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The Red Bulletin Februar 2015 - DE

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schart sich das bunt gemischte Publikum.<br />

Etwa 500 Leute, Hipster, Anzugträger,<br />

betagte Damen.<br />

In Japan wird Eyes Musik nicht als<br />

Lärm gehört, erzählt einer der Gäste.<br />

„Lärm ist in Tokio allgegenwärtig. Die<br />

Musik der Boredoms ist unser Blues.“<br />

Eye betritt die Bühne, gefolgt von<br />

den Teilnehmern. Der Dirigent nimmt<br />

auf einem Sessel in der Mitte Platz, die<br />

Jungmusiker sitzen im Kreis um ihn,<br />

die Laptops auf dem Schoß.<br />

Alle Augen auf Eye. Wie ein Puppenspieler<br />

hebt er die linke Hand.<br />

Rooooaaaar! Ein Basswummern erfüllt<br />

den Raum.<br />

Eye reißt die Arme nach oben,<br />

schrille Sinuswellen schießen aus den<br />

Boxen. Eine körperliche Extremerfahrung:<br />

Das hohe Fiepsen bohrt sich ins<br />

Hirn, die tiefen Frequenzen massieren<br />

den Magen.<br />

Nach 30 Minuten lässt Eye den<br />

Oberkörper theatralisch nach unten<br />

klappen. Der Lärm verklingt. Frenetischer<br />

Applaus.<br />

Die Nächte bei der<br />

Academy dauern lang:<br />

Im Bild oben spielt der<br />

südafrikanische Teilnehmer<br />

King Bruce<br />

(rechts) mit seinem<br />

japanischen Kollegen<br />

Albino Sound Computerspiele<br />

im Club<br />

Womb, unten arbeitet<br />

er im Tonstudio mit<br />

Techno-Legende Carl<br />

Craig (links) und dem<br />

pakistanischen Musiker<br />

Tollcrane (rechts).<br />

Heilige Scheiße<br />

Nächster Tag, nächster Abend, der<br />

drittletzte der Academy. Der Brite<br />

Joe Willis und die Chilenin Valesuchi<br />

besprechen beim Abendessen, was sie<br />

bislang von Tokio gesehen haben, und<br />

sind sich einig: zu wenig. Außer den<br />

Clubs, in denen Academy-Events stattfanden,<br />

eigentlich nur den Weg zwischen<br />

Hotel und Academy.<br />

„Höchste Zeit, das zu ändern“, sagt<br />

Willis. Er fragt seinen japanischen<br />

Kollegen Albino Sound nach einer<br />

Empfehlung. Der meint: „Wenn ihr<br />

etwas Abartiges erleben wollt, lasst<br />

uns ins Roboter-Restaurant gehen.“<br />

Eine halbe Stunde später stehen<br />

Willis und Valesuchi in einer Bar, die<br />

aussieht wie eine von Swarovski ausgestattete<br />

Kubrick-Kulisse. Alles glitzert,<br />

von den Schneckenhaus-Sesseln bis<br />

zum kurzen Kleid der Bar-Sängerin,<br />

die eine japanische Version von „My<br />

Heart Will Go On“ haucht.<br />

In gebrochenem Englisch verkündet<br />

eine Stimme über den Lautsprecher:<br />

„Die Show beginnt!“<br />

Das Licht geht aus.<br />

Ein Kampfschrei: Wuuuahhh!<br />

In einem Gewitter aus Laserblitzen<br />

tanzen Roboterkrieger mit japanischen<br />

Drachen. Ein zwei Meter großes glitzerndes<br />

Pferd wird auf die Bühne gefahren.<br />

Im Sattel räkelt sich eine junge<br />

Frau und singt einen Song von Lady<br />

Gaga. Zwei Power-Rangers mit Fäustlingen<br />

liefern sich einen Boxkampf.<br />

Roboter, die aussehen wie Daft Punks<br />

Cousins, attackieren einen Pandabären,<br />

der auf einer riesigen Kuh über<br />

den Laufsteg reitet. Ein bunt blinkender<br />

Panzer fährt auf die Bühne, auf dem<br />

zehn Tänzerinnen in Bikinis Samba<br />

tanzen.<br />

Das Spektakel dauert 30 Minuten.<br />

„Heilige Scheiße“, sagt Willis mit<br />

fassungslosem Blick. „Was war das?!“<br />

Auf dem Rückweg zur Academy<br />

sind die drei Teilnehmer immer noch<br />

benommen. Kichern, irres Lächeln.<br />

„Wie ein Computerspiel in echt“, sagt<br />

Valesuchi. „Die Show hat mir ein paar<br />

Synapsen durchgebrannt.“<br />

Gotham City ohne Batman<br />

Die acht Tonstudios im vierten Stock<br />

des Hauptquartiers der <strong>Red</strong> Bull Music<br />

Academy sind winzig, jedoch mit<br />

modernstem Equipment ausgestattet.<br />

Abends, nach den tagsüber gehaltenen<br />

Lectures, erwachen sie zum Leben.<br />

Die ganze Etage wird zu einer Art<br />

Ameisenhaufen der Kreativität. Produzenten<br />

laufen mit Drum-Computer<br />

und Kopfhörer unterm Arm von einem<br />

Studio zum anderen, DJs zeigen einander<br />

rare Platten, die sie am Flohmarkt<br />

erstanden haben, in der kleinen<br />

Studioküche stehen zwei Sänger, die<br />

über Zettel gebeugt Liedzeilen summen,<br />

Wörter durchstreichen, neue<br />

Texte dazukritzeln.<br />

SUGURU SAITO/RED BULL CONTENT POOL, SO HASEGAWA/RED BULL<br />

MUSIC ACA<strong>DE</strong>MY (2), DAN WILTON/RED BULL CONTENT POOL<br />

76 THE RED BULLETIN

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