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Das Bildungswesen ist kein Wirtschaftsbetrieb! - Forschung & Lehre

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476<br />

Hochschulpolitik<br />

aktuell<br />

PETER BRASS<br />

Ivy League und andere<br />

Mißverständnisse<br />

Über den Mythos „Vorbild USA“<br />

Karikatur: Meissner<br />

<strong>Das</strong> amerikanische Vorbild <strong>ist</strong> seit langem<br />

in der deutschen Hochschulpolitik omnipräsent.<br />

Immer wieder wird betont, daß man ihm folgen<br />

müsse, denn dort sei alles besser. Dazu einige<br />

Anmerkungen eines Insiders.<br />

Peter Brass, Associate Professor,<br />

Department of Computer Science,<br />

The City College of New York<br />

<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong><br />

9/2005<br />

<strong>Das</strong> Amerika, was den politischen Forderungen zugrunde<br />

liegt, <strong>ist</strong> ein weitgehend mythologisches Land, auf welches<br />

das eigene Wunschdenken projiziert wird. Da hieraus jedoch<br />

weitgehende Konsequenzen gezogen werden sollen, <strong>ist</strong><br />

es dringend nötig, einige Fakten zu klären. <strong>Das</strong> soll in diesem<br />

Artikel für einige der Leitbegriffe geschehen.<br />

Mißverständnis I: Die Ivy League<br />

Ein solches vielverwendetes Wort <strong>ist</strong> „Ivy League“,<br />

und doch haben die me<strong>ist</strong>en Redner nur eine ganz ungefähre<br />

Vorstellung, daß dies so etwas wie „sehr gute Universität“<br />

oder „Eliteuniversität“ bedeutet. Tatsächlich <strong>ist</strong> die Ivy League<br />

eine gemeinsame Sportliga, die von den Universitäten Brown<br />

University, Columbia University, Cornell University, Dartmouth<br />

College, Harvard University, University of Pennsylvania,<br />

Princeton University und Yale University in einem Versuch<br />

der Imitation des englischen Collegesport gegründet<br />

wurde (1945 durch das Ivy Group Agreement, zunächst für<br />

football, 1954 dann für alle zwischenuniversitären Sportwettkämpfe).<br />

Es <strong>ist</strong> <strong>kein</strong>e besondere Auszeichnung von wissenschaftlichem<br />

Rang, eine Universität kann nicht Ivy League-<br />

Status erreichen oder verlieren. Die University of California at<br />

Berkeley oder das MIT sind sicherlich wissenschaftlich bedeutender<br />

als die University of Pennsylvania. Bei der Ivy<br />

League geht es um Vornehmheit, nicht um Wissenschaft, auch<br />

wenn dies häufig zusammenfällt. Und was die Studenten, beziehungsweise<br />

ihre Eltern, von einem Studium an einer Ivy<br />

League-Universität erwarten, <strong>ist</strong> nicht eine hervorragende<br />

wissenschaftliche Ausbildung, sondern Status und Kontakte.<br />

Ein Symptom dessen <strong>ist</strong>, daß bei der University of Pennsylvania<br />

31 Prozent der Studenten in Verbindungen (Fraternities)<br />

sind, in Berkeley (zum Vergleich) sind es nur 11 Prozent.<br />

Als Absolvent we<strong>ist</strong> man gelegentlich darauf hin, daß man<br />

Ivy-Educated sei; es gibt Unternehmen, die nur solche einstellen<br />

und Clubs, die nur solche aufnehmen. Die Ivy League<br />

hat übrigens ein außerhalb Amerikas kaum bekanntes Gegenstück,<br />

die „Seven S<strong>ist</strong>ers“, die vornehmen Frauen-Colleges<br />

Barnard, Bryn Mawr, Mount Holyoke, Radcliffe, Smith, Vassar<br />

und Wellesley. Alle Ivy League- und Seven S<strong>ist</strong>ers-Institutionen<br />

sind an der Ostküste, obwohl es auch an der Westküste<br />

hervorragende Universitäten gibt (Stanford, CalTech, UC<br />

Berkeley), aber die Westküste gilt als neureich und reformfreudig.<br />

Mißverständnis II: Tenure Track<br />

Ein anderer gern verwendeter Begriff <strong>ist</strong> „tenure track“.<br />

Doch dies <strong>ist</strong> <strong>kein</strong>eswegs dasselbe wie „Regelbeförderung“<br />

oder „automatische Einstellung nach Probezeit“. Dem „tenure<br />

track“ liegt der Gedanke zugrunde, daß es einen festen Zeitpunkt<br />

gibt, nach dem sich die Universität entscheiden muß

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