MZ - Sonderveröffentlichung - 600 Jahre Kreishandwerkerschaft
MZ - Sonderveröffentlichung - 600 Jahre Kreishandwerkerschaft
MZ - Sonderveröffentlichung - 600 Jahre Kreishandwerkerschaft
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Sonderveröffentlichung</strong><br />
Das Handwerkszeug des Schuhmachers, beispielsweise der Hammer für das Festklopfen der Sohle, hat sich seit Jahrhunderten<br />
kaum verändert. Fotos Lux<br />
Was ihm an seinem Handwerk<br />
gefällt? Norbert Drescher<br />
muss nicht lange überlegen,<br />
um diese Frage zu beantworten.<br />
„Zum einen habe ich immer<br />
mit verschiedenen Menschen<br />
zu tun“, so der Obermeister<br />
der Schuhmacher-Innung<br />
Münster (kleines<br />
Bild).<br />
Zum anderen<br />
sei für ihn die<br />
Anfertigung<br />
eines Maßschuheseinfach<br />
ein „Erlebnis“: Maß zu<br />
nehmen, das Leder auszusuchen<br />
oder die Beschichtung<br />
festzulegen. Und nicht zuletzt<br />
fasziniert den 62-Jährigen<br />
das Material Leder und seine<br />
Bearbeitung: „Leder ist<br />
schließlich nichts anderes als<br />
eine Haut“, charakterisiert<br />
Drescher seinen natürlichen<br />
Werkstoff.<br />
Zehn Schuhmacherbetriebe<br />
gehören derzeit zur Schuhmacher-Innung<br />
in Münster,<br />
es waren einmal über 100.<br />
Heute landen Schuhe, deren<br />
Sohlen oder Absätze abgelaufen<br />
oder deren Nähte gerissen<br />
sind, einfach im Müll und<br />
werden nicht mehr repariert.<br />
Eine Reparatur, die sich bei<br />
den preiswerten Schuhen der<br />
großen Ketten auch gar nicht<br />
rechnen würde. „So ist das<br />
eben in unserer Wegwerfgesellschaft“,<br />
konstatiert Dre-<br />
Einfach ein Erlebnis<br />
Schuhmacher reparieren, stehen aber auch rund um den Schuh mit Rat und Tat zur Seite<br />
scher achselzuckend. Wobei<br />
er den Münsteranern noch<br />
ein gutes Zeugnis ausstellt:<br />
„Der Münsteraner legt Wert<br />
auf gute Kleidung und gute<br />
Schuhe“. Dementsprechend<br />
lohnen sich die Reparaturen<br />
vieler Schuhpaare in der<br />
Westfalenmetropole auch,<br />
was schlichtweg Arbeit für<br />
Münsters Schuhmacher bedeutet.<br />
Aber Schuhmacher reparieren<br />
nicht nur Schuhe. Sie<br />
kümmern sich um gerissene<br />
Riemen, ergänzen Konfektionsschuhe,<br />
sie beraten den<br />
Kunden in Sachen Lack- und<br />
Lederpflege. Anhand der individuellen<br />
Abnutzung getragener<br />
Schuhe des Kunden kann<br />
der Schuhmacher sogar kompetente<br />
Hinweise zur Lösung<br />
von Passformproblematiken<br />
und Tragekomfortmerkmalen<br />
geben. Und die Anfertigung<br />
eines Maßschuhes ist auch<br />
heute noch die Königsdisziplin<br />
des Schuhmacher-Handwerks.<br />
Norbert Drescher hat diese<br />
Leistung in seinen Betrieb an<br />
der Hammer Straße vor einiger<br />
Zeit wieder aufgenommen.<br />
Grundlage dafür ist der<br />
so genannte Leisten, ein Abbild<br />
des Fußes aus Holz, die<br />
Industrie verwendet auch<br />
Kunststoff. Über diesen Leisten<br />
werden dann die verschiedenen<br />
Schichten des<br />
Schuhs gezogen, angepasst<br />
und handvernäht („gepinnt“)<br />
oder holzgenagelt. Drescher<br />
hat sich auf Herren-Maßschuhe<br />
beschränkt. Für die hat er<br />
einen so genannten Aufbauleisten,<br />
der dann an den individuellen<br />
Fuß angepasst<br />
wird. „Bei Damenschuhen ist<br />
dieses Vorgehen wegen der<br />
Modellvielfalt so nicht möglich“,<br />
erläutert der Schuhmachermeister.<br />
Nach vier bis<br />
fünf Tagen ist der Schuh fertig<br />
– ein Schuh, „den sie vererben<br />
können“ und der in solider<br />
Handarbeit gefertigt<br />
wurde. Denn die zentralen<br />
Arbeiten werden immer noch<br />
mit der Hand ausgeführt,<br />
auch wenn Schleif- oder Fräsmaschinen<br />
dem Schuhma-<br />
cher seinen Beruf mittlerweile<br />
erleichtern. Ansonsten hat<br />
sich das Handwerkszeug des<br />
Schuhmachers seit Jahrhunderten<br />
kaum verändert.<br />
Billigschuh-Trend hin oder<br />
her – für Norbert Drescher<br />
steht fest, dass das Schuhmacher-Handwerk<br />
nicht aussterben<br />
wird: „Ohne Schuhe kann<br />
man nicht laufen“. Und ohne<br />
gute Schuhe kann man nicht<br />
vernünftig und gesund laufen.<br />
„Die Leute werden merken,<br />
dass der Preis qualitativ<br />
hochwertiger Schuhe gerechtfertigt<br />
ist. Das sollten<br />
wir uns wert sein, schließlich<br />
tragen wir unsere Schuhe fast<br />
Schuhmacher-<br />
Innung Münster<br />
Die Schuhmacher-Innung hat<br />
derzeit zehn Mitgliedsbetriebe.<br />
Der Zuständigkeitsbereich<br />
erstreckt sich auf die Stadt<br />
Münster, Betriebe finden sich<br />
auch in Ascheberg und Greven.www.schuhmacher-innungmuenster.de<br />
den gesamten Tag.“<br />
Damit das Handwerk aber<br />
weiter bestehen kann, benötigt<br />
es Auszubildende. Von<br />
denen gibt es in Münster zurzeit<br />
keinen Einzigen. Norbert<br />
Drescher vermutet, dass viele<br />
Jugendliche eine falsche Vorstellung<br />
von dem Ausbildungsberuf<br />
haben. Dabei biete<br />
das Schuhmacherhandwerk<br />
beispielsweise die Möglichkeit,<br />
in der dreijährigen<br />
Ausbildung die individuelle<br />
Anfertigung von Schuhen<br />
nach Maß zu erlernen und<br />
sich so als Designer und Modemacher<br />
zu entfalten.<br />
Christoph Lux<br />
Nach dem Kleben stehen die neuen Sohlen noch über. Mit der Schleifmaschine wird die Umrandung<br />
der Sohlen grob weggeschliffen, anschließend folgen die Feinarbeiten.