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gerechtigkeiten unserer Gesellschaft ausmerzen. Ach ja: Und wer in Online-<br />

Lehrerbewertungsportalen wie Spickmich.de nicht ganz doof dastehen will,<br />

sollte auch noch Gespür für Coolness und Style mitbringen. „Wir verabschieden<br />

uns von der Illusion, Lehrer/innen müssten immer alles können“, steht vielsagend<br />

in der Internet- Bedienungsanleitung für das gut besuchte Lehrerforum<br />

NRW. Ein Satz, mit dem man den ganzen Wandel des Berufsbilds überschreiben<br />

könnte. Obwohl erst seit Anfang 2005 online, zählt das Pädagogenportal<br />

inzwischen weit über 7000 Beiträge, in denen Lehrerinnen und Lehrer<br />

sich von Kollegen und Experten Rat holen zu Themen wie Unterrichtspraxis,<br />

Schulrecht und Stressbewältigung. Und in denen sie immer wieder nach einem<br />

klaren Selbstbild suchen. Bernhard Sieland, der das Lehrerforum als Professor<br />

am Lüneburger Institut für Psychologie entwickelt hat, fasst seine Erfahrungen<br />

so zusammen: „Bei den Eltern herrscht oft eine Kundendienstmentalität. Ich<br />

gebe mein Kind wie ein Auto in der Werkstatt ab – und erwarte, dass hinterher<br />

alles gerichtet ist, was ich nicht hinbekommen habe.“ Das Hauptproblem der<br />

Pädagogen sei gar nicht so sehr das Image als „faule Säcke“ – sondern der<br />

Glaube an den allwissenden Lehrer, der aus jungen Menschen im Alleingang<br />

gebildete Leute macht. Das Lehrerbild des 19. Jahrhunderts sieht der Bielefelder<br />

Erziehungswissenschaftler Josef Keuffer in diesem Anspruch weiterleben:<br />

„Kein Lehrer und kein Professor kann heute in seinem Fach alles wissen.“ Er<br />

bringt das veraltete Berufsbild in Verbindung mit neuen Anforderungen: „Wer<br />

sich heute nur als Fachlehrer sieht, begreift seinen Beruf definitiv zu eng. Wenn<br />

aber Lehrkräfte für alles und jedes zuständig sein sollen, haben sie überhaupt<br />

keinen klaren Aufgabenbereich mehr.“ In der Sprache der Wirtschaft heißt das:<br />

ohne Kerngeschäft kein Geschäft. Um dieses Dilemma zu lösen, rät der Erziehungswissenschaftler<br />

dazu, sich mehr Zeit zum Nachdenken zu nehmen.<br />

„Lehrkräfte müssen erkennen: Wer ist jetzt dran – der Lernhelfer, der Sozialarbeiter,<br />

der Psychologe? Aber sie müssen nicht all diese Aufgaben in einer<br />

Person erfüllen.“ Ganz ähnlich sieht das Psychologe Sieland. Auch er plädiert<br />

für mehr Selbstreflexion, liefert aber gleich das nächste Problem mit: Dafür<br />

brauchen Lehrer Zeit. „Unser Lehrer- Arbeitszeitmodell ist über 100 Jahre alt.<br />

Und was ist an Aufgaben seitdem dazugekommen? Gewaltprävention,<br />

Migranten-Integration, individuelle Förderung .&#8201;.&#8201;. Das geht<br />

überhaupt nur, wenn sich die Lehrkräfte beim Unterricht entlasten und die<br />

Schüler selbstständiger lernen lassen. Auch wenn dieser Rollenwechsel auf<br />

beiden Seiten sicher eine Schülergeneration lang dauern wird: Das ist das<br />

Berufsbild der Zukunft.“ Es ist also nicht ganz falsch, wie die Quereinsteigerin<br />

Carola Tiggemann ihre Aufgabe versteht. Und so wie sie werden nun lauter<br />

engagierte, abgebrühte, flexible und doch gefestigte junge Leute gesucht – um<br />

gleich nach der Ausbildung von der passenden Schule gebucht zu werden. Denn<br />

auch darin sind sich die Experten einig: Weil Schulen je nach Lage, Schülerschaft<br />

und pädagogischem Konzept unterschiedliche Anforderungen an ihre<br />

Lehrkräfte stellen, dürfen Bewerber nicht mehr vom Ministerium einem<br />

Arbeitsplatz zugewiesen werden. „Eigentlich sollten die Rektoren in die Hoch-<br />

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