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Alles aus. Alles neu.

Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC Ausgabe 02/2012

Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC
Ausgabe 02/2012

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Also keine Aussicht auf eine völlig<br />

<strong>neu</strong>e Art, um von A nach B zu kommen?<br />

Das beste Konzept, das ich dazu kenne,<br />

ist der Infinite Improbability Drive<br />

<strong>aus</strong> dem Buch „Hitchhiker’s Guide to<br />

the Galaxy“. Die Idee ist, dass ein Objekt<br />

mittels der quantenmechanischen<br />

Wellenfunktion so weit im Raum verteilt<br />

ist, dass es im Prinzip überall sein<br />

kann. Das Problem ist nur, dass man<br />

vor Antritt der Reise nicht weiß, wo<br />

im Universum man landen wird…<br />

Markus Aspelmeyer ist Professor für Physik an der<br />

Universität Wien. Zuvor war er unter anderem am Institut<br />

für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI)<br />

der Österreichischen Akademie der Wissenschaften<br />

in Wien tätig. Er ist Gründungsmitglied und derzeitiger<br />

Sprecher des Vienna Center for Quantum Science and<br />

Technology (VCQ). Aspelmeyer wurde national und international<br />

mehrfach für seine Forschungen im Bereich<br />

der Quantenphysik <strong>aus</strong>gezeichnet.<br />

http://aspelmeyer.quantum.at<br />

Hat es Potenzial, umgesetzt zu werden?<br />

Leider nein.<br />

Wie sieht’s mit Beamen <strong>aus</strong>?<br />

Ebenfalls hoffnungslos. Beamen ist<br />

nichts anderes als Informationsübertragung,<br />

allerdings ohne dass das Teilchen,<br />

das die Information ursprünglich<br />

trägt, transportiert wird. Die<br />

Informa tion wird auf ein entferntes<br />

Teilchen übertragen, und am Ausgangsort<br />

unwiderruflich gelöscht. Die<br />

Teleporta tion, die ihren Namen <strong>aus</strong><br />

dem Film Star Trek erhielt, wurde im<br />

Labor erstmals in Österreich mit einzelnen<br />

Lichtteilchen und auch Atomen<br />

erprobt. Dabei wurden schon Distanzen<br />

bis zu 140 Kilometer erreicht. Die<br />

Schwierigkeit liegt darin, mehr Information<br />

als einige wenige Bits zu teleportieren.<br />

Bei einem größeren System,<br />

und sei es auch nur ein Radiergummi,<br />

wird’s prinzipiell unmöglich.<br />

DAS Gedankenexperiment der Quantenphysik,<br />

Schrödingers Katze, zeigt das<br />

Dilemma, dass die uns bekannte Welt<br />

und die der Quantenphysik unvereinbar<br />

sind. Wie kann das Beispiel übersetzt<br />

werden auf gesellschaftliche Prozesse?<br />

Schrödinger wollte damit sagen, dass<br />

die Quantenphysik Zustände von Objekten<br />

zulässt, die sich unserem Alltagsverständnis<br />

völlig entziehen.<br />

(Aspelmeyer entschuldigt sich, um seiner<br />

echten Katze die Türe zu öffnen.)<br />

Wir können heute Experimente durchführen,<br />

deren Ergebnisse im direkten<br />

Widerspruch stehen mit unserer Vorstellung,<br />

dass <strong>aus</strong>schließlich der eine<br />

oder der andere Zustand eines Objekts<br />

vorliegt, zum Beispiel dass ein Objekt<br />

„hier“ oder „dort“ ist. Bei Atomen oder<br />

Lichtteilchen mag einen das wenig stören,<br />

weil man von diesen kleinen Objekten<br />

keine rechte Vorstellung hat,<br />

weil sie ja so klein sind. Aber bei einer<br />

Katze steht das im direkten und ganz<br />

