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COMICS<br />
NASSER BESCHLIESST<br />
ZU STERBEN<br />
Von Nik Bieri<br />
■ Iran in den sechziger Jahren: Nasser Ali lebt<br />
mit seiner Familie in Teheran. Er ist ein landesweit<br />
bekannter und geschätzter Musiker, vielleicht der<br />
grösste Tar-Spieler seiner Zeit.<br />
Doch Nasser Ali ist des Lebens überdrüssig<br />
und beschliesst zu sterben. Seine Laute ist gebrochen<br />
und kein anderes Instrument kann ihm<br />
die Freude an der Musik wiederbringen. Nasser<br />
Ali zieht sich in sein Zimmer zurück, legt sich ins<br />
Bett und w<strong>art</strong>et auf den Tod. Doch zuerst kommen<br />
seine Frau, seine Kinder und seine Geschwister<br />
an sein Bett. Und damit auch Erinnerungen<br />
an gute und schlechte Zeiten in seinem Leben.<br />
Mit jedem weiteren Tag seines W<strong>art</strong>ens erfahren<br />
wir mehr über Nasser Alis Vergangenheit.<br />
Was Marjane Satrapi in ihrem neuen Buch<br />
erzählt, ist nicht einfach die Geschichte einer<br />
Midlife-Crisis, sondern eine Lebensgeschichte,<br />
die ganz alltäglich scheint und doch durch und<br />
durch tragisch verläuft. Bei näherer Betrachtung<br />
kommen zwischen künstlerischem Erfolg und Familienglück<br />
Stiche und Wunden zum Vorschein,<br />
falsch gestellte Weichen und richtig gelegte Fallen.<br />
Es geht um Grosses in diesem Buch: Es geht<br />
um den Wunsch, im Leben das zu fi nden, was<br />
man wirklich sucht, und um das Glück, das darin<br />
liegt. Es geht um die Authentizität des Menschen<br />
und um seine Verletzlichkeit.<br />
Der iranischen Comic-Autorin Satrapi ist ein<br />
Buch gelungen, das Warnung oder Weckruf sein<br />
kann, oder auch nur berührende Tragödie. Satrapis<br />
naiv anmutender Zeichenstil setzt die Geschichte<br />
gekonnt in Szene und bietet grossen<br />
Lesegenuss.<br />
Marjane Satrapi: Huhn mit Pfl aumen<br />
Edition Moderne, 2006<br />
8<br />
BÜHNE<br />
benjamin brittens<br />
«noye’s fl udde» in köniz Bild:<br />
■ Noch sucht Herr Specht sein Hämmerchen, das<br />
Eichhörnchen fi ndet seine Ohren nicht, und eine<br />
blassgrüne Tasche liegt herrenlos am Boden. Ach<br />
ja, die gehört ja der Frau Bär.<br />
Kleine Probleme, die schnell gelöst sind – und<br />
dann steht dem Beginn der Probe in der Kirche<br />
St. Josef nichts mehr im Wege. Die 42 Kinder der<br />
Singschule Köniz, die in «dr Noah & d’Sintfl uet»<br />
die Tiere spielen werden, fühlen sich auf der Arche<br />
zuhause und sind gepackt vom Theaterfi eber.<br />
Aber nicht nur sie, sondern auch die Jugendlichen,<br />
welche Noahs Söhne und Schwiegertöchter<br />
sowie die Gossips (d’Chäderwyber) spielen werden,<br />
lassen sich von der Musik und der Arbeit mit dem<br />
Regisseur fesseln.<br />
In anderen Räumen proben über 40 junge Instrumentalisten<br />
und Instrumentalistinnen der<br />
Musikschule Köniz: ein Streichorchester, eine<br />
Blockfl ötengruppe, neun Perkussionisten und ein<br />
Trompetenchor. Sie sind, zusammen mit den elf<br />
Berufsmusikern, das Orchester.<br />
Und Noah, seine Frau und die Stimme Gottes,<br />
die drei Berufssänger, freunden sich mit den<br />
berndeutschen Texten an; «chömet hantli» - «mir<br />
versuufe ir Bätzifl uet» - «Ig wätteres ewägg ime<br />
einzige Chutt» gehört nicht unbedingt zu ihrem<br />
Repertoire.<br />
Für die meisten der über 120 Beteiligten ist<br />
Noah die erste Begegnung mit Britten, für viele die<br />
erste Gelegenheit, in einem so grossen Werk mitzuwirken.<br />
Noch bleiben einige Wochen bis zur Premiere<br />
– die Besatzung und die Bootsbauer der Arche geben<br />
alles dran, um diese Zeit optimal zu nutzen.<br />
Denn es geht nicht nur um das originale Werk -<br />
zum Könizer Noah gehört nämlich noch das «Vorspiel<br />
in neun Fabeln ohne Moral». In kurzen Szenen<br />
zVg.<br />
schildert der Regisseur zu Melodien von Benjamin<br />
Britten, wie unzulänglich wir Menschen doch sind.<br />
Das Vorspiel im Gemeindesaal fi ndet seine<br />
Fortsetzung im Schiff der Kirche St. Josef. In der<br />
Darstellung der grossen Flut ist auch das Publikum<br />
gefordert, nach Brittens Wunsch singt es in drei<br />
Chorliedern mit. Britten schrieb sein Werk eben<br />
nicht für die Opernbühne. «dr Noah & d’Sintfl uet»<br />
ist ein Musiktheater für die ganze Gemeinde - in<br />
der Tradition der mittelalterlichen Chester plays.<br />
(Text: Sabine und Lorenz Hasler)<br />
dr Noah & d’Sintfluet<br />
ein Stück Musiktheater mit Kindern und Erwachsenen<br />
von Benjamin Britten<br />
Lorenz Hasler musikalische Leitung<br />
Sebastian Dietschi Regie<br />
Thomas Mattmüller Chorleitung<br />
Alexander Muheim Stimme Gottes<br />
Patrick Oetterli Noah<br />
Susanna Moncayo Frau Noah<br />
Kinder der Sing- und Musikschule Köniz, Lehrkräfte<br />
der Musikschule Köniz; insgesamt 120 Mitwirkende.<br />
Ort und Daten:<br />
Vorstellungen in der Katholischen Kirche St. Josef,<br />
Köniz, Stapfenstrasse 25<br />
Samstag, 16.9., 19:00 h, Première; weitere Vorstellungen:<br />
17.9., 16:00 & 19:00 h; 20.9., 19:00 h; 22.9.,<br />
19:00 h; 23.9., 16:00 & 19:00 h; 24.9., 11:00 h<br />
Reservationen unter 031 972 06 49<br />
oder noah@ms-koeniz.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 45 | september 06