Die Kunst des Alterns
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Bild 8: Herzfrequenzprofile eines Tonmeisters (über einem interdian unterschiedlichen Bezugsniveau<br />
HF Bez ) am Vorbereitungstag (oben) und am Tag, an <strong>des</strong>sen Ende die Sendung „live“<br />
ausgestrahlt wurde (unten) einschließlich synchron mitregistrierten Körperrumpfbewegungen<br />
(relative Motilität) (Quelle: Strasser, 1992)<br />
Figure 8: Heart rate profiles of a sound engineer (technical personnel operating in TV studios) during<br />
a day preparing a live programme (upper part) and during a day when, finally, the production<br />
was broadcast (middle part). In the lower part, simultaneously recorded postural changes,<br />
i.e., trunk movements (Source: Strasser, 1992)<br />
Illustration 8: Profil de la fréquence cardiaque d’un ingénieur du son, relevé pendant une journée de<br />
travail de préparation (en haut) et le jour de la diffusion en direct de l’émission (en bas) y<br />
compris les changements de posture enregistrés de manière synchronisée (mobilité relative)<br />
(Source: Strasser, 1992)<br />
sundheitsproblemen (Mental Ill Health)<br />
und Arbeitsbedingungen (Workplace)<br />
sowie gebotene Interventionsmaßnahmen.<br />
Beispiel zur Stress-Problematik<br />
Dass das biologische Geschehen <strong>des</strong><br />
Stressmechanismus nicht nur graue<br />
Theorie ist, sondern dass sich auch an<br />
diversen Arbeitsplätzen Stress in „Physiological<br />
Responses“ manifestieren<br />
kann, die selbst für körperliche Belastungen<br />
als problematisch einzustufen<br />
wären, sei durch ein exemplarisches<br />
Beispiel der Beanspruchung <strong>des</strong> Tonmeisters<br />
bei einer Fernseh-Live-Produktion<br />
verdeutlicht. Der Tonmeister<br />
gehört zu einer Gruppe von Personen,<br />
die in einer Fernsehregie in Teamarbeit<br />
im Hintergrund <strong>des</strong> audiovisuellen Geschehens<br />
agieren, letztlich mit dem Ziel,<br />
die Leistungen anderer (nämlich der<br />
Akteure und Regisseure) optimal zur<br />
Geltung zu bringen. Dabei ist ihre Arbeit<br />
nicht allein auf ein mechanisches<br />
und programmatisches Bedienen und<br />
Kontrollieren von Reglern und Kanälen,<br />
Spuren, Monitoren oder Mikrophonen<br />
beschränkt, sondern spielt sich<br />
oftmals ab in einer hektischen, von<br />
Zeitdruck geprägten und z. T. auch<br />
spannungsgeladenen Atmosphäre.<br />
Dabei trifft das, was man heutzutage<br />
so gern mit dem Schlagwort „Stress“<br />
bezeichnet, nicht nur auf Akteure und<br />
Regisseure zu, sondern eben auch auf<br />
den hinter den Kulissen der Studios<br />
agierenden Personenkreis <strong>des</strong> technischen<br />
Personals (vgl. Strasser 1983).<br />
Das Bild 8 verdeutlicht in den hellen<br />
Flächen Erhöhungen der Herzfrequenz<br />
über einem individuellen Grundniveau<br />
(den schwarzen Flächen) und macht<br />
deutlich, dass bestimmte Arbeitsumstände<br />
sogar an einem Vorbereitungstag<br />
für die eigentliche Sendung zu einer<br />
massiven Kreislauf-Inanspruch-<br />
nahme <strong>des</strong> (routinierten und erfahrenen)<br />
Tonmeisters führen können, die<br />
selbst für physische Belastungen bei<br />
Körperarbeit nicht unbedenklich wäre.<br />
Hierbei handelt es sich aber nicht um<br />
Effekte physischer Belastungen. Dass<br />
diese Reaktionen nicht generell die<br />
Folge arbeitsbedingter Bewegungen<br />
größerer Körperteile sind, geht nämlich<br />
aus dem unteren Teil <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> hervor.<br />
Hohe Herzfrequenzen können zwar<br />
zeitweise aus Körperrumpfbewegungen<br />
stammen, korrelieren also zum Teil<br />
mit der Motilität. Auffallend ist aber<br />
doch, dass während der Durchlaufproben<br />
und insbesondere während der<br />
Sendung selbst (zwischen 22.00 Uhr<br />
und 23.30 Uhr) bei minimalen Körperbewegungen<br />
(nämlich bei höchster<br />
Anspannung, Konzentration und dem<br />
unbedingten Zwang, im richtigen Moment<br />
sofort zu reagieren) die stärksten<br />
Herzfrequenzerhöhungen auftreten.<br />
<strong>Die</strong>se Diskrepanz zwischen körperlichen<br />
Mobilisierungsaktionen bei erzwungener<br />
Bewegungsarmut während<br />
einer starken emotional-affektiven Inanspruchnahme<br />
ist zumin<strong>des</strong>t nicht<br />
physiologisch, ist sie doch einer Situation<br />
vergleichbar, bei der ein Autofahrer<br />
„Gas gibt und gleichzeitig motorisch<br />
auf die Bremse tritt“.<br />
Solange das in begrenzter Häufigkeit<br />
bei gelungenen Produktionen mit Genugtuung<br />
und Erfolgserlebnissen verbunden<br />
wird, braucht für die Betroffenen<br />
ein Negativ-Bild <strong>des</strong> Stress kaum<br />
ins Bewusstsein zu treten. Nicht immer<br />
liegt aber der Stress in der Sache selbst<br />
und kann durch entsprechende eigene<br />
Leistung bewältigt werden. Konkurrenzkampf<br />
und die Angst um die eigene<br />
Position sowie der Zeitpunkt der<br />
Arousal-Reaktionen – meist am späten<br />
Abend – lassen bspw. solche Tätigkeiten<br />
langfristig bedenklich bzw. zumin<strong>des</strong>t<br />
nicht als gesundheitsförderlich<br />
erscheinen.<br />
2.5 Bedeutung der Arbeitsphysiologie<br />
in der heutigen Zeit<br />
Wenngleich in den USA und vor allem<br />
in Skandinavien „Ergonomics“ schon<br />
immer sehr stark mit „Work Physiology“<br />
verbunden wurde (vgl. Kroemer &<br />
Grandjean 1999 oder Rodahl 1989), ist<br />
es in Deutschland um die Arbeitsphysiologie<br />
in letzter Zeit etwas stiller ge-<br />
(61) 2007/3 Z. ARB. WISS. Zur Entwicklung der Arbeitsphysiologie und Ergonomie im deutschsprachigen Raum 141<br />
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