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Das Bildungswesen ist kein Wirtschaftsbetrieb! - Forschung & Lehre

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Die German University in Cairo (GUC) <strong>ist</strong> eine Privatuniversität<br />

nach ägyptischem Recht, sie wird vom deutschen<br />

Staat oder von deutschen Hochschulen weder finanziert noch<br />

geleitet. Vielmehr wurde seit Mitte der 90er Jahre ein Netzwerk<br />

von Unterstützern geschmiedet, zu dem mehrere deutsche<br />

Universitäten, die Bundesmin<strong>ist</strong>erien für <strong>Forschung</strong> sowie<br />

für wirtschaftliche Zusammenarbeit, das Land Baden-<br />

Württemberg und der Deutsche Akademische Austauschdienst<br />

(s. www.guc.uni-ulm.de) gehören. <strong>Das</strong> deutsche „Exportgut“<br />

sind die Studieninhalte (die Curricula wurden an<br />

den deutschen Partnerhochschulen entwickelt und an ägyptische<br />

Gegebenheiten angepaßt), die typische Verknüpfung von<br />

<strong>Lehre</strong> und <strong>Forschung</strong> und die <strong>Lehre</strong>nden selbst, soweit sie<br />

aus Deutschland kommen.<br />

Die Universität <strong>ist</strong> seit ihrer Grundsteinlegung vor drei<br />

Jahren ein schnell wachsender modern ausgestatteter Komplex<br />

von Gebäuden und Anlagen in einem gewaltigen Neubaugebiet,<br />

das der Wüste am südöstlichen Rand von Kairo abgerungen<br />

wird. Es <strong>ist</strong> ein interkulturelles Projekt, das jedes<br />

Jahr ca. 1 000 Studierende und ein- bis zweihundert neue<br />

Mitarbeiter integriert. In der ersten Aufbauphase bietet die<br />

GUC Studiengänge in den Bereichen Information Engineering<br />

und Technology, Media Engineering und Technology,<br />

Management und Technology, Pharmacy und Biotechnology,<br />

Engineering und Materials Science sowie seit neuestem Business<br />

Informatics an, alle mit den Abschlüssen Bachelor, Master<br />

und PhD. Für den schnell wachsenden Lehrkörper wird<br />

ein ausgewogenes Verhältnis der Nationen angestrebt: derzeit<br />

sind die Mehrzahl der Vollzeit-Professoren Deutsche, die<br />

Lektoren (bzw. Hochschulass<strong>ist</strong>enten) und die akademischen<br />

Mitarbeiter sind überwiegend Ägypter. Gleichsam aus dem<br />

Nichts wurde ein Studienbetrieb für nunmehr 3 000 Vollzeitstudierende<br />

aufgebaut (einschließlich der erforderlichen Laborplätze)<br />

und zusätzlich ein MBA-Abendstudium eingerichtet.<br />

Im Zuge der Akkreditierung (durch AQUIN) wurden Studien-<br />

und Prüfungsordnung konsolidiert, Curricula vervollständigt<br />

sowie durchgehend das ECTS angewandt. Darauf<br />

aufbauend erfolgt nun der Aufbau der <strong>Forschung</strong> sowie Verbindung<br />

von <strong>Lehre</strong> und <strong>Forschung</strong> (Anbindung von Bachelor-<br />

und Masterarbeiten, PhD-Programm). Nicht zuletzt geht<br />

die Selbstverwaltung mit Riesenschritten voran: Nachdem anfänglich<br />

das Uni-Management selbst alle Geschicke geleitet<br />

hat, haben im zweiten Jahr die lokalen Dekane die akademische<br />

Leitung der Fakultäten übernommen, und jetzt geht es<br />

um die Einrichtung und Einbindung der vielen (geplanten)<br />

Departments. Neben einer zentralen Personalverwaltung und<br />

PR-Abteilung wird der Zusammenhalt auch durch ein GUCeigenes<br />

Center für Qualitätsmanagement und Bewertung<br />

(„Assessment“) gele<strong>ist</strong>et, das u.a. Kurse für alle Akademiker<br />