krassen Widerspruch zu dem, was wir<br />

<strong>aus</strong> dem Alltag kennen, nämlich entweder<br />

tot oder lebendig.<br />

Was heißt das alles für unser Denken?<br />

Im Moment ist die größte Her<strong>aus</strong>forderung,<br />

diese Erkenntnis einmal zu<br />

verdauen und klarzumachen, dass<br />

Quantenphysik unser Weltbild radikal<br />

infrage stellt. Da sind <strong>neu</strong>e Denkansätze<br />

gefragt.<br />

Was zeigt uns die Quantenphysik, das wir<br />

bisher nicht vollständig gedacht haben?<br />

Wir wissen mittlerweile, wo wir falsch<br />

liegen. Nämlich zu denken, dass man<br />

einem Objekt Eigenschaften unabhängig<br />

von der Messung der Eigenschaften<br />

zuschreiben kann. Platt formuliert<br />

könnte man sagen: Wir gehen fälschlicherweise<br />

davon <strong>aus</strong>, dass jemand<br />

Schuhe trägt, auch wenn wir nicht hinschauen.<br />

Diese sogenannte Realismusannahme<br />

ist falsch, zusammen mit der<br />

Annahme, dass meine Beobachtung an<br />

meinem Ort keinen Einfluss auf Ihre<br />

Beobachtungen an Ihrem weit entfernten<br />

Ort hat. Das ist ein extrem harter<br />

Brocken, weil diese beiden Annahmen<br />

nahezu intuitiv in unserer Weltanschauung<br />

verankert sind. Was wir<br />

noch nicht wissen, ist, wie man stattdessen<br />

darüber nachdenken sollte.<br />

Kann Quantenphysik ein Umbruch<br />

in unserem naturwissenschaftlichen<br />

Denken sein? Löst es Bisheriges ab oder<br />

ist es eine alternative Denkweise?<br />

Aus unseren Experimenten haben wir<br />

bereits unabänderbare Fakten, die wir<br />

nicht mit den einfachen Annahmen,<br />

auf denen unser Weltbild fußt, erklären<br />

können – unabhängig von der physikalischen<br />

Theorie. Wir wissen also,<br />

dass wir unsere Anschauungen gewaltig<br />

ändern müssen. Wir arbeiten auch<br />

mit Philosophen zusammen, um konsistente<br />

Denkweisen zu finden. Um auf<br />

die Frage zu antworten: Es wird bisheriges<br />

Denken ablösen.<br />

Wie kommen wir her<strong>aus</strong> <strong>aus</strong> unserem<br />

Denkschema: Wir sehen nur, was wir<br />

kennen? Oder um Einstein zu zitieren:<br />

„Der gesunde Menschenverstand ist<br />

nichts anderes, als die Summe der Vorurteile,<br />

die wir bis zum 18. Lebensjahr<br />

erworben haben.“<br />

Man muss die Leute so früh wie möglich<br />

mit der verrückten Welt der Quantenphysik<br />

konfrontieren und sie zum<br />

Denken anregen. Eigentlich dürfte man<br />

das Gymnasium nicht verlassen, ohne<br />

mit diesem Weltbild konfrontiert worden<br />

zu sein. Und vielleicht muss man<br />

ja noch früher ansetzen.<br />

Warum brauchen wir Bilder, um etwas<br />

zu glauben?<br />

Das scheint ein natürliches Bedürfnis<br />

zu sein. Dar<strong>aus</strong> entspringt die menschliche<br />

Neugier. Unsere Erklärungen<br />

beruhen nicht nur auf Hypothesen<br />

über die Welt, diese sollen auch nicht<br />

im Widerspruch mit der Gesamtheit<br />

unserer Beobachtungen stehen.<br />

Wir wollen ein konsistentes Weltbild.<br />

Die Quantenexperimente zwingen uns<br />

dazu, einige dieser Hypothesen, wie<br />

etwa den Realismus, aufzugeben.<br />

Und das ist letztlich gen<strong>aus</strong>o schwer,<br />

wie es sich anhört … •<br />

<strong>Alles</strong> <strong>aus</strong>. <strong>Alles</strong> <strong>neu</strong>.<br />

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