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Sechsjährige Grundschule: Gymnasium für alle?, SZ 28.4.<br />

In den vergangenen Tagen löste die "Element"-Studie zur sechsjährigen Grundschule<br />

heftige Reaktionen aus. Nun ist sie endlich erschienen und zeichnet ein<br />

erstaunliches Bild. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich Schulstudien interpretiert<br />

werden. In den vergangenen Tagen löste die "Element"-Studie des<br />

Berliner Forschers Rainer Lehmann heftige Reaktionen aus. So sieht der Philologenverband,<br />

der die Interessen von Gymnasiallehrern vertritt, die Studie als<br />

Beleg dafür, dass das Modell einer längeren Grundschulzeit "mit Pauken und<br />

Trompeten" gescheitert sei. Die Lehrergewerkschaft GEW spricht dagegen von<br />

einem "Triumph des längeren gemeinsamen Lernens". Wissenschaftler halten<br />

beide Schlüsse für überzogen. Über die Studie wurde schon debattiert, als sie<br />

noch gar nicht publiziert war. Nun liegt sie endlich vor - und das Bild, das sie<br />

zeichnet, ist sehr facettenreich. Gegenstand der Studie: Anders als in anderen<br />

Bundesländern dauert die Grundschule in Berlin sechs Jahre. Leistungsstarke<br />

Schüler können aber auch schon nach der vierten Klasse auf ein Gymnasium<br />

wechseln. So verlassen sieben Prozent die Grundschule vorzeitig. Die<br />

Leistungen in dieser speziellen Gruppe vergleicht die Element-Studie mit<br />

Kindern, die regulär bis zum Ende der sechsten Klasse an den Grundschulen<br />

bleiben. Die Leistungen mehrerer tausend Schüler wurden zu drei Zeitpunkten<br />

zwischen Ende der vierten und Ende der sechsten Klasse getestet. "Element"<br />

steht für Erhebungen zum Lese- und Mathematikverständnis - Entwicklungen in<br />

den Jahrgangsstufen vier bis sechs. Leistungen in Lesen und Mathe:<br />

Gymnasiasten erzielten im Durchschnitt zu jedem Zeitpunkt bessere Leistungen.<br />

Dies überrascht nicht, da sie ja bereits am Ende der vierten Klasse besonders<br />

stark waren und deshalb vorzeitig die Schule wechseln konnten. Die durchschnittlichen<br />

Lernfortschritte in Mathematik sind aber annähernd gleich, im<br />

Leseverständnis in der sechsten Klasse der Grundschule sogar höher als im<br />

Gymnasium. "Es gelingt den Grundschulen, den Abstand zu den Gymnasien<br />

etwas zu verringern", heißt es in der Studie. Dies liegt vor allem daran, dass<br />

schlechtere Schüler an den Grundschulen aufholen; die Studie spricht von "bemerkenswerten<br />

Lernzuwächsen" und einer erfolgreichen Umsetzung<br />

kompensatorischer Ziele. Nach dem großen Lob kommt der Haken: Auch<br />

stärkere Schüler machen an Berliner Grundschulen Fortschritte, am Gymnasium<br />

schreiten Kinder mit vergleichbarem Vorwissen aber noch etwas schneller<br />

voran. Zwar bescheinigt die Studie den Grundschulen, dass sie auch an der<br />

Spitze mathematischer Leistungen "die Intensität gymnasialer Förderung fast<br />

erreichen". Insgesamt wachse aber bei den guten Schülern der Abstand zum<br />

Gymnasium. Lehmann, der an der Humboldt-Universität lehrt, bezeichnet den<br />

vorzeitigen Wechsel aufs Gymnasium daher als eine "rationale individuelle Entscheidung".<br />

Ob die Daten tatsächlich einen größeren Lernfortschritt der<br />

Gymnasiasten belegen, ist unter Forschern umstritten. Klaus-Jürgen Tillmann,<br />

Professor in Bielefeld, hat Zweifel angemeldet. Hans Brügelmann (Siegen) und<br />

andere mahnen zu Vorsicht. Doch von solcher Skepsis einmal abgesehen, kann<br />

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