zu Verbesserung von <strong>Lehre</strong> und Prüfungen anbietet.<br />

Seit Anbeginn erhält die GUC sehr viel Aufmerksamkeit,<br />

nun auch zunehmend im akademischen Bereich. Die damit<br />

einhergehende Profilbildung <strong>ist</strong> auch notwendig: Während<br />

bislang die Universitätslandschaft in Ägypten (abgesehen<br />

von der American University in Cairo) ausschließlich durch<br />

486<br />

Hochschulpolitik<br />

aktuell<br />

MICHAEL VON GAGERN/RALF KLISCHEWSKI<br />

Ist Bildung exportierbar?<br />

Erfahrungen an der German University in Cairo<br />

<strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong><br />

9/2005<br />

staatliche Institutionen geprägt war, findet nun geradezu eine<br />

Explosion von Privatuniversitäten statt (es wird mit der Zulassung<br />

von insgesamt bis zu 15 neuen Anbietern aus aller<br />

Welt gerechnet). Getrieben durch die demographische Entwicklung<br />

<strong>ist</strong> die Nachfrage nach Bildung sehr groß – und<br />

gleichzeitig gibt es bei aller Armut eine wachsende Schicht<br />

von Haushalten mit vergleichsweise hohen Einkommen, die<br />

ihren Kindern eine hochwertige Ausbildung finanzieren können<br />

(nicht zuletzt im Interesse der eigenen Alterssicherung).<br />

<strong>Das</strong> große Interesse an der GUC in Ägypten <strong>ist</strong> an entsprechend<br />

große Hoffnungen geknüpft. Die Bewunderung für<br />

deutsche Wissenschaft und Technik <strong>ist</strong> allgemein verbreitet,<br />

und viele Ägypter haben in Deutschland studiert bzw. gearbeitet.<br />

Auch aus h<strong>ist</strong>orischer und politischer Perspektive werden<br />

Deutschland viele Sympathien entgegengebracht. Die<br />

ägyptische Gesellschaft und nun auch die Politik sind im Umbruch,<br />

und die Ausrichtung an der deutschen Kultur steht dabei<br />

eher für einen positiven Veränderungsprozeß, d.h. vor allem<br />

für den Anschluß an die internationale Gemeinschaft, für<br />

Modernisierung und Wohlstand ohne Verlust von Ordnung<br />

und traditionellen Werten. Von deutscher Seite knüpfen sich<br />

ebenfalls eine Reihe von Erwartungen an die GUC: das Projekt<br />

<strong>ist</strong> ein verbindendes und stabilisierendes Element deutscher<br />

Nahostpolitik, das über den Bildungsexport hinaus<br />

auch Technologietransfer le<strong>ist</strong>et und zudem herausragende<br />

Absolventen („high potentials“) ausbildet und als Fachkräfte<br />

für die hiesige Wissenschaft und Industrie interessieren kann.<br />

Von Seiten der Unternehmen gibt es im Grundsatz auch viel<br />

Zustimmung, letztlich profitieren beiden Seiten von dem intensivierten<br />

Austausch, der neue Perspektiven der wirtschaftlichen<br />

Zusammenarbeit eröffnet bzw. befördert.<br />

Für die nächsten Jahre werden sehr viele Fachkräfte<br />

gebraucht, die unter den Bedingungen und gehobenen Ansprüchen<br />

einer Privatuniversität lehren und forschen. Die<br />

GUC hat mittlerweile viel zu bieten, aber es muß auch gelingen,<br />

interessierten deutschen Wissenschaftlern dies zu vermitteln<br />

– und daß Ägypten nicht nur ein Platz an der Sonne<br />

<strong>ist</strong>, sondern inzwischen auch nach westlichen Maßstäben eine<br />

hohe Lebensqualität zu bieten hat. Die Unterstützung durch<br />

das Netzwerk der „Paten“ darf nicht abreißen, und weitere<br />

wohlwollende Partner in Wissenschaft und Industrie sind zu<br />

gewinnen. Die Investitionen haben sich jedenfalls jetzt schon<br />

gelohnt. Nach zwei Jahren wird die German University weithin<br />

als interkulturelles Projekt wahrgenommen, das in dem<br />

Bemühen um einen Export von Studieninhalten „Made in<br />

Germany“ auf vielen Ebenen exemplarisch deutsch-arabische<br />

Herausforderungen me<strong>ist</strong>ert und positive Wirkung weit über<br />

den Bildungsauftrag hinaus entfaltet. ❏<br />

Dr. Michael von Gagern arbeitet im zentralen Planungsstab der GUC<br />

und leitet das MBA-Programm für Berufstätige; Professor Dr. Ralf<br />

Klischewski lehrt Information Systems und <strong>ist</strong> derzeit Dekan der<br />

Faculty of Management Technology.<br />

E-Mail-Kontakt: michael.gagern@guc.edu.eg;<br />

ralf.klischewski@guc.edu.eg

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