Das Bildungswesen ist kein Wirtschaftsbetrieb! - Forschung & Lehre

Weitere Magazine

Empfehlungen

Info

PATRICK GÜTSCHOW / JOCHEN HOLZKAMP 484 Hochschulpolitik aktuell Eine unter vielen gewohnten Übungen? Akkreditierung in den USA, den Niederlanden und Deutschland Im Hochschulsystem der Vereinigten Staaten wird Akkreditierung auf verschiedenen Ebenen seit mehr als einem Jahrhundert genutzt. Wurden in Deutschland die in den USA gewonnenen Erfahrungen aufgegriffen? Eine vergleichende Darstellung der Akkreditierungssysteme der USA einerseits und der Bologna-Staaten Deutschland und Niederlande andererseits versucht Antworten auf diese Frage zu geben.* Jochen Holzkamp, Dr. Ing., Lehrbeauftragter im MBA Studiengang Hochschul- und Wissenschaftsmanagement, FH Osnabrück Patrick Gütschow, Absolvent des Masterprogramms Hochschul- und Wissenschaftsmanagement, FH Osnabrück Forschung & Lehre 9/2005 Quelle: mauritius-images Akkreditierung im Hochschulsystem der Vereinigten Staaten Mit dem Bologna-Prozeß und der Harmonisierung der Architektur der verschiedenen europäischen Hochschulsysteme in Richtung auf einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum haben verstärkt neuartige Instrumente und Methoden zur Sicherung und Weiterentwicklung von Qualität Eingang in die postsekundären Bildungsdomänen gefunden. Akkreditierung, charakterisierbar als formeller Prozeß, gerichtet auf die Prüfung von Standards, versehen mit Elementen aus Selbst- und Fremdevaluation, ist eines jener Instrumente. Im Hochschulsystem der Vereinigten Staaten wird diese Methode mit unterschiedlichem Fokus seit mehr als einem Jahrhundert genutzt. Das durch weitgehende institutionelle Autonomie und außerordentliche Angebotsvielfalt geprägte US-Hochschulsystem hat den Bedarf für Instrumente und Methoden zum Zweck der Standardsicherung im Sinne eines Verbraucherschutzes schon früh deutlich werden lassen. Die dort seit jeher bestehende starke materielle Diversifität der Angebote bei gleichzeitiger formeller Gleichwertigkeit kann als Geburtsstunde der Akkreditierung gelten. Akkreditierung in den Vereinigten Staaten ist Ersatz für staatliche Ordnungspolitik und Korrelat eines Höchstmaßes an Hochschulautonomie. Die Erfahrungen mit Akkreditierung Nicht eine Erfahrung, sondern schon schlicht die in den Vereinigten Staaten vorherrschende generelle Überzeu-
gung, daß Akkreditierung einerseits das Ziel verfolge, Qualität in Colleges, Universitäten und Studienprogrammen zu sichern, und anderseits einen Beitrag zur Qualitätsverbesserung und -steigerung leiste, erscheint angesichts der in Deutschland aber auch anderswo geführten Diskussionen zunächst verblüffend. Die hierzulande gepflegte strikte Trennung zwischen Akkreditierung und Evaluation – wohl, weil mit den Instrumenten unterschiedliche Zielsetzungen verbunden werden – kann angesichts methodologisch starker Gemeinsamkeiten beispielsweise zwischen Lehrevaluation und Studiengangsakkreditierung sowie dem Umstand, daß die in Deutschland mögliche konditionale Akkreditierung mit entsprechendem follow-up ebenfalls genutzt werden muß, um Qualitätssteigerung zu realisieren, als nur wenig dienlich angesehen werden. Überzeugender, gleichwohl nicht vollendet erscheint der niederländische Ansatz: Aus Sorge, das international anerkannte niederländische Modell der Lehrevaluation könne durch