72missverstanden. Ich kann mich nur erinnern, dassAlbert Schweitzer mehrfach nach <strong>Dortmund</strong>kam, in der Reinoldikirche Orgel spielte undich als Junge da gestanden habe mit Fackelnvor dem Römischen Kaiser zu Ehren von AlbertSchweitzer. Da kam Ewald Görshop und vondaher verbinde ich das mit ihm.Günter Samtlebe: Wir sind alle hingegangen undich spende heute noch für die Albert Schweitzer-Stiftung. Ewalds Wort hat gegolten, das sage ichvoller Dankbarkeit. Auch was er an Erziehung anvielen von uns jungen Hechten geleistet hat. Erhatte Vorbildcharakter und die Karoline, die warAWO-Chefin im Bezirk, die war großartig.Erdmann Linde: Deine Arbeit, außer in diesemGutsausschuss, worin bestand sie vor allem?Du bist ja gewählt worden mit dem Slogan„Sozialismus, Planwirtschaft und Demokratie“.Konntest du irgendetwas davon umsetzen?Günter Samtlebe: Nein, habe ich nichts vongehalten. Das sage ich in aller Offenheit,dieses dumme Gequatsche, der Samtlebe istein Rechter. Ich war für eine sozial gerechteMarktwirtschaft. Über Freiheit und Demokratiebrauchen wir nicht zu diskutieren, das sindSelbstverständlichkeiten.Erdmann Linde: Gab es da Probleme mit deinerArbeit bei Hoesch?Günter Samtlebe: Nein, gar keine. Ich musstedie Arbeit einteilen, das kann man sich heutenicht mehr vorstellen, was das bedeutet.Denn ich wollte das natürlich auch, weil ich jamerkte, da liegt eine schöne Leiter nach obenund das wäre nicht nur Dummheit gewesen,es wäre auch für das spätere Fortkommenfalsch gewesen, so dass ich da malocht habe.Da sitzen noch mehr, guck auf Rolf Hahn. Wirhaben unsere Arbeit gemacht, sind ins Rathausgerannt und ich bin beispielsweise nachRatssitzungen oder Fraktionssitzungen wiederzurückgegangen, später an der RheinischenStraße in diesem großen Prachtbau da. Ich habemich sehr wohl dabei gefühlt. Man war ja nochjung. Noch mit 70 Jahren habe ich gesagt, bistnoch ein junger Schlips dabei. Das ist alles klar,weil man so vernarrt ist, in das, was man tut,dass man das auch mit Liebe und Engagementmacht.Erdmann Linde: Hoesch war damals – soerscheint es mir – das Rückrat der <strong>SPD</strong>-Fraktion.Direkt nach dem Krieg sah es ein bisschen andersaus, da waren das vor allem die Bergleute.Was hat sich da geändert? War das schon derStrukturwandel, der begann, dass die Bergleutezahlenmäßig nicht mehr so stark waren oderhatte das mit dem Einfluss der IG Metall und IGBergbau zu tun? Man sprach ja früher immervon der Blechfraktion.Günter Samtlebe: Das war Horst ZeidlersAusdruck „Blechfraktion“.Erdmann Linde: Na ja, es hieß richtig Blechmafia,aber das wollte ich ja nicht sagen.Günter Samtlebe: Da muss man jetzt eineganz deutliche Antwort geben. Die Mehrheitunserer Wähler waren Bergleute, Hüttenleute,Handwerker, Malocher. Also muss auch derRat die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürgerwiderspiegeln, ganz einfach, Schluss.Erdmann Linde: Du hattest damals alsOberbürgermeister in der Fraktion nicht mehrFritz Henßler erlebt, sondern gleich DietrichKeuning.Günter Samtlebe: Dietrich Keuning war dererste, den ich erlebt habe. Die anderen kenneich aber sehr gut, Wilhelm Hansmann sehr nah.Fritz Henßler, dieser großer Denker. Er war einliberal denkender Mann und kam ja aus Baden-Württemberg. Das hat man immer noch amDialekt gehört. Er war vorgesehen, unter KurtSchumacher Außenminister zu werden. DieserWunsch ist leider nicht in Erfüllung gegangen,weil alle Wahlen baden gegangen sind und zwarmit erbärmlichen Ergebnissen für uns, und wirwaren da schon sehr geknickt.Erdmann Linde: Das sind Erinnerungen, diedu auch noch präsent hast. Die Abende derBundestagswahlen, wenn man vor dem Radiosaß und hörte bis weit nach Mitternachtund schrieb auf und zählte und es reichteniemals.Günter Samtlebe: Wir saßen ja erst später vordem Fernseher. Bis zum Schluss treffen wir unshier immer im Rathaus, mal saufen wir undjubeln und bei der letzten Landtagswahl sind
Günter Samtlebe.wir rumgelaufen – also das kann man gar nichtbeschreiben. Dann hat man sich eben vor Trauerso langsam einen reingezogen. Das gehörteinfach dazu. Aber es war immer hier. Ganz amAnfang sind wir zum Teil zum Brüderweg insParteibüro gegangen.Erdmann Linde: Ich habe auch in Erinnerung,dass es leichte Spannungen gab, wo geht manhin, zum Brüderweg, geht man zum Unterbezirkoder geht man ins Rathaus, aber das hat sich jajetzt doch geklärt.Günter Samtlebe: Das stimmt mit den Spannungen,aber ich bin, seit ich Fraktionsmitgliedwar, hier geblieben. Man möchte unter denengsten Freunden sein.Erdmann Linde: Ich sprach Dietrich Keuning an.Kannst du uns über ihn etwas sagen? Ich weißnämlich nur, wie es zu Ende gegangen ist, unddas würde ich gerne erzählen. Ich habe da guteErinnerungen daran, aber vielleicht sind dasauch nur Dönekens.Günter Samtlebe: Du meinst, wie das mit demRat zu Ende gegangen ist.Erdmann Linde: Ja, dass Dietrich Keuning anseinem Geburtstag kam und sagte, ich habeheute morgen meiner Frau versprochen, ichhöre auf und von heute auf morgen war keinOberbürgermeister mehr da.Günter Samtlebe: Nein, das hat er vorhergeregelt, mit mir – unter vier Augen. Das kannman ja heute sagen. Aber was war vorher?Dietrich Keuning war mein Betriebsratsvorsitzender.Rolf kennt ihn noch, alle, die von der altenHüttenunion nach Hoesch rübergegangen sind.Dietrich war so ein gradliniger, etwas pingeligerMann. Er war nicht so, wie viele von uns sind.Aber die Sauberkeit strahlte dieser Mannvollkommen aus. Betriebsratsvorsitzender,Bundestagsabgeordneter und dann, dass weißich noch ganz genau, wie er zu mir kam underzählte das mit dem Oberbürgermeister.Erdmann Linde: Vor oder nach dem Geburtstag?Günter Samtlebe: Nein, als er Oberbürgermeisterwerden wollte. Da sagte er, dann muss ersein Bundestagsmandat niederlegen. Er hatdas nur noch ein ganz klein wenig gehalten.Im Grunde war ich dagegen und zwar auseinem ganz einfachen Grund: Das hat JochenDieckmann gerade gesagt: In den Landtag und73