weg. Manch<br />

junges Dienstmädchen und manch junger Arbeiter musste sich mit dem Lesen<br />

romantischer Liebesgeschichten begnügen.<br />

Erst die Hochkonjunktur nach dem Zweiten Weltkrieg erleichterte den jungen Leuten<br />

die Eheschliessung. Entsprechend sank das Heiratsalter deutlich, und der Anteil der<br />

Ledigen reduzierte sich auf einen historischen Tiefstwert. Gleichzeitig blieb die Ehe<br />

vorläufig die einzig akzeptierte Form heterosexuellen Zusammenlebens, da sowohl<br />

voreheliche Sexualität als auch nichteheliches Zusammenleben («wilde Ehe»<br />

genannt) verpönt waren. Die klassische Arbeitsteilung (Mann sichert Existenz der<br />

Familie, Frau arbeitet im Haushalt) wurde erst selten in Zweifel gezogen, und dank<br />

steigender Löhne konnten sich mehr Männer eine vollberufliche Hausfrau leisten.<br />

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