Alles aus. Alles neu.
Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC Ausgabe 02/2012
Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC
Ausgabe 02/2012
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Eigentlich erstaunlich: Über ihr <strong>neu</strong>es Smartphone, ihren<br />
<strong>neu</strong>en Hund, ihre <strong>neu</strong>en Tapeten, ihre <strong>neu</strong>e Frisur, ihren <strong>neu</strong>en<br />
Chef – über vieles machen sich die Menschen heute Gedanken.<br />
Doch selten denken sie darüber nach, wie sie sich<br />
fortbewegen. Mobilitätsverhalten scheint so fix zu sein wie<br />
die Uhrzeit oder das Brauchtum.<br />
In Vorarlberg weiß man das. Deshalb erhalten Mitarbeiter, die<br />
zu einem der innovativen Unternehmen wechseln, schon vor<br />
ihrem ersten Arbeitstag einen Brief. Darin werden sie höflich<br />
gefragt, ob sie nicht auf die Öffis umsteigen möchten. Wenn<br />
ja, wird ihnen das Ticket bezahlt. Der Jobwechsel eine Zäsur –<br />
und eine Chance für Neues. Kaum jemand hat sein Umsteigen<br />
bis dato bereut. Die Vorarlberger Erfahrungen werden nun<br />
auch von einer repräsentativen Befragung in sechs europäischen<br />
Ländern gestützt. Im Rahmen des EU-Projekts „USEmobility“<br />
1 wurde festgestellt, dass die Menschen am ehesten<br />
dann auf ein anderes Verkehrmittel umsteigen, wenn sie sich<br />
beruflich verändern, wenn sie mehr Sport betreiben möchten<br />
oder ihren Wohnort wechseln. Öffentliche Verkehrsmittel kommen<br />
zum Zug, wenn die Haltestellen gut erreichbar sind, die<br />
Intervalle kurz sind und die Fahrziele möglichst direkt erreicht<br />
werden können. Manchmal sind es auch andere Zäsuren im<br />
Leben. Auch unerfreuliche. Im ersten Moment scheint alles<br />
<strong>aus</strong>, alles anders, alles vorbei zu sein. Doch das Leben geht<br />
weiter. Und wie es weiter geht! Manchmal gibt es auch <strong>neu</strong>e,<br />
erfreuliche Erfahrungen. Genau davon erzählen die vier Menschen,<br />
die auf diesen Seiten zu Wort kommen.<br />
Foto:s: uwe Mauch<br />
REGINA MACHO, staatlich geprüfte Fremdenführerin.<br />
Fährt seit vielen Jahren täglich mit dem Rad von<br />
ihrem H<strong>aus</strong> im Grünen, in Kloster<strong>neu</strong>burg, zur Arbeit<br />
nach Wien. Vor wenigen Wochen hat sie einen verantwortungsvollen<br />
Job in der Hofburg gekündigt, um sich<br />
<strong>neu</strong>en Aufgaben zu widmen. Ihre Entscheidung ist ihr<br />
nicht leicht gefallen, doch vor dem Neuen fürchtet sie<br />
sich nicht.<br />
„Die Fahrt mit dem Auto zur Arbeit kommt für mich schon alleine<br />
deshalb nicht in Frage, weil ich keines besitze. Als Radfahrerin<br />
kann ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.<br />
Das Rad hält mich fit, bringt mich in der Früh in Schwung.<br />
Außerdem verbindet es mich mit der Natur. Denn ich fahre ja<br />
von draußen, vom Land rein in die Stadt, ein Stück auch<br />
durch die Donauauen. Ich bin früher immer mit dem Auto zur<br />
Arbeit gefahren, nur damals habe ich die Natur nicht so unvermittelt<br />
und intensiv erleben können. Einkaufen? Ist gar<br />
kein Problem. Ich habe Packtaschen fürs Rad. Da passt alles<br />
rein. <strong>Alles</strong> nur eine Frage der Organisation. Ich habe einen<br />
guten Job aufgegeben, um einen sehr guten zu finden. Dabei<br />
geht es mir auch um ein Mehr an Lebensqualität. Zum<br />
Beispiel strebe ich im Moment keinen Fulltime-Job an, weil<br />
ich mir auch noch ein bisschen Raum für die Fremdenführerei<br />
schaffen möchte. Interessant ist, dass ich bereits verschiedene<br />
Jobangebote bekommen habe, ohne dass ich<br />
noch selbst aktiv war. Das tut nicht nur der Seele gut, das<br />
bestätigt mich auch in meiner Entscheidung.“<br />
REINHARD RODLAUER hat einen Gendefekt, der<br />
sich im Alter von elf Monaten bemerkbar machte. Spinale<br />
Muskelatrophie, sagen die Mediziner. Und meinen<br />
damit den Muskelschwund. Der Bewegungsap parat<br />
kann den Anweisungen des Gehirns nicht Folge<br />
leisten. Seine Kindheit und Jugend im niederösterreichischen<br />
Lunz am See war geprägt von Barrieren und<br />
Entbehrungen, auch von vier deprimierenden Jahren<br />
auf Arbeitssuche. <strong>Alles</strong> <strong>aus</strong>? Nein, alles <strong>neu</strong>! Der Rollstuhlfahrer<br />
hat eine schöne berufliche Karriere hingelegt.<br />
Schon als Trafikant ist er in seiner Freizeit als anonymer<br />
Testfahrer durchs Land gefahren. So wurde man<br />
bei den Österreichischen Bundesbahnen auf ihn aufmerksam.<br />
Seit sechs Jahren ist Rodlauer deren Konzernkoordinator<br />
für Barrierefreiheit.<br />
„Es ist ein unglaublich erhebendes Gefühl, wenn man mich<br />
heute mit der Klapprampe in einen Zug oder Bus hebt. Als<br />
Kind konnte ich dem Postbus leider nur beim Davonfahren zuschauen.<br />
Meine Aufgabe bei den ÖBB ist es, Barrierefreiheit<br />
konzernübergreifend zu verwirklichen. Wir sind da auf einem<br />
guten Weg: 75 Prozent unserer Busse sind bereits barrierefrei,<br />
alle <strong>neu</strong>en Nahververkehrszüge sind mit Klapprampen <strong>aus</strong>gestattet,<br />
auch im Railjet gibt es fahrzeuggebundene Hebe lifte.<br />
Und im Jahr 2015 sollen die 140 meist frequentierten Bahnhöfe<br />
in Österreich barrierefrei sein. Warum ich am liebsten mit<br />
der Bahn verreise? Weil für mich die Bahn komfortabler ist als<br />
Flugzeug oder Auto. Im Flugzeug komme ich mit dem Rollstuhl<br />
nicht ins Klo, und eine Autofahrt ist mir zu anstrengend.“<br />
<strong>Alles</strong> <strong>aus</strong>. <strong>Alles</strong> <strong>neu</strong>.<br />
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