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schart sich das bunt gemischte Publikum.<br />
Etwa 500 Leute, Hipster, Anzugträger,<br />
betagte Damen.<br />
In Japan wird Eyes Musik nicht als<br />
Lärm gehört, erzählt einer der Gäste.<br />
„Lärm ist in Tokio allgegenwärtig. Die<br />
Musik der Boredoms ist unser Blues.“<br />
Eye betritt die Bühne, gefolgt von<br />
den Teilnehmern. Der Dirigent nimmt<br />
auf einem Sessel in der Mitte Platz, die<br />
Jungmusiker sitzen im Kreis um ihn,<br />
die Laptops auf dem Schoß.<br />
Alle Augen auf Eye. Wie ein Puppenspieler<br />
hebt er die linke Hand.<br />
Rooooaaaar! Ein Basswummern erfüllt<br />
den Raum.<br />
Eye reißt die Arme nach oben,<br />
schrille Sinuswellen schießen aus den<br />
Boxen. Eine körperliche Extremerfahrung:<br />
Das hohe Fiepsen bohrt sich ins<br />
Hirn, die tiefen Frequenzen massieren<br />
den Magen.<br />
Nach 30 Minuten lässt Eye den<br />
Oberkörper theatralisch nach unten<br />
klappen. Der Lärm verklingt. Frenetischer<br />
Applaus.<br />
Die Nächte bei der<br />
Academy dauern lang:<br />
Im Bild oben spielt der<br />
südafrikanische Teilnehmer<br />
King Bruce<br />
(rechts) mit seinem<br />
japanischen Kollegen<br />
Albino Sound Computerspiele<br />
im Club<br />
Womb, unten arbeitet<br />
er im Tonstudio mit<br />
Techno-Legende Carl<br />
Craig (links) und dem<br />
pakistanischen Musiker<br />
Tollcrane (rechts).<br />
Heilige Scheiße<br />
Nächster Tag, nächster Abend, der<br />
drittletzte der Academy. Der Brite<br />
Joe Willis und die Chilenin Valesuchi<br />
besprechen beim Abendessen, was sie<br />
bislang von Tokio gesehen haben, und<br />
sind sich einig: zu wenig. Außer den<br />
Clubs, in denen Academy-Events stattfanden,<br />
eigentlich nur den Weg zwischen<br />
Hotel und Academy.<br />
„Höchste Zeit, das zu ändern“, sagt<br />
Willis. Er fragt seinen japanischen<br />
Kollegen Albino Sound nach einer<br />
Empfehlung. Der meint: „Wenn ihr<br />
etwas Abartiges erleben wollt, lasst<br />
uns ins Roboter-Restaurant gehen.“<br />
Eine halbe Stunde später stehen<br />
Willis und Valesuchi in einer Bar, die<br />
aussieht wie eine von Swarovski ausgestattete<br />
Kubrick-Kulisse. Alles glitzert,<br />
von den Schneckenhaus-Sesseln bis<br />
zum kurzen Kleid der Bar-Sängerin,<br />
die eine japanische Version von „My<br />
Heart Will Go On“ haucht.<br />
In gebrochenem Englisch verkündet<br />
eine Stimme über den Lautsprecher:<br />
„Die Show beginnt!“<br />
Das Licht geht aus.<br />
Ein Kampfschrei: Wuuuahhh!<br />
In einem Gewitter aus Laserblitzen<br />
tanzen Roboterkrieger mit japanischen<br />
Drachen. Ein zwei Meter großes glitzerndes<br />
Pferd wird auf die Bühne gefahren.<br />
Im Sattel räkelt sich eine junge<br />
Frau und singt einen Song von Lady<br />
Gaga. Zwei Power-Rangers mit Fäustlingen<br />
liefern sich einen Boxkampf.<br />
Roboter, die aussehen wie Daft Punks<br />
Cousins, attackieren einen Pandabären,<br />
der auf einer riesigen Kuh über<br />
den Laufsteg reitet. Ein bunt blinkender<br />
Panzer fährt auf die Bühne, auf dem<br />
zehn Tänzerinnen in Bikinis Samba<br />
tanzen.<br />
Das Spektakel dauert 30 Minuten.<br />
„Heilige Scheiße“, sagt Willis mit<br />
fassungslosem Blick. „Was war das?!“<br />
Auf dem Rückweg zur Academy<br />
sind die drei Teilnehmer immer noch<br />
benommen. Kichern, irres Lächeln.<br />
„Wie ein Computerspiel in echt“, sagt<br />
Valesuchi. „Die Show hat mir ein paar<br />
Synapsen durchgebrannt.“<br />
Gotham City ohne Batman<br />
Die acht Tonstudios im vierten Stock<br />
des Hauptquartiers der <strong>Red</strong> Bull Music<br />
Academy sind winzig, jedoch mit<br />
modernstem Equipment ausgestattet.<br />
Abends, nach den tagsüber gehaltenen<br />
Lectures, erwachen sie zum Leben.<br />
Die ganze Etage wird zu einer Art<br />
Ameisenhaufen der Kreativität. Produzenten<br />
laufen mit Drum-Computer<br />
und Kopfhörer unterm Arm von einem<br />
Studio zum anderen, DJs zeigen einander<br />
rare Platten, die sie am Flohmarkt<br />
erstanden haben, in der kleinen<br />
Studioküche stehen zwei Sänger, die<br />
über Zettel gebeugt Liedzeilen summen,<br />
Wörter durchstreichen, neue<br />
Texte dazukritzeln.<br />
SUGURU SAITO/RED BULL CONTENT POOL, SO HASEGAWA/RED BULL<br />
MUSIC ACA<strong>DE</strong>MY (2), DAN WILTON/RED BULL CONTENT POOL<br />
76 THE RED BULLETIN