16 Foto: Christoph Wisser
Land in Sicht Schrumpfende Regionen müssen sich <strong>neu</strong> erfinden, um überleben zu können. Manchmal hilft aber nur mehr die Abrissbirne. Oft nicht die schlechteste Lösung. Von Daniela Müller Wenn in einer Metropole nicht mehr Autos das Straßenbild bestimmen, sondern Gemüsegärten, ist einiges im Wandel. Detroit ist so eine Stadt. Einst Hochburg der Autoindustrie, ist Detroit nach dem Wegfall t<strong>aus</strong>ender Arbeits plätze heute aufgeteilt in eine „chocolate city“, eine Innenstadt mit 90 Prozent vielfach armer und beschäftigungsloser Afroamerikaner und in „vanilla suburbs“, einem fetten Speckgürtel, in dem fast <strong>aus</strong>schließlich wohlhabende Weiße wohnen. Detroit ist eine Stadt, in der die Einwohnerzahl von einst zwei Millionen auf 700.000 geschrumpft ist, in der 4.000 verlassene Bauten stehen und in die Touristen nur kommen, um Bauruinen zu fotografieren. Eine Stadt, die lange Zeit vergessen hat, zu handeln. Detroit ist das stark ramponierte Gesicht der postindustriellen Zeit. Dennoch haben sich Bürger, Organisationen und die Stadtverwaltung zum Handeln entschlossen. In den letzten Jahren ist eine „Stadtlandschaft“ entstanden. In brach liegenden Arealen oder dort, wo Häuser abgerissen wurden, hat man mit Urban Gardening-Projekten die Landwirtschaft in den urbanen Raum geholt. Und weil die Stadt pleite ist, erledigen die Bürger die Reinigung und Beleuchtung ganzer Straßen, die Müllabfuhr und die Aufgaben der Polizei selbst. Diese <strong>neu</strong>e Mischung <strong>aus</strong> Kunst, Kultur und aktivem Bürgertum scheint auch in der Bevölkerung gut angekommen zu sein: Die Abwanderung konnte reduziert werden. Der Niedergang von Wirtschaftszweigen mit Fabrikschließungen, der Rückgang bäuerlicher Strukturen, Zersiedlung, Flucht in die Städte und der demografische Wandel zwingen weltweit schrumpfende Regionen zum Umdenken. Schrumpfungsprozesse sind globale Phänomene, die auch Österreich erfasst haben In Ostdeutschland will man beispielsweise mit dem „Stadtumbau Ost“ 1 die Bürger zum Umzug in Innenstädte bewegen und reißt radikal leerstehende Wohnbauten ab. In Österreich sei Rückbau noch kein Thema, sagt Elisabeth Stix von der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) 2 . Doch was nicht ist, kann noch werden: Massiv von Abwanderung bedroht sind die Obersteiermark, manche Bezirke im Burgenland und Kärnten sowie das nördliche Waldviertel. Laut ÖROK werden in Bezug auf die Bevölkerung die Stadtregionen weiter wachsen und entlegene Regio nen das Nachsehen haben. „Man kann sich globalen Trends, die für Schrumpfungsprozesse verantwortlich sind, nicht widersetzen“, meint Stix. Hier gilt es, Alternativen zu finden und Potenziale zu heben. „Das geht nur, wenn Verwaltung, Politik, Bevölkerung und Experten gut zusammenarbeiten. Lösungen brauchen Zeit und Ressourcen.“ <strong>Alles</strong> <strong>aus</strong>. <strong>Alles</strong> <strong>neu</strong>. 17