sportslife Juni - Juli 2015
WELCOME TO MIAMI / BIKE-CHECK / WIEDERENTDECKT: INLINESKATES / MOTIVATION LAUFGRUPPE / WENN DAS WEB DEN COACH ERSETZT / BEACHVOLLEYBALL / FACTS ÜBERS GRILLEN / SCHÜSSLER-SALZE / KURZTRIP NACH MARRAKESCH / SOLLTEN SICH SPORTLER RASIEREN? / DEUTSCHLANDS SCHÖNSTE FREIBÄDER
WELCOME TO MIAMI / BIKE-CHECK / WIEDERENTDECKT: INLINESKATES / MOTIVATION LAUFGRUPPE / WENN DAS WEB DEN COACH ERSETZT / BEACHVOLLEYBALL / FACTS ÜBERS GRILLEN / SCHÜSSLER-SALZE / KURZTRIP NACH MARRAKESCH / SOLLTEN SICH SPORTLER RASIEREN? / DEUTSCHLANDS SCHÖNSTE FREIBÄDER
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vereine<br />
HAND IN HAND,<br />
EHRENAMT<br />
IMMER WENIGER MENSCHEN ENGAGIEREN SICH IN DEN DEUTSCHEN SPORT-<br />
VEREINEN. SO GEHT ES AUS DEM SPORTENTWICKLUNGSBERICHT HERVOR. STECKT<br />
DAS EHRENAMT IN DER KRISE?<br />
jedes zehnte Mitglied – und im Vergleich zu<br />
anderen Bereichen wie Schulen oder Kirchen<br />
der mit Abstand höchste Anteil. Die Anzahl an<br />
Trainern, Übungsleitern, Schieds- und Kampfrichtern<br />
hat in den vergangenen Jahren sogar<br />
wieder deutlich zugenommen. Auch einmalige<br />
Helfer für Veranstaltungen wie Vereinsfeste<br />
oder Wettkämpfe zu gewinnen, gelingt relativ<br />
gut. Doch ein Problem kann Kaiser nicht von<br />
der Hand weisen: „Bei den Vorständen und<br />
Leitungspositionen sieht die Lage schwieriger<br />
aus.“ Denn immer weniger Mitglieder wollen<br />
sich dauerhaft an ein solches Amt binden.<br />
Die Gründe dafür sind vielschichtig. „Bei<br />
vielen herrscht ein falsches Verständnis<br />
davon, was Ehrenamt eigentlich bedeutet“,<br />
meint Bader. Für die meisten heißt es einfach:<br />
Neben dem normalen Job Tag und Nacht ohne<br />
Bezahlung für einen Posten zu schuften, den<br />
man dann nicht mehr losbekommt. Außerdem<br />
sieht Bader ein Problem in der persönlichen<br />
Haftung. „Da überlegen es sich viele zweimal,<br />
ob sie ihren Kopf hinhalten sollen.“ Ebenfalls<br />
eine große Rolle spielt der demografische und<br />
gesellschaftliche Wertewandel: Sportvereine<br />
werden häufig nur noch als Dienstleister wahrgenommen.<br />
Vor allem junge Leute hätten im<br />
Vergleich zu früher oft ein anderes Verständnis<br />
von Engagement, hat Kaiser beobachtet: „Sie<br />
sind nicht mehr bereit, sich ewig an einen Verein<br />
zu binden und eine klassische Ehrenamts-<br />
Karriere einzuschlagen.“ Sie seien eher auf der<br />
Suche nach flexibleren Engagements, die sie<br />
für ihre berufliche Perspektive nutzen können.<br />
Kaisers naheliegende Schlussfolgerung: „Wir<br />
befinden uns derzeit im Umbruch vom alten<br />
zum neuen Ehrenamt.“ Soll heißen: weg von<br />
langjähriger, fester Bindung, hin zu kurzfristigen,<br />
flexiblen Engagements in Projekten.<br />
Das wird auch in vielen Abteilungen der TSG<br />
Reutlingen mittlerweile so praktiziert. „Und es<br />
funktioniert“, erzählt Bader, „und zwar, weil<br />
man sich dann nicht mehr zu etwas gezwungen<br />
fühlt. Und wenn eine Aufgabe Spaß macht,<br />
bringt man sich weiter ein.“<br />
Weil dadurch aber auch nicht mehr Vorstände<br />
oder Abteilungsleiter gewonnen werden, geht<br />
der DOSB das Problem aktiv an. Neben einer<br />
Informationsbroschüre und einem Ehrenamtspreis<br />
gibt es seit April 2013 das Projekt<br />
„Attraktives Ehrenamt“. Dabei arbeiten Vereine<br />
eng mit Freiwilligenagenturen und Seniorenbüros<br />
zusammen und beleuchten die Strukturen.<br />
„Oft kommt dann ans Tageslicht, dass manche<br />
Positionen gestrichen und Aufgaben umverteilt<br />
werden können“, berichtet Projektleiter Kaiser.<br />
Er zieht ein durchweg positives Fazit: „Diejenigen,<br />
die sich auf den Weg machen, erreichen<br />
auch etwas.“ Diese Richtung hat auch die TSG<br />
Reutlingen eingeschlagen und eine eigene<br />
„Ehrenamtsoffensive“ gestartet. „Für Ehrenamtliche<br />
ist es ganz wichtig, dass sie persönliche<br />
Anerkennung und Wertschätzung erfahren“,<br />
sagt Bader. Neben den klassischen Ehrungen<br />
gibt es deshalb Vergütungen für Übungsleiter,<br />
vergünstigten Zugang zu den Hauptvereins-<br />
Angeboten wie Fitnessstudio oder Kursen und<br />
eine Porträtseite im Vereinsmagazin. Demnächst<br />
wird sogar ein eigener Ehrenamtspreis<br />
eingeführt. In Planung ist außerdem eine<br />
Akademie, die Fortbildungen, Seminare oder<br />
Workshops anbieten soll. Für Ehrenamtliche –<br />
und solche, die es vielleicht mal werden wollen.<br />
Denn trotz der teils professionellen Strukturen<br />
mit hauptamtlichem Geschäftsführer und<br />
Mitarbeitern geht es auch bei einem großen<br />
Verein wie der TSG Reutlingen nicht ohne<br />
ehrenamtliche Mitarbeiter. Zwischen 400 und<br />
500 engagieren sich Woche für Woche in ihrer<br />
Freizeit für den Verein, so wie Bader. „Klar<br />
gibt es Phasen, in denen man am liebsten<br />
alles hinschmeißen würde“, gibt er zu, „aber<br />
es ermöglicht mir, Erfahrungen zu machen,<br />
die im Berufsleben so nicht möglich sind. Und<br />
ich kann etwas aktiv gestalten und weiterentwickeln.“<br />
Das schönste Gefühl sei es jedoch,<br />
wenn ein lobendes Wort von einem Mitglied<br />
zurückkommt. Ein Gefühl, das Bader auch nach<br />
zwölf Jahren zum Weitermachen motiviert. Und<br />
das hoffentlich noch viele Nachahmer findet.<br />
Text: Denis Raiser<br />
„WENN EINE AUFGABE<br />
SPASS MACHT, BRINGT MAN<br />
SICH WEITER EIN.“<br />
Thomas Bader, 1. Vorsitzender der<br />
TSG Reutlingen<br />
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