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Das Bildungswesen ist kein Wirtschaftsbetrieb! - Forschung & Lehre

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468<br />

Bundestagswahl<br />

2005<br />

RÜDIGER VOM BRUCH<br />

Mit der Fackel der Erkenntnis voran<br />

oder Angeführte des Zeitge<strong>ist</strong>es?<br />

Politische Professoren in Deutschland seit 1800<br />

Fichtes „Reden an die deutsche Nation“ (gehalten 1807/1808) in h<strong>ist</strong>orisierend-pathetischer Darstellung von Arthur Kampf (1864-1950) aus<br />

dem Jahr 1913/14 Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Anwälte und Ärzte, Controller und <strong>Lehre</strong>r werden<br />

nach der Effizienz ihres professionellen Wissens beurteilt,<br />

nicht nach ihren politischen Überzeugungen. Gilt anderes für<br />

jene, welche diese Experten ausbilden? Deutsche Hochschullehrer<br />

sind Wähler wie andere Berufsgruppen auch, doch als<br />

Professoren und Politik – das verwe<strong>ist</strong><br />

nicht nur auf die Arbeitsteilung zwischen wissenschaftlicher<br />

Kenntnis und Entscheidung, sondern<br />

auf eine deutsche Eigenart: <strong>Das</strong> politische Professorentum.<br />

Wie <strong>ist</strong> es entstanden?<br />

Rüdiger vom Bruch, Dr. phil.,<br />

Univ.-Professor, Wissenschaftsgeschichte,<br />

Humboldt-Universität<br />

zu Berlin<br />

<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong><br />

9/2005<br />

Experten der Experten zugleich nachgefragte Sachverständige.<br />

In der Arena politischer Willensbildung und Entscheidungen<br />

wird wissenschaftliche Analyse zur Legitimation von<br />

Wertentscheidungen eingefordert. <strong>Das</strong> zielt auf wissenschaftliche<br />

Politikberatung: diese hat es immer schon gegeben,<br />

spielt aber in unserer jungen Wissensgesellschaft eine konstitutive<br />

Rolle. Der Durchbruch setzte in den 1960er Jahren ein,<br />

in einer Konjunktur wissenschaftsgesteuerter Planungseuphorie<br />

und Zukunftsentwürfe auf allen politischen Handlungsebenen,<br />

und durchaus unabhängig von „1968“. 1970 etwa waren<br />

allein auf Bundesebene knapp 6000 Sachverständige in<br />

264 Gremien tätig.<br />

Waren damit die deutschen Professoren in der Politik<br />

angekommen? Ein etwa hundertjähriger Weg hatte hierhin geführt,<br />

vom Kaiserreich bis in die Nach-Adenauer-Zeit, gekennzeichnet<br />

durch zunehmend verdichtete Wechselwirkungen<br />

zwischen professionell verfestigten Fachdisziplinen und<br />

komplexen modernen Gesellschaften mit einem weit verästelten<br />

Regelungs- und Steuerungsbedarf. Kaum zufällig waren im<br />

Kern bereits im späten Kaiserreich, in einer ausdifferenzierten<br />

Industriegesellschaft also, jene Gutachterszenarien ausgeformt,<br />

welche in neuartiger Massierung den politischen Betrieb seit<br />

einem knappen halben Jahrhundert charakterisieren. Doch<br />

dieses System beruht auf funktionaler Arbeitsteilung, und je<br />

mehr wissenschaftliche Beratungsgemien eingesetzt werden,<br />

desto leichter lassen sich ihre Ergebnisse gegeneinander ausspielen,<br />

gar durch Gleich-Gültigkeit entwerten.

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