die Implementierung von Akkreditierung Schaden nehmen, wurde diese dort unter der Prämisse eingeführt, letzter Schliff des bestehenden Systems zu sein. Unter allen Umständen sollte verhindert werden, ein paralleles Qualitätssicherungssystem zu etablieren. Das es in den Niederlanden gleichwohl nur bei diesem Vorsatz blieb, lag daran, daß sich schnell herausstellte, daß in Akkreditierungsverfahren ein weitaus höherer Grad an Ausarbeitung, Argumentation und Evidenz im Vergleich mit bisherigen Qualitätssicherungsroutinen erwartet wurde. Die neue Schicht im bestehenden System führte trotz guter Vorsätze zu gesteigertem Arbeitsaufwand wie neuen Kosten. Seit Mitte der 1990er Jahre läßt sich im Akkreditierungssystem der Vereinigten Staaten infolge eines wachsenden öffentlichen Interesses an Akkreditierung und aufgrund geänderter Rahmenbedingungen innerhalb des postsekundären Sektors eine Zeit der umfassenden Revision, Überarbeitung und Veränderung der Schwerpunktsetzungen feststellen. Angesetzt wurde dabei vor allem an den vermeintlichen Schwächen des bisherigen Verständnisses von Standards: Waren diese und damit das Akkreditierungsverfahren stark inputorientiert und konzentrierten sie sich vor allem auf spezifische Strukturen und/oder Methoden zur Zielerreichung, so betonen aktuellere Standardkonzeptionen stärker die je nach Zielsetzung erreichten Ergebnisse, womit ein Wandel zu einer Output-Betrachtung angestoßen wurde. Anstatt umfassend möglichst alle Aspekte der programmatischen oder institutionellen Funktionalität zu betrachten, wählen neuere Konzepte den Ansatz einer Validierung bestehender Qualitätssicherungs- und -verbesserungssysteme. Diese Entwicklung findet auch in Deutschland vermehrt Zuspruch: Einerseits angesichts des enormen Aufwandes, den Programmakkreditierungen mit dem Ansatz einer sich zyklisch wiederholenden Einzelbetrachtung und -bewertung erzeugen. Andererseits, weil es zweifelhaft erscheint, ob mit der bisherigen Vorgehensweise das eigentliche Ziel, eine Qualitätssicherung und -weiterentwicklung in Hochschulen als handlungsleitende Elemente, ja als Kultur an sich zu etablieren, überhaupt zu erreichen ist. Die in Deutschland optional zu akkreditierenden privaten Hochschulen üben ebenfalls Kritik. Diese bezieht sich auf die weitgehend bestehende Trennung von programmatischer und institutioneller Akkreditierung, konstatiert infolge dessen eine Verdichtung von Verfahren und fordert die insti- 485 Hochschulpolitik aktuell tutionelle Akkreditierung auch für staatliche Hochschulen. Auch diese Problemlage ist kein bundesrepublikanisches Novum, wie wiederum der Blick in die Vereinigten Staaten zeigt: Dort verdichten sich regelmäßig die durch die regionalen Agenturen praktizierten Verfahren der institutionellen Akkreditierung und die durch die fachspezifischen Akkreditierungsagenturen praktizierten Verfahren der Programmakkreditierung bzw. der Akkreditierung ganzer Fachbereiche/ Schools. Kritiker jenseits des Atlantiks konstatierten schon vor Jahren, daß Hochschulen mit breitem Fächerspektrum besonders darunter leiden würden und durch die in den Verfahren beteiligten peers quasi überrannt würden; in jeder zweiten Kalenderwoche seien Expertengruppen auf dem Campus zu begrüßen. Wurde in Deutschland und Europa die Chance vertan, nachhaltig von den in den Vereinigten Staaten über