Schallschutz im Schienenverkehr
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Dr. René Weinandy<br />
Fachgebietsleiter „Lärmminderung<br />
<strong>im</strong> Verkehr“, Umweltbundesamt<br />
Dipl.-Ing. Stephan Martin<br />
Architekt und Immobilienökonom<br />
Viele Menschen sind hohen Lärmbelastungen ausgesetzt,<br />
die ihre Gesundheit beeinträchtigen und die Lebensqualität<br />
mindern. Nach der repräsentativen Bevölkerungsumfrage<br />
des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2012 fühlt sich fast<br />
jeder Dritte durch <strong>Schienenverkehr</strong> beeinträchtigt. ImGegensatz<br />
zum Straßenverkehrslärm, der fast flächendeckend<br />
auftritt, ist der <strong>Schienenverkehr</strong>slärm jedoch stärker auf einzelne<br />
Korridore konzentriert. Dort können jenach Zugart<br />
und -dichte sehr hohe Lärmpegel vorkommen, insbesondere<br />
entlang der Güterverkehrskorridore, auf denen nachts<br />
ein Großteil des Verkehrs stattfindet.<br />
Als Beispiel ist das Mittelrheintal zunennen. Hier treten sehr<br />
hohe Lärmpegel auf. Die durch den <strong>Schienenverkehr</strong> verursachte<br />
Lärmbelastung ist somit die ökologische „Achillesferse“<br />
der Bahn. Es gibt jedoch <strong>im</strong> <strong>Schienenverkehr</strong> noch<br />
deutliche Minderungspotenziale, die u. a. in dieser Broschüre<br />
vorgestellt werden. Für eine wirksame Minderung des<br />
Lärms sind die bestehenden Instrumente noch effizienter<br />
und zielgerichteter einzusetzen.<br />
Die Europäischen Güterverkehrskorridore werden ohne<br />
begleitende städtebauliche Planung auf bestehenden Strukturen<br />
vermarktet, obwohl die vorhandenen Trassen nie als<br />
Güterkorridore konstruiert worden sind. Der Gesetzgeber<br />
lässt zu, dass die Bahnunternehmen ihren Betrieb innerhalb<br />
von Wohngebieten <strong>im</strong>mer weiter ausdehnen, ohne für die<br />
entstehenden Immissionen Grenzwerte festzusetzen. Die<br />
daraus resultierenden Folgen werden von den betroffenen<br />
Gemeinden, der Immobilienwirtschaft und den Anwohnern<br />
getragen. Der volkswirtschaftliche Schaden ist <strong>im</strong>mens –<br />
und er ist bislang erst in Ansätzen verstanden.<br />
Der Versuch, mit den unl<strong>im</strong>itierten Immissionen umzugehen<br />
und dennoch gesunden Wohnraum zuschaffen, ist eine Aufgabe,<br />
ander die Gemeinden und Bauherren <strong>im</strong>mer häufiger<br />
scheitern. Nicht nur der Verlust unserer Baukultur wiegt<br />
schwer; der Immobilienwirtschaft wird entlang der Lärmkorridore<br />
sukzessive die Substanz entzogen. Da wir unsere<br />
Orte nicht mehr zukunftsgerichtet weiter entwickeln können,<br />
sehen sich viele Bürger gezwungen, ananderer Stelle einen<br />
leiseren Lebensraum zusuchen. Verlorener Siedlungsraum<br />
wird durch bislang unbebaute Landschaft ersetzt.<br />
Eine vollständige Erfassung und Bewertung der externen<br />
Schäden des Schienengüterverkehrs ist die Grundlage, um<br />
die D<strong>im</strong>ension dieser Umweltkatastrophe zu begreifen. Es<br />
muss eine Infrastruktur erst entwickelt werden, die <strong>im</strong> 21.<br />
Jahrhundert eine Berechtigung hat. Bis dahin müssen unverzüglich<br />
alle verfügbaren <strong>im</strong>missionsmindernden Techniken<br />
eingesetzt werden, damit wir eine Chance haben, unseren<br />
Siedlungsraum wieder als Lebensraum zuverstehen.<br />
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