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Alles aus. Alles neu.

Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC Ausgabe 02/2012

Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC
Ausgabe 02/2012

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Auf konventionellem Wege, also<br />

durch mehr Arbeit, durch noch mehr<br />

Lernen unterm Schuljahr ist das für<br />

diese Burschen und Mädchen nicht<br />

zu schaffen, sie sind bereits am Limit.<br />

Einige haben deshalb ihre Strategie<br />

geändert: Sie teilen die schulischen<br />

Anforderungen in mehrere „B<strong>aus</strong>tellen“<br />

auf. <strong>Alles</strong>, was ihnen leichter fällt,<br />

schließen sie positiv ab. Mit einer Entscheidungsprüfung<br />

am Jahresende in<br />

einem Problemfach und einer Wiederholungsprüfung<br />

im Herbst in einem<br />

anderen, gewinnen sie Zeit, verteilen<br />

den Lernstoff übers gesamte Jahr und<br />

können ihn so bewältigen.<br />

Angst und<br />

Verzicht treiben<br />

die PERSÖN LICHE<br />

Weiterentwicklung<br />

voran<br />

Seit Ausbruch der Wirtschaftskrise<br />

fühlt sich die Zukunft für viele noch<br />

ungewisser an. Der Umbruch lauert,<br />

so scheint es. Und selbst wenn der<br />

Crash <strong>aus</strong>bleibt, so kommt er leise und<br />

unterschwellig. In den Industrieländern,<br />

den reifen Märkten, ist die<br />

Epoche des Schrumpfens eingeläutet.<br />

Prioritäten definieren. Menschen<br />

schützen sich vor der Ungewissheit,<br />

indem sie Vorsorge treffen. Gegen<br />

die Angst hilft, so heißt es, ihr ins<br />

Auge zu sehen: Wovor habe ich denn<br />

überhaupt Angst? Was ist mir wirklich<br />

wichtig, und wo liegt meine<br />

Schmerzgrenze? Wer einmal zum<br />

Kern dieser Fragen vorgedrungen ist,<br />

wird möglicherweise feststellen, dass<br />

viele Ängste unbegründet sind. Das<br />

allein kann befreiend wirken. Natürlich<br />

will niemand seinen Job oder sein<br />

Unternehmen verlieren, Ersparnisse<br />

in einer Währungskrise verpuffen<br />

sehen. Doch den meisten Menschen<br />

sind andere Dinge wichtiger, zumeist<br />

sind es Beziehungen zu Familie und<br />

Freunden. In unsicheren Zeiten ist das<br />

Investieren in persönliche Beziehungen<br />

deshalb wichtiger denn je.<br />

Selbsttest. Nach der theoretischen<br />

Abklärung der persönlichen Schmerzgrenze<br />

kann die Askese wertvolle<br />

Erkenntnisse über sich selbst liefern<br />

und Verlustängste minimieren. Im<br />

Selbstversuch kann getestet werden,<br />

wie wichtig einem Dinge und Gewohnheiten<br />

wirklich sind. Der Städter,<br />

der eine Zeitlang freiwillig aufs Auto<br />

verzichtet, wird merken, dass es auch<br />

anders gehen kann. Es soll ein Leben<br />

ohne Fernseher geben. Wer meint,<br />

ohne Kaffee nicht funktionsfähig zu<br />

sein, kann sich genau dieser Her<strong>aus</strong>forderung<br />

stellen.<br />

Plan B. Vorbereitet sein ist alles. Vielen<br />

Menschen hilft es, einen Plan B<br />

zu haben. Damit spielen sie sich gedanklich<br />

frei und Ängste vor einer<br />

ungewissen Zukunft schrumpfen. Ein<br />

Wiener Stadtfrisör hat etwa in ein exklusives<br />

Messer- und Scherenset <strong>aus</strong><br />

Japan investiert. Das ist seine Versicherung<br />

für den Tag X, wenn die Bankomaten<br />

kein Geld mehr <strong>aus</strong>geben.<br />

Dann will er mit seinem Handwerk<br />

und seinem erstklassigen Werkzeug<br />