Dekaden gemachten Erfahrungen in der Akkreditierung zu profitieren? Die Antwort darauf fällt abwägend aus. Bezeichnend erscheint, daß hier wie dort gleichartige Problembereiche zu identifizieren sind. Die sich jenseits des Atlantiks abzeichnende Akzentverschiebung im Verständnis von Akkreditierung weg von einer statisch-klassisch inputorientierten Standardprüfung hin zu einer output-orientierten Validierung vorhandener Qualitätssicherungssysteme in Hochschulen und Studienprogrammen hätte durchaus als viel versprechender Ausgangspunkt für eine schlanke und effiziente europäische Prägung von Akkreditierung dienen können. Das postulierte Ziel gesamteuropäischer Hochschulpolitik, Qualitätssicherung auf institutioneller, nationaler und europäischer Ebene im Sinne einer eigenen Prägung weiterzuentwickeln, dürfte daher nach wie vor eine große Herausforderung für alle Beteiligten darstellen. Es wird sich zeigen, ob es gelingt, das Leitbild einer systemischen Qualitätskultur in Institutionen und Programmen so zu verwirklichen, daß sich Qualitätssicherung und -verbesserung als zentrale handlungsleitende Elemente etablieren. Gelingt dies nicht, so droht Akkreditierung nur eine unter vielen gewohnten Übungen zu werden. ❏ * Dem Beitrag liegen Ergebnisse der Masterarbeit „Qualitätssicherung durch Akkreditierung in Deutschland, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten“ zugrunde, die von Jochen Holzkamp betreut wurde. Weitere Informationen zur Masterarbeit finden sich unter www.wiso.fh-osnabrueck.de/hwm-mba.html Anschrift der Autoren Jochen Holzkamp Osterkamp 5 22043 Hamburg Patrick Gütschow Stiftsherrenstr. 2 48143 Münster Forschung & Lehre 9/2005
Seite 1 und 2: Forschung & Lehre 9/2005 458 Nachri
Seite 3 und 4: Startschuß für Exzellenzinitiativ
Seite 5 und 6: Freiheit „Meiner Meinung nach ist
Seite 7 und 8: 463 Bundestagswahl 2005 Parteien zu
Seite 9 und 10: 465 Bundestagswahl 2005 Parteien zu
Seite 11 und 12: muß berücksichtigen, wer die zur
Seite 13 und 14: Deutsche Professoren und Politik, d
Seite 15 und 16: Preis des Deutschen Hochschulverban
Seite 17 und 18: Argumentation in der Wertewandeldis
Seite 19 und 20: 475 Pro & Contra initiative, auf Ko
Seite 21 und 22: (bei vielen Institutionen ist das n
Seite 23 und 24: Anzeige Aktuelle Seminartermine Med
Seite 25 und 26: Gewiß stehen gerade die Bildungswi
Seite 27: Wahlvorschläge erbeten Der 56. Hoc
Seite 31 und 32: Verehrte Leserinnen und Leser, begl
Seite 33 und 34: 489 Aus der Forschung Hurrikans wer
Seite 35 und 36: Lesen und lesen lassen Hochschulrah
Seite 37 und 38: Steuerrecht aktuell Fahrtkosten Als
Seite 39 und 40: PD Dr. Felix Heinzer, Württembergi
Seite 41 und 42: BIOLOGIE, CHEMIE, GEOWISSENSCHAFTEN
Seite 43 und 44: STELLENANZEIGEN VERANSTALTUNGEN STI
Seite 45 und 46: An der Universität Würzburg ist i
Seite 47 und 48: An der Technischen Universität Mü
Seite 49 und 50: Wolfgang Heilmann-Preis für humane
Seite 51 und 52: In den Mediadaten 2005 von Forschun
Seite 53 und 54: Foto: dpa Zukunft beginnt bei uns.
Seite 55 und 56: In der Fakultät Maschinenbau der U
Seite 57 und 58: 23.000 22.500 22.000 21.500 21.000
Seite 59 und 60: Wissenschaft im Programm 515 Impres

Das Bildungswesen ist kein Wirtschaftsbetrieb! - Forschung & Lehre

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Template löschen?

Als Template speichern?