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Die Kunst des Alterns

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Bild 12: Auszug aus der arbeitswissenschaftlichen Schriftenreihe <strong>des</strong> Bayerischen Staatsministeriums<br />

für Arbeit und Sozialordnung<br />

Figure 12: Extract of the work-scientific publication series of the Bavarian States Ministry for Work<br />

and Social Affairs<br />

Illustration 12: Extrait <strong>des</strong> documents scientifiques relatifs au travail, publiés par le ministère bavarois du<br />

travail et <strong>des</strong> affaires sociales<br />

ten, Tendenzen und Empfehlungen belegt.<br />

Aus dieser Auflistung sollte noch<br />

einmal deutlich werden, dass der Arbeitsphysiologie<br />

von der Thematik her<br />

nach wie vor ein recht hoher Stellenwert<br />

zukommt. Zur Zeit ist „Altersdifferenzierte<br />

Arbeitsgestaltung“ erfreulicherweise<br />

Gegenstand eines<br />

Schwerpunktprogrammes der DFG<br />

(vgl. Frieling 2006). Der Arbeitsfähigkeit<br />

alternder Belegschaften und altersdifferenzierterArbeitssystemgestaltung<br />

im politisch-gesellschaftlichen<br />

und kulturellen Kontext widmete sich<br />

auch die Herbsttagung der GfA (vgl.<br />

N.N. 2007c).<br />

2.7 Beispiele zur Nützlichkeit<br />

arbeitsphysiologischer Erkenntnisse<br />

bei der problem-adäquaten<br />

Beurteilung der Ergebnisse von<br />

Arbeitsanalysen<br />

Wenn bei Arbeitsanalysen – ohne Berücksichtigung<br />

<strong>des</strong> arbeitsphysiologischen<br />

Kontextes – allein objektive<br />

Daten der Belastung ermittelt werden,<br />

dann kommt es mitunter zu folgenschweren<br />

Fehleinschätzungen. Dass<br />

eine Kassiererin durch das manuelle<br />

Umsetzen von Tonnen von Gewichten<br />

an einem Tag bereits „fix und fertig“<br />

sein muss, ist keineswegs eine gesicherte<br />

arbeitswissenschaftliche Erkenntnis.<br />

Derartige Darstellungen begünstigen<br />

allenfalls für die Mitarbeiter selbst fatale<br />

ergonomische „Aha-Erlebnisse“<br />

(vgl. Bild 13). Da trägt jemand seine Last<br />

ohne Murren. Doch wenn sie wird gewogen,<br />

ächzt der Mitarbeiter unter der<br />

gleich schweren Bürde, die im Kontext<br />

<strong>des</strong> gewachsenen Anspruchsdenkens<br />

als zu schwer empfunden wird. <strong>Die</strong> Ergonomie<br />

hat natürlich die Pflicht, für<br />

eine sachkundige, verantwortungsbewusste<br />

„Beurteilung“ der Arbeitsschwere<br />

zu sorgen. Auf Kassenarbeitsplätze<br />

angewandt, bedeutete das<br />

damals ein nüchternes Abschätzen der<br />

physischen Zusatzbelastung beim manuellen<br />

Warentransport an Umpackkassen<br />

(vgl. Strasser & Müller-Limmroth<br />

1983). Hätten z. B. Waren eines<br />

Gewichtes von 1 kg innerhalb 1 Sekunde<br />

um 0,1 m über den Wagenrand angehoben<br />

werden müssen, so hätte sich<br />

daraus eine Zusatzbelastung von 10 N<br />

x 0.1 m/1 s ergeben. <strong>Die</strong> gleiche Belastung<br />

(1 Nm/s oder 1 Watt) hätte für das<br />

Hantieren mit Waren eines 5 x so hohen<br />

Gewichtes bei einem auf 5 s verlängerten<br />

Arbeitszyklus vorgelegen.<br />

Auch für Einhandarbeit ist das noch<br />

keine besonders hohe Leistungsan-<br />

forderung. Bei dieser Belastung würde<br />

aber schon nach 1 h die stattliche<br />

Warenmenge von 3.6 Tonnen, oder fast<br />

30 Tonnen pro 8-h-Tag resultieren. Das<br />

Argumentieren mit Tonnen von Gewichten<br />

an diesen oder jenen Arbeitsplätzen<br />

und das dabei intendierte ergonomische<br />

„Aha-Erlebnis“, das<br />

vielleicht Laien beeindruckt, entbehrt<br />

also einer seriösen Basis, zumal damit<br />

die Leistungsgrenzen <strong>des</strong> Menschen<br />

noch lange nicht überschritten sein<br />

müssen.<br />

Eine an und für sich leichte Arbeit wird<br />

allerdings zu einer unerträglichen Beanspruchung,<br />

wenn die Arbeitsbedingungen<br />

unter ergonomischer<br />

Sicht nicht stimmen, wenn durch erzwungene<br />

arbeitsbedingte Körperhaltungswechsel<br />

erhebliche Teile <strong>des</strong> eigenen<br />

Körpergewichtes mitbewegt<br />

werden müssen. Gegenüber der „Blindleistung“<br />

von z. B. 30 Watt – resultierend<br />

aus dem bei jedem Arbeitshub repetitiv<br />

mitbewegten Oberkörper – fällt<br />

die Nutzleistung von 1 Watt überhaupt<br />

nicht mehr ins Gewicht. Der Organismus<br />

hat allerdings auch diese „Blindleistung“<br />

durch eine entsprechend körperliche<br />

Inanspruchnahme zu „bestreiten“.<br />

So ist also primär für ergonomische<br />

Arbeitsgestaltung zu sorgen, die<br />

Blindleistung vermeidet, anstatt etwa<br />

durch Gewichtslimits die Nutzleistung<br />

zu beschränken. Unter dem Aspekt der<br />

Blindleistung sollte auch klar werden,<br />

dass mitunter schwere Lasten leichter<br />

transportiert werden als kleine Lasten,<br />

die mehrere Arbeitsgänge erfordern<br />

(vgl. Bild 14).<br />

3 Aufgaben und Ziele arbeitsphysiologisch<br />

orientierter<br />

Forschung im Wandel der<br />

Zeit<br />

Ein vornehmliches Ziel der Arbeitsphysiologie<br />

in der Forschung muss darin<br />

bestehen, Methoden und Verfahren zu<br />

entwickeln und anzuwenden, mit denen<br />

die „physiologischen Kosten“ menschlicher<br />

Arbeit quantifiziert werden können.<br />

Dadurch sollte deutlich werden,<br />

wieviel an Aufwand für eine zu erledigende<br />

Arbeit vom Organismus bzw.<br />

den in die Arbeit involvierten Organsystemen<br />

investiert bzw. „bezahlt“ werden<br />

muss.<br />

144 H. Strasser<br />

(61) 2007/3 Z. ARB. WISS.<br />

Strasser.pmd 144<br />

31.08.2007, 13:19

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