08.04.2015 Aufrufe

Schallschutz im Schienenverkehr

Leseprobe

Leseprobe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

nachfolgenden Studie fanden die Forscher auch eine Risikoerhöhung<br />

bei einem 10dB(A)-Anstieg durch Schienenlärm<br />

fürÖstrogenrezeptor-negativenBrustkrebs[34]. Eine ähnliche<br />

Risikoerhöhung war auch für Straßenverkehrslärm zu beobachten.<br />

Eine große US-Kohortenstudie (N =445,868) von Gan et al.<br />

(2012) fand jeweils eine unabhängige Wirkung sowohl von<br />

Straßen- und<strong>Schienenverkehr</strong>(gemeinsam)als auch vonRuß<br />

auf die Sterblichkeit durch koronare Herzkrankheit [35]. Fluglärm<br />

hingegen war nicht signifikant assoziiert.<br />

Die Schweizer SAPALDIA-Studie (6.450 Männer und Frauen)<br />

fand einen kleinen, aber signifikanten Anstieg des gemessenen<br />

systolischen (0.84 mmHg) und diastolischen (0.44 mm<br />

Hg) Blutdrucks je 10-dB(A)-Anstieg des Schienenlärms<br />

während der Nacht [36]. Straßenverkehrslärm war nur bei<br />

Diabetikern, nicht jedoch in der Gesamtstichprobe signifikant.<br />

Lercher und Widmann (2013b) berichteten über einen neuen<br />

Zusammenhang zwischen Gesamtlärmbelastung bei Personen,<br />

die unter niedrigem Blutdruck leiden [37]. Ineiner anderen<br />

Stichprobe aus dem Unterinntal konnte dieser Zusammenhang<br />

bestätigt werden. Indieser vertieften Studie konnte<br />

neben der Beziehung zur Gesamtlärmbelastung auch ein<br />

signifikanter Zusammenhang mit dem Schienenlärm nachgewiesen<br />

werden [38].<br />

Zusammenfassung: Schienenlärm und Gesundheitswirkungen<br />

In der neueren Literatur ist deutlich geworden, dass die ausschließliche<br />

Anwendung der (veralteten) Belästigungskurven<br />

vonMiedema undOudshoorn (2001) [39] sowiedie Schlafstörungskurven<br />

von Miedema und Vos (2007) [40] für nächtliche<br />

Lärmbelastungen durch Güterzüge nicht mehr verwendet<br />

werden dürfen, da diese ausschließlich auf der subjektiven<br />

Einschätzung der Betroffenen beruhen. Der Einbezug von<br />

objektiven Indikatoren (EEG, EKG, HRV etc.) ist zusätzlich<br />

notwendig.<br />

Die neuere Literatur hat schließlich deutlich gemacht, dass<br />

der nächtliche Güterverkehr nachhaltige Auswirkungen auf<br />

den Schlaf und das Herz-Kreislauf-System hat. Ferner ist das<br />

Ausmaß dieser Auswirkungen in denmeisten exper<strong>im</strong>entellen<br />

Studien stärker als durch den Straßen- und sogar den Flugverkehr<br />

–jedenfalls nicht geringer. Darüber hinaus wurden für<br />

die kognitive Leistungsfähigkeit auch Langzeitdefizite nachgewiesen.<br />

Die kombinierten Wirkungen von Lärm und Erschütterungen<br />

werden <strong>im</strong>mer noch unterschätzt. Insbesondere inden Abschätzungsverfahren<br />

(UVP, GVP) für neue Schienenstrecken<br />

wird das zu wenig berücksichtigt.<br />

Im Bereich epidemiologischer Untersuchungen haben neue<br />

Ergebnisse aus Kohortenstudien vorallem denHinweis fürklinisch<br />

relevante Gesundheitswirkungen durch Lärm erbracht.<br />

Ferner wurden bei typischer Schienenbelastung auch erhöhte<br />

Risiken für die Einnahme von Schlaf- und Medikamenten<br />

gegen Bluthochdruck/Hypertonie nachgewiesen. Diese Wirkungen<br />

sind z.T.bereits ab 50 dB(A), Leq feststellbar. Damit<br />

können Gesundheitsgefahren durch Schienenlärm über diesen<br />

Schallpegelwerten nicht mehr mit hinreichender Sicherheit<br />

ausgeschlossen werden. Beeinträchtigung <strong>im</strong>Schlaf und<br />

auch direkte kardiovaskuläreWirkungensind nach denneuerenStudiensehrwahrscheinlich<br />

undweitere indirekte Wirkungen<br />

(über Schlafmitteleinnahme, Gewichtszunahme durch<br />

Schlafdefizit) sind zubefürchten.<br />

Schlussfolgerungen für das Rheintal<br />

Die besonderen Umstände (Tourismus, Weltkulturerbe), die<br />

spezifische Topographieund Meteorologie (Hanglagen,Wasserflächen),<br />

welche die Ausbreitung des Lärms begünstigen, sowiedie<br />

Besonderheitder extremhohennächtlichenBelastungen<br />

durch Güterzüge erfordern umfassende und kreative<br />

Maßnahmen (Einhausungen, Galerien, Tunnel etc.) zur Wiederherstellung<br />

der Regenerationsmöglichkeit der Bevölkerung<br />

ebenso wiefür dieErholung suchendenUrlauber. Ferner<br />

geht es um den Schutz und die Wiederherstellung vormals<br />

ruhiger Gebiete.<br />

Dabei sind Lärmschutzwände entlang der Schienentrasse<br />

allein wenig geeignet, den wahrscheinlichen Gesundheitsgefahren<br />

auch <strong>im</strong> erweiterten Talbereich des Rheintals hinreichend<br />

zu begegnen. Nur ein Mix aus unterschiedlichen Maßnahmen<br />

(sowohl an derQuelleals auch am Ausbreitungsweg)<br />

kann abgest<strong>im</strong>mt auf die jeweilige Ortslage Abhilfe schaffen<br />

und damitGesundheitsgefahren vonder Bevölkerung abwenden.<br />

91

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!