von Tür zu Türe gehen und notfalls<br />

im T<strong>aus</strong>chhandel gegen Lebensmittel<br />

Haare schneiden.<br />

Europa ist<br />

fortschrittsfeindlicher<br />

als Asien<br />

Es gibt natürlich auch gute Gegenargumente<br />

gegen Krisenidyllen und<br />

Parallelwelten, gegen eine solcherart<br />

konsumverweigernde und wachstumsmüde<br />

Kultur. Der deutsche Verleger<br />

Wolfram Weimer argumentierte,<br />

dass sich Europa heute, insbesondere<br />

im Vergleich mit Asien, auf einem<br />

fortschrittsfeindlichen Kurs befinde.<br />

„Wir wollen nicht mehr weiter werden“,<br />

beschreibt er den Zeitgeist im Nachrichtenmagazin<br />

profil 1 .<br />

Vielleicht liegen die Dinge auch ganz<br />

anders, und es verbirgt sich hinter<br />

dieser vermeintlichen Passivität die<br />

Avantgarde. Innehalten ist nicht<br />

gleichbedeutend mit Stillstand. Vielleicht<br />

sind Konkurrenzdenken und<br />

klassisch-technisches Fortschrittsstreben<br />

passé, die Zeit aber reif für<br />

das etwas wirklich Neues. Es spricht<br />

vieles dafür, dass unser Innovationsstreben<br />

künftig sozialer Innovation<br />

gelten muss. Wenn nun in Europa eine<br />

Bereitschaft zur Verhaltensänderung<br />

entsteht – ja, in der wirtschaftlichen<br />

Dauerflaute durch die Macht des Faktischen<br />

entstehen muss –, mag darin ein<br />

enormer (Wettbewerbs-)Vorteil liegen.<br />

Experten für nachhaltige Energie sind<br />

sich weitgehend einig, dass technische<br />

Innovationen allein die Energiewende<br />

nicht herbeiführen werden, dafür<br />

ist eine Veränderung unserer Konsumgewohnheiten<br />

nötig. Windräder<br />

und Solarpaneele allein werden nicht<br />

<strong>aus</strong>reichen, um <strong>neu</strong>n Milliarden Menschen<br />

– dies ist die UN-Bevölkerungsprognose<br />

für 2050 – ein erträgliches<br />

Leben auf der Erde zu ermöglichen.<br />

Alternativen zur fossilen Energie<br />

müssen also von sozialer Innovation<br />

begleitet sein.<br />

In Zukunft werden<br />

vor allem soziale<br />

Innovationen unsere<br />

Nöte befriedigen<br />

Soziale Innovationen, so schreibt<br />

Managementguru Peter F. Drucker in<br />

seinem Buch Innovation and Entrepre<strong>neu</strong>rship,<br />

seien auch in der Vergangenheit<br />

weitreichender als technische<br />

gewesen. So hätten Spitäler, die in ihrer<br />

modernen Form im Zuge der Aufklärung<br />

entstanden, viel größere Auswirkungen<br />

auf das Gesundheitswesen<br />

gehabt als die meisten Medikamente.<br />

Das Fundament der führenden Rolle<br />

Deutschlands als Industrienation<br />

seien nicht primär seine Erfindungen<br />

und technischen Errungenschaften,<br />

sondern die Art der Organisation der<br />

Produktion und Lehrlings<strong>aus</strong>bildung.<br />

Aus dem Blickwinkel der Anthropologie<br />

jedenfalls steht dem Menschen<br />

stets ein Spektrum an Möglichkeiten<br />

offen. Er ist Generalist. Und er ist<br />

laut Anthropologin Gisela Grupe „ein<br />

ewiger Opportunist“, der sich an <strong>neu</strong>e<br />

und wechselnde Lebensbedingungen<br />

rasch anpassen kann. Dieser Zugang<br />

zum und Umgang mit dem Neuen war<br />

und ist sein Erfolgsrezept. •<br />

1 www.profil.at/articles/1225/560/<br />

331996/retro-industrie-so<br />

<strong>Alles</strong> <strong>aus</strong>. <strong>Alles</strong> <strong>neu</strong>.<br />

15

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