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MICHAEL DUPOUY<br />
„… etwas, das Spuren<br />
hinterlässt“<br />
Der Pariser Kreative ist der Mann hinter „All Gone“, dem Standardwerk<br />
für globale Street Culture.<br />
Text: Pierre-Henri Camy, Bild: Dimitri Coste<br />
Michael Dupouy verdient sein Geld als<br />
Chef von La MJC, einer auf urbane Kultur<br />
und Modetrends spezialisierten Kommunikationsagentur,<br />
und mit dem Textil label<br />
Club 75, das er gemeinsam mit dem Künstler<br />
So Me und mit Pedro Winter gründete,<br />
dem obersten Botschafter elektronischer<br />
Musik fabriqué en France. Dupouy zählt<br />
zu den weltweit bestvernetzten Leuten im<br />
Bereich Street Culture. Sein seit Anfang<br />
2007 erscheinendes „All Gone“ ist eine<br />
Art Jahrbuch der globalen Street Culture,<br />
die 2014er-Ausgabe erscheint im Januar.<br />
(Und ist erfahrungsgemäß nur unwesentlich<br />
später ausverkauft.)<br />
the red bulletin: Was ist Ihr Anspruch<br />
an „All Gone“?<br />
michael dupouy: Wir verstehen es ein<br />
wenig als Enzyklopädie der Sammlerstücke.<br />
Als eine Coffeetable-Galerie der<br />
Highlights der globalen Street Culture im<br />
abgelaufenen Jahr.<br />
… mit Sneakers im Zentrum, naturgemäß.<br />
Aber auch Skateboards sind<br />
dabei, T-Shirts, Skulpturen, verschiedenste<br />
Stücke. Nach welchen Kriterien<br />
wählen Sie aus?<br />
Etwas, das auf Dauer Spuren hinterlässt,<br />
hinterlässt sie auch schon kurzfristig.<br />
Stärkstes Indiz dafür, dass ein Produkt<br />
wert ist, aufgenommen zu werden, ist<br />
also seine spontane Auswirkung auf den<br />
Markt, in dem es erscheint. Wenn es<br />
einen Nerv trifft, wenn die Leute sofort<br />
verrückt danach werden. Und natürlich<br />
ist entscheidend, wie die bedeutenden<br />
Künstler, die Meinungsbildner darauf<br />
reagieren.<br />
Und die finale Auswahl …?<br />
Wir arbeiten da auch ziemlich journalis-<br />
tisch. Für die Ausgabe 2014 haben wir<br />
mit James Jebbia gesprochen (Gründer<br />
der Streetwear-Marke Supreme; Anm.),<br />
mit KAWS (ursprünglich in der Graffiti-<br />
Szene beheimatet, gehört er heute zu den<br />
angesehensten zeitgenössischen Künstlern;<br />
Anm.), mit Nike, adidas und den anderen<br />
Big Players. Wir bemühen uns, echte journalistische<br />
Arbeit zu leisten, um zu jedem<br />
Stück auch das entsprechende Hintergrundwissen<br />
zu liefern.<br />
„All Gone. <strong>The</strong> Finest of the Street<br />
Culture“ erschien erstmals über das<br />
Jahr 2006. Was sind die Klassiker, die<br />
seine Geschichte geprägt haben?<br />
„Digital hat<br />
seine Grenzen,<br />
sie heißen<br />
Eigentum und<br />
Gedächtnis.“<br />
Die meisten der Figuren von KAWS (wie<br />
die auf dem Bild rechts mit Dupouy gezeigten;<br />
Anm.), Skateboards der US-Marke<br />
Supreme, Produkte der japanischen<br />
Marke Bape und die Nike-Sneakers des<br />
japanischen Streetwear-Pioniers Hiroshi<br />
Fujiwara. Die fallen mir spontan ein.<br />
Weil Sie die Zusammenarbeit von Fujiwara<br />
mit Nike angesprochen haben:<br />
Warum üben gerade Produkte, die in<br />
Partnerschaften entstehen, einen so<br />
besonderen Reiz aus ?<br />
Weil es Synergien sind, Einheit A und Einheit<br />
B, und beide brauchen einander.<br />
Denken Sie nur an die große Frage zum<br />
Jahresende: Wie wird die Zusammenarbeit<br />
zwischen Kanye West und adidas<br />
aussehen? Natürlich, Kanye braucht niemanden,<br />
er ist der Beeinflusser Nummer<br />
eins, aber doch braucht er adidas, weil<br />
er möchte, dass seine Produkte auf der<br />
ganzen Welt getragen werden – von Südafrika<br />
über Frankreich und die USA bis<br />
nach Japan. Es wird eine gute Zusammenarbeit<br />
sein, und das gemeinsame Produkt<br />
wird einen unfassbaren Hype auslösen –<br />
egal was die Leute darüber sagen. Vor<br />
allem innerhalb der jüngeren Generation,<br />
die sich nur über das Internet informiert,<br />
die niemals in ihrem Leben ein Magazin<br />
gekauft hat. Das ist keine Street-Culture-<br />
Generation mehr, sondern eine Screen-<br />
Culture-Generation. Je häufiger sie das<br />
Teil auf Instagram sehen, desto cooler<br />
finden sie es.<br />
In elf Jahren wird, wenn alles nach<br />
Plan läuft, die 20. Ausgabe von „All<br />
Gone“ erscheinen. Wird es dann immer<br />
noch ein Buch sein?<br />
Ich hoffe doch. Das war eine der ganz<br />
großen Herausforderungen dieses Projekts.<br />
Als ich das Buch zum ersten Mal<br />
herausgebracht habe, sagten alle, dass<br />
das Papier dem Internet zum Opfer fallen<br />
würde. Aber digital hat seine Grenzen,<br />
sie heißen Eigentum und Gedächtnis. Das<br />
Angebot ist seit der ersten Ausgabe derart<br />
rasant gewachsen, dass es viel schwieriger<br />
ist, sich zu erinnern, als zu konsumieren.<br />
Zu wissen, was 2006 cool war, was man<br />
2007 gemacht hat und was 2010 toll war,<br />
ist mittlerweile schwieriger, als den abgefahrensten<br />
Sneaker von März <strong>2015</strong> zu<br />
kennen. „All Gone“ ist da, um mit den<br />
Jahren an Bedeutung zu gewinnen.<br />
allgonebook.com<br />
52 THE RED BULLETIN